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Wie wohnen wir in Zukunft bedarfsgerecht und ressourcenschonend?

Wohnen ist ein sensibles Thema. Begriffe wie „Wohnungsnot“ und „Mangel an bezahlbarem Wohnraum“ zeichnen ein prekäres Bild, wenn es um die Verfügbarkeit geht. Dem gegenüber steht die weiterhin steigende Wohnfläche pro Kopf in Deutschland, die große Mengen an Ressourcen und Energie sowie viel Fläche benötigt.

Laut Statistischem Bundesamt lag die Wohnfläche je Einwohner*in im Jahr 2023 bei 47,5 Quadratmeter – Trend: stetig steigend. Dabei gilt: je größer die Wohnfläche, umso höher der Energieverbrauch. Die Fläche wird beheizt, beleuchtet, möbliert und gereinigt. Es stellt sich die Frage, wie unser Wohnraum nachhaltig und zudem auch sozial gerecht gestaltet und verteilt werden kann.

Suffizienz: Auf die Betrachtungsweise kommt es an

Hier kommt die Suffizienz ins Spiel. Diese Strategie zielt – in Abgrenzung zur verbesserten Ressourcennutzung (Effizienz) sowie der Substitution von fossilen Energieträgern (Konsistenz) – auf ein verändertes Konsum- und Wohnverhalten ab. Zwar verbessern der Einsatz erneuerbarer Energien und die energieeffiziente Sanierung die CO2-Bilanz – im Bereich Wärmeverbrauch für Wohnen in Deutschland in den letzten Jahren um ca. 30 Prozent, die zunehmende Wohnfläche pro Person jedoch erhöht den Wärmebedarf wieder. Damit kompensierte sie die Einsparungen: durch die um über 30 Prozent gestiegene Wohnfläche in den letzten 30 Jahren ist der Wärmeverbrauch für Wohnen pro Kopf aktuell so hoch wie im Jahr 1990. Es ist daher wichtig, nicht nur auf Emissionen zu schauen, sondern auf den Energieverbrauch. Denn damit gehen zusätzlicher Ressourcenbedarf und Flächenverbrauch für erneuerbare Energieanlagen einher.

Ressourcenbedarf und Flächenverbrauch sind große ökologische Herausforderungen im Bereich Neubau. Aktuell wird Wohnraummangel durch immer mehr Neubau entgegengewirkt – dieser ist jedoch oft nicht bedarfsgemäß und zudem häufig preisintensiv in der Vermietung: Schon heute gibt es in Deutschland mehr Einfamilienhäuser als Familien. Wir haben viel eher ein Verteilungsproblem, denn in diesen Einfamilienhäusern leben oft wenige Personen auf sehr großer Fläche. Familien mit Kindern leben hingegen oft in zu kleinen Wohnungen. Während Vierpersonenhaushalte (und größer) durchschnittlich auf 30 Quadratmeter (m²) pro Person wohnen, haben viele Alleinstehende und Menschen ab 65 Jahren mehr als 69 m² Wohnfläche zur Verfügung. Alleinlebende egal – welchen Alters – im selbstgenutzten Eigenheim leben sogar durchschnittlich auf über 100 m²!

Wohnraumpotenziale im Bestand je nach Lebensphase nutzen

Nun ist die Haushaltsgröße nicht fix, sondern die Bedürfnisse ändern sich mit den Lebensverhältnissen: durch Nachwuchs, Krankheit, Trennung, Auszug und ähnliche Veränderungen. Damit müssten sich auch die Wohnverhältnisse anpassen hin zu „lebensphasengerechten Wohnmodellen“. Um das Verteilungsproblem anzugehen und für möglichst viele Menschen ein Leben auf angemessenem Wohnraum zu ermöglichen, braucht es soziale Innovationen, also Suffizienz. Die Rahmenbedingungen dafür muss die Politik schaffen. Denn nur so kann suffizientes Wohnen zur attraktivsten Option werden. Anreize sowie Unterstützung dafür sind noch rar und einzelne lokale Maßnahmen reichen nicht aus, um die gewünschten Effekte zu erzielen. Es gibt aber bereits vielversprechende Ansätze und auch Ideen.

Flächendeckende Beratungsangebote & Flexibilität schaffen

Einige Kommunen haben bereits Anlaufstellen geschaffen, die zu energetischer Sanierung, Umbau, Wohnungsteilung, Untervermietung oder Umzug beraten, um eine bedarfsgerechte Wohnraumnutzung zu ermöglichen. Die „Wohnraumagentur“ Göttingen oder auch das Projekt „Kleiner wohnen – besser wohnen“ der Energieagentur Regio Freiburg, die Eigentümer*innen bei der Wohnraumverkleinerung berät, sind Beispiele mit entsprechendem Beratungsangebot.

