Fernreisen ohne Flugzeug – Wie geht das?

Ohne Flugzeug in den Urlaub
©plainpicture / Malte Mueller
Bereits im Jahr 2019 hat das Öko-Institut sich in dem Spendenprojekt „Fliegen und Klima“ den konkreten Klimawirkungen des Luftverkehrs gewidmet. Heutzutage trägt der Luftverkehr etwa 2,5 Prozent zu den weltweiten CO₂-Emissionen bei. Hinzukommen Nicht-CO2-Effekte wie Feinstaub, Wasserdampf und sich aus Kondensstreifen bildende Zirruswolken, die ebenfalls klimawirksame Folgen mit sich bringen. Die Unsicherheiten dieser Effekte sind laut dem Europäischen Luftfahrt-Umweltbericht 2025 sogar achtmal höher als beim CO2. Was bedeutet das konkret für das Flugreisen?
CO2-Emissionen beim Fliegen
Mit dem CO2-Rechner vom Umweltbundesamt lassen sich die CO2-Emissionen in verschiedenen Bereichen – darunter auch für europaweite und transkontinentale Flugreisen – berechnen. Dabei zeigt sich, dass Flugreisen im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln im besonderen Maße klimaschädlich sind. Demnach verursacht ein Flug von Berlin auf die Kanarischen Inseln und zurück pro Person einen Ausstoß von etwa 1.700 kg klimaschädlichen CO2-Äquivalenten (CO2e) – das entspricht einer Pkw-Reise (mit einem Verbrenner) von etwa 9.000 Kilometern. Ein Flug von Deutschland auf die Malediven und zurück bringt pro Person rund 2,8 Tonnen CO2e mit sich, das entspricht etwa 13.000 km per Pkw. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Jahresfahrleistung eines PKWs in Deutschland lag laut dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) im Jahr 2023 bei 12.309 Kilometern.
Darüber hinaus hat das Fliegen weitere negative Folgen: Neben dem Müllaufkommen durch beispielsweise Einwegverpackungen verschlechtert sich die lokale Luftqualität und es kann zu gesundheitlichen Einschränkungen durch Fluglärm kommen. Es gilt – wie in allen Verkehrsbereichen – die Emissionen zu senken.
Politikmaßnahmen im internationalen Luftverkehr
Auf globaler Ebene ist die internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO, International Civil Aviation Organization) zuständig für den internationalen Luftverkehr. Sie ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen und beschließt Regularien für den internationalen Luftverkehr. Im Jahr 2016 hat die ICAO das Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation (CORSIA) beschlossen, das einen globalen Kompensationsmechanismus einführt: Seit 2020 darf die Luftfahrtbranche nur noch CO2-neutral wachsen, jede weitere Tonne CO₂ kann seitdem über den Zukauf von CO₂-Zertifikaten aus Klimaschutzprojekten oder durch klimafreundlichere Treibstoffe ausgeglichen werden. Noch befindet sich der Mechanismus in der Pilotphase, in der Staaten freiwillig teilnehmen können. Erst ab dem Jahr 2027 ist CORSIA für alle verpflichtend. Staaten mit nur kleinem Flugaufkommen sind ausgenommen und die Klimawirkung von Nicht-CO2-Effekten wird nicht berücksichtigt. Zudem ist die Qualität der Kompensationszertifikate fragwürdig. Vor zwei Jahren setzen sich ICAO-Mitgliedsstaaten das Ziel, die CO2-Emissionen im internationalen Luftverkehr bis 2030 durch den Einsatz von Sustainable Aviation Fuels (SAF) und anderen Technologien um 5 Prozent zu senken sowie bis 2050 netto-null Emissionen zu erreichen. Allerdings ist CORSIA hierfür kein ausreichender Mechanismus und weitere Maßnahmen wurden bisher nicht beschlossen.
