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Unser Konsum und die Biodiversität

Christiane Weihe

Wir essen immer mehr Fisch. Und der Reichtum der Meere ist stark bedroht. In unseren Cremes steckt Palmöl. Und für seine Produktion werden artenreiche Regenwälder gerodet. Egal, ob Ernährung oder Kosmetik, Mobilität oder Tourismus – was wir konsumieren und wie wir konsumieren, hat einen erheblichen Einfluss auf die weltweite Biodiversität. Oder anders gesagt: Unsere Konsum- und Produktionsweisen zerstören die biologische Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen wie saubere Luft, frisches Wasser oder fruchtbare Böden. Ein Gegensteuern ist dringend notwendig. Was es dafür braucht, damit beschäftigt sich auch das Öko-Institut.

„Will die EU in Zukunft ihre Ziele zur Wiederherstellung der Biodiversität erreichen, müssen sich der Konsum und die damit verbundenen Produktionsmuster dringend ändern“, sagt Dr. Jenny Teufel vom Öko-Institut, „in unzähligen Bereichen wirken sie sich negativ auf die biologische Vielfalt aus. Hier gibt es natürlich Unterschiede – so etwa zwischen hochwertiger und nachhaltiger Kleidung, die lange hält, und Wegwerfprodukten, die nach wenigen Wäschen nicht mehr tragbar sind.“ Als wichtigste Ursachen für den Verlust von Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen benennt die Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) unter anderem die Zerstörung von Lebensräumen etwa durch Siedlungen und Infrastrukturen sowie Abholzung, die Übernutzung von Ökosystemen zum Beispiel durch Überweidung oder Schadstoff­einträge sowie den Nutzungswandel etwa durch eine Intensivierung der Landwirtschaft. Die Ernährung ist eine der größten Ursachen für den Verlust von Biodiversität. So betont ein Bericht vom UN-Umweltprogramm (UNEP) und von Chatham House, dass immer mehr Tier- und Pflanzenarten aufgrund des weltweiten Nahrungssystems verschwinden. Die Landwirtschaft ist laut UNEP für 86 Prozent der vom Aussterben bedrohten Arten die größte Gefahr.

Mehr Suffizienz

Welche Auswirkungen hat der Konsum konkret auf die Biodiversität? Und welche Maßnahmen können dazu beitragen, sie zu schützen? Das hat das Öko-Institut gemeinsam mit adelphi in der Literaturanalyse „Sustainable Consumption for Biodiversity and Ecosystem Services“ untersucht, das vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert wurde. „Darüber hinaus stellen wir positive Beispiele für die Kommunikation mit Blick auf einen nachhaltigen Konsum vor – denn hier gibt es eine große Fehlstelle“, so die Wissenschaftlerin aus dem Bereich Produkte & Stoffströme.

Die Zerstörung von Biodiversität sowie der Verlust von Ökosystemdienstleistungen sind direkt mit dem steigenden Konsum verbunden, so die Analyse. „Gerade die Länder des globalen Südens, von denen wir zahlreiche Rohstoffe beziehen, sind davon besonders betroffen.“ Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, braucht es Suffizienz – der Konsum muss sich verändern, also stärker auf nachhaltig produzierte Produkte ausrichten, und verringern, etwa mit Blick auf Milch- und Fleischprodukte. Die Verbraucherinnen und Verbraucher seien sich aber oft nicht bewusst, wie stark ihr Konsum mit dem Verschwinden von Biodiversität verbunden ist. „Das liegt sicher auch daran, dass wir die Auswirkungen hierzulande nicht so stark sehen oder spüren“, sagt Dr. Jenny Teufel, „wenn der Orang-Utan ausstirbt oder tropischer Regenwald für unseren Fleischkonsum oder das Palmöl in vielen Produkten verschwindet, ist das für uns relativ weit weg.“ Aber auch dem Produkt selbst sehe man natürlich nicht an, ob es der Biodiversität schadet – dem Kleidungsstück ebenso wenig wie dem Glas Milch. „Die enorme Bedeutung der Herstellungsweisen für unsere Biodiversität ist schwer in einfache Slogans zu fassen.“ Daher braucht es mehr Information und Kommunikation, gerade auch mit Blick auf die Ökosystemdienstleistungen.

