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„Wir sind auf einem guten Weg, aber noch nicht schnell genug“

Wie kann Klimaschutz regional koordiniert werden? Philipp Oswald gibt einen Einblick in seine Arbeit als Klimaschutzmanager im Landkreis Emmendingen.

Eintönigkeit gibt es im Job eines Klimaschutzmanagers wohl nur selten. Dafür ist die Aufgabe viel zu herausfordernd und vielfältig – wie man an Philipp Oswald sieht. Er koordiniert im Landkreis Emmendingen in der Nähe von Freiburg den Klimaschutz. Das heißt konkret: Er berät Bürger*innen und Bürger etwa zu den Themen Heizungstausch und Gebäudesanierung. Er baut Netzwerke auf und führt Veranstaltungen durch. Er kümmert sich um Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit. „Derzeit arbeiten wir zudem an der Fortschreibung des ersten Klimaschutzkonzepts von 2012. Wir entwickeln eine Strategie, wie wir das Ziel der Klimaneutralität erreichen können, sowie konkrete Vorschläge für Maßnahmen in den kommenden Jahren.“

Seit 2016 ist der Geograf und Betriebswirtschaftler im Landkreis Emmendingen tätig, aus dem er auch selbst stammt. „Ich habe vorher eine Zeit lang in der Wirtschaftsförderung gearbeitet und habe mich sehr bewusst für diese Aufgabe entschieden, denn ich wollte stärker für den Klimaschutz und auch lokal arbeiten. Die Energiewende muss ja auch ganz konkret vor Ort stattfinden.“ Was mit einer befristeten Stelle begann, ist heute eine langfristige Aufgabe. „Zum Glück hat der Kreistag den Nutzen dieser Arbeit erkannt und die Stelle entfristet. Es hilft der Sache auch nicht, wenn es eine hohe Fluktuation gibt. Und viele Kolleg*innen suchen sich wahrscheinlich lieber etwas anders, wenn sie hören, dass eine Stelle auf zwei Jahre begrenzt ist.“ In Emmendingen aber hat Oswald einen neuen Kollegen hinzugewonnen: Im vergangenen Jahr bekam das Team einen Energieberater dazu.

Die Menschen brauchen Unterstützung.

Insbesondere die konkrete Unterstützung der Bürger*innen liegt Philipp Oswald am Herzen, das wird im Gespräch mit ihm deutlich. Sie möchte er gerne ausweiten. „Wir bieten eine kostenlose Beratung zu den Themen Heizungsaustausch, Gebäudesanierung und erneuerbare Energien an. Dabei geben wir eine erste Orientierung etwa zu Technologien und Fördermöglichkeiten.“ So steht der Energieberater aus dem Landkreis regelmäßig bei Sprechstunden in den Rathäusern des Kreises zur Verfügung, für die online Termine vergeben werden. „Leider sind wir derzeit zwei Monate im Voraus ausgebucht. „Mit der Energiekrise ist das Interesse massiv gestiegen. Die Menschen wollen etwas tun und wissen auch grundsätzlich Bescheid – aber auf der individuellen Ebene brauchen sie Unterstützung. Etwa bei der Frage, ob eine Wärmepumpe überhaupt in ihr Zuhause passt.“ Oft empfehlen die Experten aus dem Landkreis den Bürger*innen aber auch, sich eine fundierte Energieberatung zu leisten. „Wenn sich jemand das Haus vom Keller bis zum Dach im Detail anschaut und dann ganz konkrete Maßnahmen empfiehlt, ist das natürlich noch viel wirkungsvoller.“

Wie wertvoll solche Beratungen sein können, konnte man im Landkreis mit seinen 24 Gemeinden übrigens schon vor ein paar Jahren sehen. „Wie haben 2018 die Solarkampagne der Stadt Freiburg adaptiert und Menschen zum Thema Photovoltaik beraten – mit Veranstaltungen in sieben Gemeinden und Beratungsnachmittagen in allen Rathäusern. Dadurch haben sich die Ausbauzahlen bei der Solarenergie im Kreis im Vergleich zu einem entsprechenden Zeitraum vor der Kampagne verdreifacht.“

Wir brauchen mehr Geschwindigkeit.