Auf EU-Ebene gibt es inzwischen zwei wichtige Instrumente. Erstens gibt es den europäischen Emissionshandel, der die CO2-Emissionen von innereuropäischen Flügen bepreist. Zweitens fokussiert die ReFuelEU Aviation Verordnung auf den verstärkten Einsatz nachhaltiger Flugkraftstoffe, den SAF, als das leistungsstärkste Instrument zur Reduktion der CO2-Emissionen vor. Demnach soll der Anteil von SAF an europäischen Flughäfen ab diesem Jahr 2 Prozent betragen, bis zum Jahr 2050 ist die Erhöhung auf 70 Prozent vorgesehen.
Das Fliegen der Zukunft
SAF, die aus nachhaltigen Rohstoffen hergestellt werden, können die Lebenszyklusemissionen im Vergleich zu fossilem Kerosin erheblich reduzieren. Allerdings ist der Anteil von SAF am Flugkraftstoffverbrauch derzeit noch minimal: SAF machen nur etwa 0,1 Prozent des Gesamtverbrauchs aus. Die vor Kurzem eingeführte ReFuelEU Aviation Verordnung muss erst noch Wirkung zeigen, aber es fehlt auch an politischen Anreizen auf globaler Ebene durch die ICAO. In der EU, aber auch global, bedarf es neben SAF-Quoten und -anreizen für die Nachfrageseite vor allem auch an Investitionssicherheiten für die Angebotsseite, da die Produktionskapazitäten für SAF erhöht werden müssen. Neben direkten Subventionen sind Mechanismen, die langfristige Abnahmen garantieren – wie beispielsweise der handelsorientierte Mechanismus für grünen Wasserstoff H2Global – eine gute Maßnahme.
Die beste Strategie für nachhaltige Reisen bleibt jedoch der Verzicht auf Flüge, wo immer es möglich ist. E-Pkw, Bus, Bahn und sogar das Fahrrad sind Optionen, zum Teil auch auf Fernreisen. Und wenn Flugreisen sich nicht verhindern lassen, dann ist Economy vor Business besser, Direktflüge statt eines Fluges mit Umsteigestopps und längere Aufenthalte – auch in Kombination mit Dienstreisen.
Pauline & Ole von fernostpost machen es vor
Pauline Kalender und Ole Henner Maaß haben in 20 Monaten insgesamt 25 Länder in Eurasien bereist – und das alles ohne Flugzeug. Per Anhalter ging es nach China, per Fahrrad durch Südostasien, per Anhalter und in öffentlichen Verkehrsmitteln über Japan und Pakistan zurück nach Norddeutschland – in vielen, vielen Einzeletappen versteht sich. Ihre Abenteuer und Impressionen haben sie in ihrem Blog fernostpost beschrieben. Nun planen sie die Veröffentlichung eines Reiseratgebers mit hilfreichen Tipps für die eigene flugfreie Reise sowie Geschichten und Bildern aus aller Welt. Die Finanzierung für die Buchveröffentlichung läuft noch bis zum 18. August bei oekom crowd auf Basis von Crowdpublishing. Wir haben den Weltreisenden ein paar Fragen zum flugfreien Reisen gestellt, hier sind ihre Antworten:
Frage an Pauline & Ole: Wie seid ihr auf die Idee gekommen ohne Flugzeug auf Weltreise zu gehen?
Unsere erste gemeinsame Reise führte uns 2017 per Anhalter zu einer Vorführung des Films „WEIT. Die Geschichte von einem Weg um die Welt“. Die eindrucksvolle Dokumentation von Gwendolin Weisser und Patrick Allgeier über ihre dreijährige, flugfreie Weltreise berührte uns sehr. Wir waren sofort begeistert von der entschleunigten Art des Reisens und der Nähe zu Menschen und Natur.
Während der Abgeschiedenheit der Pandemie träumten wir uns in die Welt hinaus. Da uns Klima- und Menschenschutz am Herzen liegen, kam Fliegen für uns nicht infrage. Wir suchten also nach alternativen, sanfteren Reisearten – und landeten gedanklich wieder bei „WEIT“.
Nach einem Jahr Planung standen wir im April 2023 schließlich mit ausgestreckten Tramp-Daumen am Ortsausgang unserer Heimatstadt – auf dem Weg per Anhalter Richtung Vietnam.
Frage an Pauline & Ole: Welche Etappe war ohne Flugzeug am herausforderndsten und habt ihr Tipps für Reisende?