Die Analyse wurde von der internationalen Arbeitsgruppe „Working Group on Biodiversity Communication“ begleitet, die im Rahmen des One Planet Network der UN ins Leben gerufen wurde und Information, Kommunikation und internationale Kooperation zu naturverträglichem Konsum voranbringen soll. Dazu gehören Mitglieder aus NGOs, Wissenschaft und Politik, so vom Forest Stewardship Council (FSC), vom Stockholm Environment Institute sowie dem indonesischen Umweltministerium.

Politik und Wirtschaft

Natürlich genügt es nicht, wenn die Verbraucherinnen und Verbraucher weniger konsumieren. „Wir müssen alle Hebel in Bewegung setzen, denn wir machen unsere eigenen Lebensgrund­lagen kaputt“, sagt Dr. Jenny ­Teufel. Viele dieser Hebel hat die Politik in der Hand. „Sie kann Steuern auf den Ressourcenverbrauch erheben und auch die öffentliche Beschaffung biodiversitätsfreundlich gestalten.“ Das zeigt das Projekt „Biodiversitätsschutz in der Beschaffung des Bundes“, das gemeinsam mit dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und der Kanzlei Dageförde im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) durchgeführt wurde und einen Fokus auf den Einkauf von Lebensmitteln für Kantinen sowie von Papiererzeugnissen und Hygieneartikeln legt. „Hier haben wir konkrete Anforderungen, die Produkte oder Dienstleistungen erfüllen müssen, formuliert. Diese gewährleisten, dass der Schutz der Biodiversität beim Einkauf berücksichtigt wird.“ Dazu gehören etwa ein höherer Anteil pflanzlicher Lebensmittel in der Speiseplangestaltung in Kombination mit einem verpflichtenden Feedback-System, damit der Geschmack der Gäste nicht zu kurz kommt, aber auch der verpflichtende Einkauf von Recycling-Hygienepapieren.

Nachhaltigkeitssiegel wie der Blaue Engel oder Standards mit Blick auf das Ökodesign von Produkten können ebenfalls dabei helfen, dass Biodiversitätsschutz endlich die Priorität erhält, die notwendig ist – auch in der Wirtschaft. „Es gehört zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht, so nachhaltig wie möglich zu wirtschaften“, so die Expertin vom Öko-Institut, „und es wäre kurzsichtig, nur beim eigenen Verbrauch anzusetzen, während Deutschland zum Beispiel nach wie vor sehr viel Fleisch exportiert. Konventionell erzeugtes Fleisch kann zahlreiche negative Auswirkungen haben – mit Blick auf das Tierwohl, aber auch in Hinsicht auf den Import von Futtermitteln, die wiederum die Biodiversität in anderen Ländern beeinträchtigen können.“ Sie betont aber: „Auch auf der Seite der Unternehmen wächst das Bewusstsein, dass sie die Grundlagen ihres Wirtschaftens zerstören, wenn sie Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen nicht schützen.“

Es ist noch viel Forschung notwendig, um wirklich zu verstehen, wie sich die Produktions- und Konsummuster auf die Biodiversität auswirken, betont Dr. Jenny Teufel. „Man muss sich stets die gesamte Wertschöpfungskette in all ihren Details anschauen. Das ist mit Blick auf Nahrungsmittel noch einfacher als in Hinsicht auf komplexe Produkte wie etwa Laptops, in denen sehr viele unterschiedliche Rohstoffe stecken, deren Abbau wiederum sehr viele unterschiedliche Auswirkungen hat.“ So wie etwa die Förderung von Lithium in Südamerika. Sie vernichtet die Lebensräume von Andenflamingos, die vom Aussterben bedroht sind.

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Eine nachhaltige Lebensmittelproduktion sowie nachhaltige Ernährungsangebote stehen im Mittelpunkt der Arbeit von Dr. Jenny Teufel. Sie bewertet und analysiert unter anderem die ökologischen und gesundheitlichen Risiken entlang des gesamten Produktlebensweges von Lebensmitteln. Darüber hinaus arbeitet die Biologin zu einer nachhaltigen öffentlichen Beschaffung von Lebensmitteln, aber auch weiteren Produkten.