Und so steht der Landkreis Emmendingen beim Klimaschutz? „Wir sind auf einem guten Weg“, sagt der Klimaschutzmanager, „wir haben viele Maßnahmen umgesetzt und damit einiges erreicht. Aber wir sind noch nicht schnell genug und auch noch nicht weit genug.“ Damit meint er trotz des Erfolgs der Solarkampagne auch den Bereich der erneuerbaren Energien. „Wir liegen hier ungefähr auf dem Durchschnitt des Landes Baden-Württemberg. Wir müssen den Ausbau weiter ankurbeln, um alleine im Strombereich auf 100 Prozent regenerative Quellen zu kommen.“ Im Gespräch sagt Philipp Oswald immer wieder diesen Satz „Wir müssen schneller sein.“ „Ich habe immer wieder das Gefühl, dass es noch nicht reicht. Dass wir noch mehr anstoßen müssen, noch mehr unterstützen, noch mehr in die Breite kommen. Aber das ist natürlich auch eine Frage der Prioritäten sowie der finanziellen und personellen Ressourcen.“

Auch bei den Gebäuden, bei Sanierung und Heizungsoptimierung, gebe es Fortschritte, aber hier gehe es ebenfalls noch nicht schnell genug. „Der Fachkräftemangel macht uns natürlich zusätzlich Sorge – auch wenn wir daran leider nichts ändern können.“ Ein besonderes Sorgenkind ist für Philipp Oswald der Verkehrsbereich. „Hier liegen wir leider im Trend. Wenn man auf die CO2-Emissionen schaut, tut sich hier viel zu wenig bis gar nichts.“ Einer der Gründe, warum er die Kapazitäten des Klimateams auch in diesem Bereich ausbauen möchte. „Der Landkreis ist glücklicherweise Teil des regionalen Verkehrsverbunds mit vielen Angeboten. Aber auch hier braucht es mehr.“ Mitunter sei es zudem schwer, den Status quo der Klimaschutzbemühungen und die erzielten Erfolge tatsächlich zu erfassen. „Hierfür brauchen wir viel Datenmaterial von dritten Stellen, so etwa von Landesbehörden. Zum Teil müssen wir mit Werten von 2018 oder 2019 arbeiten. Das macht das Monitoring der Fortschritte schwierig.“

Gute Förderung – die schwierig zu bekommen ist.

Das Monitoring ist jedoch sicher nicht die größte Herausforderung des Klimaschutzmanagers aus Emmendingen. „Wir haben immer wieder mit sich ändernden Rahmenbedingungen zu kämpfen. So etwa mit Blick auf die Bedingungen für Fördermittel. Im vergangenen Jahr wurde etwa die Förderung für den Austausch von Heizungen massiv geändert. Im August galt dann auf einmal nicht mehr, was wir den Bürger*innen im Mai bei Beratungen gesagt haben.“ Und auch wenn Fördermöglichkeiten bestehen, ist es alles andere als einfach, diese zu bekommen und abzuwickeln. „Es gibt sehr gute Förderprogramme, für Bürger*innen und Unternehmen ebenso wie für Kommunen. Doch leider ist es häufig sehr aufwendig, diese zu beantragen. Manchmal dauert es zudem erstaunlich lang, bis man weiß, ob eine Förderung genehmigt wird oder nicht. Und vorher kann man mit dem entsprechenden Projekt natürlich nicht anfangen.“ Auch die Dokumentationspflichten mancher geförderter Projekte seien aufwendig und fordernd. „Wenn ich über Jahre Stundenlisten führen und Nachweise sammeln muss, frage ich mich dann schon manchmal, ob es nicht effizienter wäre, das Projekt ohne Förderung durchzuführen. Und ich kann mir vorstellen, dass mehr Kommunen Klimaschutzprojekte durchführen würden, wenn es einfacher wäre, eine entsprechende Förderung zu erhalten. Natürlich muss alles transparent ablaufen, aber wir brauchen eine bessere Balance zwischen berechtigten Dokumentationspflichten und einem übertriebenen Aufwand für die Kommunen.“