Auch das Recht auf Wohnungstausch wie in §13 Mietrechtsgesetz in Österreich geht in diese Richtung. Demnach können Mieter*innen im Falle eines berechtigten Interesses im Zuge eines freiwilligen Tauschs in das existierende Mietverhältnis der Tauschpartner*innen eintreten, um für beide Parteien bedarfsgerechten Wohnraum zu schaffen. Um einen Anreiz für eine Wohnraumverkleinerung zu schaffen, bot zum Beispiel ein Modellprojekt in Düsseldorf an, die Kaltmiete in die neue Wohnung „mitzunehmen“. Es sind unterschiedliche Anreize denkbar, wie Umzugsprämien oder Umzugshilfen, um das Angebot noch attraktiver zu machen. In kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungen in der Schweiz sind zudem sogenannte Belegungsvorgaben etabliert. Die genutzte Wohnung hat in der Regel ein oder maximal zwei Zimmer mehr als Bewohner*innen. Ziehen zum Beispiel die Kinder aus, bietet der Vermietende neue, an den Bedarf und die Regel angepasste Alternativwohnungen an, in die dann binnen eines Jahres umgezogen werden muss. Die Bewohner*innen dieses Modells finden das ziemlich gut, denn im Gegenzug haben sie eine Garantie auf lebenslanges preiswertes Wohnen. Durch das Freiwerden von großen Wohnungen wird der Neubaudruck gesenkt.  

Wohnraumangebote erweitern & Kosten stabilisieren

Die Schaffung kleiner, bezahlbarer Wohnungen durch die Förderung von Umbau und Wohnungsteilung schafft gerade für Alleinstehende Anreize umzuziehen. Im Falle vom Neubau sollte dabei auch die Lage berücksichtigt werden. Neubau in der Nähe von Einfamilienhausgebieten oder im Zentrum von Gemeinden ermöglicht es den Menschen, in ihrem gewohnten Umfeld zu bleiben. Daneben wäre es eine Option, angepasste Anforderungen für Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden durch eine MusterUMbauordnung vorzugeben und damit Umbauten im Bestand zu vereinfachen. Auf diesem Wege würde die vorhandene Baukultur gewahrt, der Ressourcenverbrauch beim Bau reduziert und der Neuversiegelung entgegengewirkt.

Die Themen Miet- und Immobilienpreise sind ein weiteres sehr wichtiges Thema, um Anreize zu schaffen, aber sehr komplex. Mietpreisbremse, bundesweiter Mietendeckel, Verbot von Indexmietverträgen sind erste Schritte in diese Richtung. Weitere Politikoptionen zum Erhalt bezahlbaren Wohnraums sind jedoch notwendig und müssen entwickelt werden.

Vision: Wie wir in Zukunft wohnen (sollen/wollen/müssen)

Wohnen bietet Sicherheit, Schutz und Geborgenheit, aber auch Kontakt zu Nachbar*innen sowie Möglichkeiten zur Entfaltung. In der Zukunft ist es für jede*n bezahlbar. Es wird vor allem im Bestand umgebaut und angepasst und unbebaute Fläche bleibt für Erholung und Artenvielfalt grün. In der Flächenkreislaufwirtschaft wird für unvermeidlich neu bebaute Flächen Ausgleich geschaffen und an anderer Stelle entsiegelt und renaturiert.

Die Menschen wohnen umwelt- und ressourcenschonend sowie klimaneutral: Die Gebäude sind energetisch saniert. Wohnungsgröße, -ort und -art sind unseren Bedürfnissen und Bedarfen angepasst – auch Gewerbeimmobilien lassen sich flexibel umnutzen. Gemeinschaftliches Wohnen breitet sich in verschiedenen Ausprägungen (wieder) aus. Dafür gilt es auch in kleineren Gemeinden die bisweilen fehlende Infrastruktur hinsichtlich Lebensmittelversorgung, Banken, ärztlicher Versorgung oder Poststellen neu zudenken und wieder anzusiedeln. Dann bleiben auch die Wege kurz.

 

Carina Zell-Ziegler ist Senior Researcher im Bereich Energie & Klimaschutz am Standort Berlin und arbeitet zu Energiesuffizienz. Tanja Kenkmann ist Senior Researcher im Bereich Energie & Klimaschutz am Standort Freiburg. Sie ist Expertin für soziale Aspekte der Energiewende im Gebäudebereich.

Weitere Informationen

 

 

Umfangreiche Daten, Grafiken, Studien und Projektergebnisse zum sozialen, klimafreundlichen und flächeneffizienten Wohnen bietet die Website wohnen.oeko.info des Öko-Instituts.

Impulspapier: Krisenfest, sozial und umweltgerecht – Impulse zur Entwicklung einer Suffizienzstrategie für Deutschland

Schwerpunkt „Konsum und Suffizienz“ beim Öko-Institut

Projekt: EnSu – Die Rolle von Energie-Suffizienz in Energiewende und Gesellschaft

Externer Blogbeitrag „Wohnraumsuffizienz: Schöner wohnen? Ja. Aber kleiner? Nein, danke.“ von Tanja Kenkmann bei transforming economies (erschienen am 15.08.2025)

 

 

 

 

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