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Perspektive

Innovativ statt altbacken

Mehrweglösungen für die Gastronomie

Altbacken? Anstrengend? Wer an Mehrweg denkt, mag als erstes an die schwere Getränkekiste denken, die in den dritten Stock getragen werden will. Daran, dass sie dann auch ihren Weg zurück in den Supermarkt finden muss. Und leider ist Einweg tatsächlich oft die einfachere Lösung. Gleichzeitig ist Mehrweg aber eine der wesentlichen Lösungen, um viel Material, vor allem Plastik, einzusparen. De facto, um nachhaltiger einzukaufen.

Wir verursachen deutlich zu viel Verpackungsmüll. Im EU-weiten Vergleich produziert Deutschland laut EuroStat mit 227,5 Kilo pro Kopf am meisten davon. Und die Mengen steigen, schon lange gibt es einen Trend zu Einwegverpackungen. Diese Situation hat sich durch die Corona-Pandemie weiter verschärft – etwa mit Blick auf die Gastronomie: Viele Restaurants haben ihre Gerichte zum Mitnehmen angeboten und das häufig in Einweg-Behältern. Etwa jede fünfte Person bestellte bei Lieferdiensten. Auch die Nutzung von eigenen Kaffeebechern wurde aus Hygienegründen vielerorts ausgesetzt. Gleichzeitig ist in dieser Zeit aber auch das Bewusstsein gestiegen, dass es mehr Mehrweg braucht. Und es führt kein Weg dran vorbei: Durch das neue Verpackungsgesetz sind Gastronomiebetriebe dazu verpflichtet, ab 2023 Mehrweg- und Einwegverpackungen zu den selben Konditionen anzubieten. Spannend wird dies zum Beispiel bei Pizzakartons, für die es bislang noch keine akzeptierte Alternative gibt.

In einem Projekt für das Umweltbundesamt haben wir Ratgeber für Kommunen und Gastronomie entwickelt, das diese dabei unterstützt, Mehrwegsysteme zu nutzen. Anlass war Öffentlichkeitsarbeit für den Blauen Engel für umweltverträgliche Mehrwegsysteme, der diese stärken soll. Wir stellen lokale und überregionale Pfand- und Poolsysteme vor. Spannende Lösungen für Mehrwegessensboxen und -becher bieten zum Beispiel Faircup, reCIRCLE, RECUP, Vytal und weitere. Eine große Rolle spielen darüber hinaus Mehrwegbechersysteme, die auf kommunaler Ebene initiiert wurden – so zum Beispiel der Freiburg-Cup an meinem Wohnort. Zusätzlich beschäftigen wir uns im Ratgeber mit der Finanzierung von Mehrwegsystemen und klären umfassend über Hygienestandards auf, die oft ein großes Hemmnis bei ihrer Einführung darstellen.

Damit Mehrwegsysteme in der Gastronomie noch erfolgreicher werden können, braucht es aus meiner Sicht vielleicht sogar zentrale Stationen etwa an Bahnhöfen, an denen alles, was Mehrweg ist, zurückgegeben werden kann. Steigt die Anzahl der Orte, wo ich ein und dieselbe Mehrwegverpackung nutzen kann, steigt gleichzeitig die Bereitschaft, es auch zu tun – und diese ist ein wesentlicher Schlüssel für den Erfolg von Mehrweg. Wenn jedoch jedes Café seinen eigenen To-Go-Becher initiiert, den man nur dort zurückbringen kann, werden nur echte Stammkundinnen und Stammkunden ihn nutzen. Mehrweg lohnt sich laut einer Untersuchung des Umweltbundesamts aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten nur, wenn jeder Behälter mindestens zehn, besser noch fünfzig Runden zwischen Gastronomie und Verbrauch dreht. Es wäre sinnvoll, wenn sich in Städten und Kommunen sowie ihren Außenbezirken jeweils ein Anbieter etabliert. Freiburg möchte sich mit Gastronominnen und Gastronomen gerne auf ein System einigen. Eine höhere Standardisierung der Systeme und damit verbundene Infrastrukturen würden Mehrweg natürlich nicht nur in der Gastronomie voranbringen, sondern auch in vielen anderen Bereichen.

Altbacken? Anstrengend? Das muss nicht sein. Mehrweg mag keine neue Idee sein, aber es ist eine, die innovative Lösungen für unser Müllproblem in sich trägt und dabei hilft, Plastik zu vermeiden. Die sich auf lange Sicht auch aus Kostengründen lohnt. Und eine Idee, die nicht mit Verboten und Beschränkungen arbeitet, sondern mit neuen Angeboten, die Stück für Stück näher an den Bedürfnissen der Verbraucherinnen und Verbrauchern ausgerichtet sind, und so zu einem alltagspraktischen Teil unseres Lebens werden können.

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Zu den Schwerpunkten von Clara Löw gehören bei ihrer Arbeit am Öko-Institut die Kreislaufwirtschaft, die Schadstoffbewertung und  Substanzevaluation sowie die Materialeffizienz, vor allem von Kunststoffen. Die Wissenschaftlerin aus dem Bereich Produkte & Stoffströme hat Chemie studiert und absolvierte einen Master in Umweltwissenschaften. Ihre Schwerpunkte lagen dabei auf den Themen Umweltchemie, Ökotoxikologie sowie Atmosphärenwissenschaften.