Darüber hinaus gibt es oft bürokratische und regulatorische Hürden, so etwa im Vergaberecht. „Das ist mitunter sehr kompliziert und bremst daher Prozesse aus. Dass die Straßenverkehrsordnung Kommunen davon abhält, selbst Tempo 30 als innerörtliche Regelgeschwindigkeit einzurichten, ist zudem absurd. Und auch bei steuerlichen Fragen wären Vereinfachungen sehr hilfreich.“ Philipp Oswald wünscht sich zum Beispiel klare Leitlinien für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen. „Dazu gehören für mich Vorgaben, wie und wo der Klimaschutz berücksichtigt werden muss. Aber auch Hinweise, wie das vergaberechtskonform möglich ist. Denn manchmal ist das nicht so einfach, wie es sich manche vielleicht vorstellen – zum Beispiel beim Bezug von regionalen Bioprodukten für Kantinen und Cafeterien.“

Eine Querschnittsaufgabe etablieren.

Klimaschutz ist eine Querschnittsaufgabe. Sie betrifft Bauämter ebenso wie Grünflächenämter. Straßenverkehrsämter ebenso wie Umweltämter. Das heißt auch: Philipp Oswald muss mit vielen unterschiedlichen Ämtern und Verantwortlichen zusammenarbeiten. „Ich habe den Eindruck, dass in vielen Ämtern der Klimaschutz bereits mitgedacht wird“, sagt er. Und ergänzt schmunzelnd: „Natürlich nicht mit der gleichen Priorität, wie ich das tue.“ Wichtig sei, dass der Klimaschutz für die Mitarbeiter*innen der Gemeindeverwaltungen nicht als zu belastende Zusatzaufgabe empfunden wird. „Sie haben natürlich ihre eigenen Aufgaben und sind jetzt schon sehr ausgelastet.“

Daher könne im Landkreis Emmendingen der Klimaschutz besser als Querschnittsfunktion im Alltäglichen etabliert werden. „Aus diesem Grund nehmen wir am European Energy Award teil. Dieser sieht einen Prozess vor, der uns bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen und der kontinuierlichen Verbesserung der Organisation derselben hilft.“ Dazu gehört unter anderem die Erfassung des Status quo, jener Bereiche, die klimaschutzrelevant sind und beeinflusst werden können wie etwa der Fuhrpark oder die Abfallentsorgung. „Darüber hinaus zeigt der Prozess, welche Möglichkeiten es gibt, Dinge anders und besser zu machen.“ Dies sei eine kontinuierliche, langfristige Aufgabe. Und auch eine, die dazu beiträgt, dass Eintönigkeit im Alltag von Philipp Oswald wahrscheinlich wenig Raum findet.

Philipp Oswald ist seit Anfang 2016 als Klimaschutzmanager für den Landkreis Emmendingen tätig, aus dem er selbst stammt. In dieser Funktion entwickelt er unter anderem das Klimaschutzkonzept des Landkreises weiter, berät Bürger*innen zu den Themen Heizungstausch, Gebäudesanierung und erneuerbare Energien und kümmert sich um Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit. Vor seiner Tätigkeit im Klimaschutzmanagement arbeitete der Geograph und Betriebswirtschaftler als Teamleiter Umwelttechnik für die Landesagentur Umwelttechnik BW. Hier befasste er sich vor allem mit den Themen Ressourcen- und Energieeffizienz. Er war zuvor zudem als Projektleiter „Cluster Green City“ für die Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH (FWTM) tätig sowie als Teamleiter in einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landes Baden-Württemberg.

Weitere Informationen

Themenseite „Klimaschutz im Landkreis Emmendingen“ auf der Website des Landkreises

Integriertes Klimaschutzkonzept des Landkreises Emmendingen

Website des European Energy Award

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