Die größte Herausforderung auf unserer Route war die Region rund um das Schwarze Meer. Aserbaidschan hält seit Jahren die Landgrenzen geschlossen, der Iran lehnte unsere Visaanträge ab – und so blieb uns nur der Weg durch Russland, um nach Osten zu gelangen.
Wir hatten bei unseren beiden Russlandbesuchen Mitte 2023 und Ende 2024 ein etwas mulmiges Gefühl. Aber dank guter Vorbereitung und dem Austausch mit anderen Reisenden wussten wir: Wer sich an lokale Regeln und Gesetze hielt, konnte in diesen Zeiträumen sicher durchreisen.
Einer unserer wichtigsten Tipps lautet: Vernetzt euch! In Hostels oder WhatsApp-Gruppen wie „Traveling Without Flying“ tauschen sich Reisende über aktuelle Routen, Visa-Bedingungen und Sicherheitslagen aus. Auch die Länderinformationen des Auswärtigen Amts helfen, Lagen realistisch einzuschätzen. Natürlich steht Sicherheit immer an erster Stelle. Gleichzeitig sollte man sich nicht von Schlagzeilen oder Einzelfällen abschrecken lassen. Mit gesundem Menschenverstand und Freundlichkeit kommt man oft weiter, als man denkt.
Viele weitere hilfreiche Tipps, die wir selbst gerne vor unserer Reise gewusst hätten, teilen wir in unserem Buch „Ohne Flugzeug in die Ferne“. Darin sammeln wir unsere Erfahrungen und die anderer Überlandreisender – von der Routenplanung über Visa-Fragen bis hin zu Herausforderungen unterwegs. Das Buch lädt mit Geschichten, Rezepten und Bildern aus aller Welt auch einfach zum Träumen ein.
Frage an Pauline & Ole: Lässt sich eure Idee auch für kürzere Urlaube adaptieren?
Absolut! Uns hat selbst überrascht, wie schnell man auch ohne Flugzeug unterwegs sein kann. Bekannte von uns sind in nur 13 Tagen mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Thailand bis nach Frankreich gereist – quer durch zahlreiche Länder und über rund 10.000 Kilometer. Das zeigt: Mit etwas Planung ist vieles möglich.
Für kürzere Urlaube bieten sich mittelferne Reiseziele hervorragend an. In ein bis drei Tagen erreicht man mit Bahn, Bus oder Fähre zum Beispiel Georgien, Marokko oder Island. Bei der Routenplanung helfen Plattformen wie rail.cc oder die Website der Deutschen Bahn.
Und nicht zuletzt: Viele Langzeitreisende berichten, dass ihre intensivsten Erlebnisse gar nicht am anderen Ende der Welt stattfanden, sondern in Europa. Länder wie Norwegen oder Albanien wurden fast immer als Lieblingsländer genannt.
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Nora Wissner ist Expertin für Klimaschutz und Klimapolitik im Bereich Luft- und Seeverkehr und arbeitet im Bereich „Energie & Klimaschutz“ am Standort Berlin. Ole Maaß und Pauline Kalender haben seit April 2023 insgesamt 25 Länder bereist, ohne jemals das Flugzeug zu nutzen. Aktuell sammeln sie via Crowdfunding Geld für ein Buch, das praktische Tipps für Reisen zu Land und Wasser, aber auch Impressionen ihrer eigenen Reisen wiedergibt. Sie wurden von Kathy Kilz, die im Bereich „Öffentlichkeit & Kommunikation“ ebenfalls am Standort Berlin tätig ist, für diesen Blogbeitrag interviewt.
Weitere Informationen
Webseite über „Fliegen und das Klima“ des Öko-Instituts
Studie „Policy incentives for the uptake of sustainable aviation fuels (SAFs)”
Policy Brief “Aviation in the EU climate policy”
Themenseite zum “Luft- und Seeverkehr“ des Öko-Instituts
Tipps zur Mobilität & Reisen beim Umweltbundesamt
*Zum „Reiseverhalten der Deutschen - Daten & Fakten“ auf statista