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Editorial

Zimmer gesucht, auf Zeit

Das Vorwort von Jan Peter Schemmel, Sprecher der Geschäftsführung des Öko-Instituts

Ich möchte gerne ein zusätzliches Zimmer für unsere Wohnung. Nur eins. Denn jetzt, wo die Kinder größer werden, würden wir ihnen gerne einen eigenen Rückzugsort ermöglichen. Weil die beiden das Nest aber irgendwann auch wieder verlassen werden, möchte ich das Zimmer gerne nur für ein paar Jahre. Ich gebe es dann gerne wieder ab, wenn meine Frau und ich den Platz nicht mehr brauchen.

Geht nicht, denken Sie? Sollte es aber, finde ich. Unsere Vorstellungen davon, wie wir wohnen, sind sehr starr und die Möglichkeiten eingeschränkt. Du brauchst eine größere Wohnung? Dann musst du umziehen! Und wenn die Kinder aus dem Haus sind, kannst du wieder die Kisten packen. Oder du bleibst auf einer Wohnfläche sitzen, die nicht nur mit Blick auf die Energie, die nötig ist, um sie zu beheizen, zu groß ist. Also warum nicht Wohnraum schlauer nutzen? Indem man zum Beispiel in zu groß gewordenen Wohnungen und Häusern Teile abtrennt und untervermietet. Oder neuen Wohnraum von Anfang an so anlegt, dass er sich unterschiedlichen Lebensphasen und Größenanforderungen anpassen kann.

Die Wärmewende wurde viel zu lange aufgeschoben. Wir müssen dringend handeln, um die immer größer werdende Klimalücke im Gebäudebereich zu schließen. Vorschläge für wirkungsvolle Instrumente gibt es. So etwa für eine deutliche Steigerung der Sanierungsrate und des Einsatzes von Wärmepumpen sowie den Abschied von fossilen Energien, aber eben auch Überlegungen, wie sich vorhandene Wohnflächen effizienter nutzen lassen.

Zusätzlich müssen wir höchste Effizienzansprüche an Neubauten stellen, weil die Gebäude, die wir heute bauen, darüber entscheiden, ob wir die angestrebte Klimaneutralität in 2050 erreichen. Es ist schon jetzt möglich, Häuser zu bauen, die mehr Energie produzieren als sie verbrauchen – das zeigt das Beispiel des Energie-Plus-Mehrgenerationenhauses in Berlin-Lichtenberg, das wir auf den vorherigen Seiten vorgestellt haben. Und clever bauen geht übrigens nicht erst seit gestern. So können wir dort, wo es um Kühlung geht, viel von der traditionellen Architektur in sehr heißen Ländern lernen. Die kennt zahlreiche Tricks, um für Kühlung zu sorgen – dies gelingt durch die Wahl des Baumaterials und der Außenfarbe ebenso wie durch die durchdachte Ausrichtung der Häuser, das Anbringen von Luftklappen oder die richtige Positionierung von Fenstern.

Es mangelt also nicht an Ideen. Und falls Sie (ein) Zimmer übrig haben – vielleicht finden Sie ja jemanden, für den diese Wohnfläche gut passt.

Ihr

Jan Peter Schemmel

j.schemmel@oeko.de