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Im Fokus

Der Stau löst sich auf

Bewegung in der Verkehrswende

Christiane Weihe

Jahrelang sah es bei der Verkehrswende so aus wie auf deutschen Autobahnen kurz vor Ostern: Es ging nichts voran. Nun aber scheint sich der Stau endlich langsam aufzulösen. Projektionen des Öko-Instituts zeigen, dass die Emissionen zukünftig zurückgehen. Hauptverantwortlich hierfür sind der EU Green Deal und dabei insbesondere die Flottenzielwerte mit dem Verbrenner-Aus ab 2035. Die Wissenschaftler*innen aus dem Bereich Ressourcen & Mobilität erwarten daher in den kommenden Jahren ein weiteres und sich beschleunigendes Absinken der Treibhausgasemissionen des Verkehrs. Doch nur, wenn der politische Rahmen so bleibt, wie er ist. Oder natürlich: noch ambitionierter wird.

Wie sich die Emissionen des Verkehrssektors entwickeln, unterstreichen die Expert*innen des Öko-Instituts gemeinsam mit M-Five und Fraunhofer-ISI durch die aktuellen Treibhausgas-Projektionen für das Umweltbundesamt. „Zwar zeigen sie, dass der Verkehrssektor seine Minderungsziele für 2030 voraussichtlich verfehlt und zwar in Summe um 169 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Deutlich wird aber auch: Die langfristige Emissionskurve zeigt nun endlich klar und sehr deutlich nach unten“, so Peter Kasten, Mobilitätsexperte am Öko-Institut.

Den Trend nach unten verdankt der Verkehr derzeit vor allem dem Regelwerk der EU. Denn sie hat sich gesetzlich selbst die Klimaneutralität im Jahr 2050 als Ziel gesetzt. Wichtige Instrumente im Verkehr sind dafür die CO2-Bepreisung, die Treibhausminderungsquote – sie verpflichtet die Mineralölindustrie auf einen bestimmten Anteil erneuerbarer Energien in ihren Kraftstoffen – sowie die Flottenzielwerte mit dem genannten Verbrenner-Aus: Ab 2035 ist nur noch die Neuzulassung von CO2-emissionsfreien Pkw und leichten Nutzfahrzeugen erlaubt. „Durch die EU-Gesetzgebung haben wir ein robustes Gerüst für Klimaschutz im Verkehr“, sagt der Leiter des Bereichs Ressourcen & Mobilität. Und geht sogar noch einen Schritt weiter: „Aus meiner Sicht haben wir den Peak bei den Emissionen des Verkehrssektors hinter uns gelassen. Das liegt auch an einer schnelleren Erneuerung als etwa in der Industrie oder dem Gebäudebereich. Rund alle 15 Jahre tauscht sich der Großteil des Pkw-Bestands aus.“ Damit der Verkehrssektor langfristig auf dem richtigen Weg bleibe, dürfte die Regulierung aber nicht in Frage gestellt werden. „Es geht nicht nur darum, den Klimaschutz ernst zu nehmen. Sondern auch darum, Verlässlichkeit für die Industrie und ihre Investitionen zu schaffen, anstatt mit dem Schlagwort der Technologieoffenheit für Unsicherheit zu sorgen. Und auch für Vertrauen bei Verbraucher*innen in die Elektromobilität ist Beständigkeit hier wichtig. Wer beim Verbrenner bleiben will, reist damit in die Vergangenheit – das zeigt sich auch daran, dass weltweit die Zahl der Elektrofahrzeuge weiterhin deutlich steigt.“ 

Klarer Abwärtstrend

Emissionen nach unten – das ist schon mal ein guter Anfang. Treibhausgasneutralität bis 2045 liegt aber noch nicht in greifbarer Nähe. Wie lässt sie sich erreichen? Oder anders gesagt: die Verkehrswende beschleunigen? Das haben die Wissenschaftler*innen des Bereichs Ressourcen & Mobilität im Projekt „Verkehrssektor auf Kurs bringen“ gemeinsam mit INFRAS für das Umweltbundesamt analysiert. „Eine beschleunigte Transformation braucht die stärkere Elektrifizierung und die Verkehrsverlagerung auf den öffentlichen Verkehr. Dafür wiederum sind unter anderem höhere Investitionen in klimafreundliche Verkehrsträger sowie eine Besteuerung notwendig, die sich stärker an den Emissionen eines Fahrzeugs ausrichtet“, erklärt der Bereichsleiter. Sinnvoll sei mittelfristig auch eine fahrleistungsabhängige Pkw-Maut. Das Projektteam hat zudem die volkswirtschaftlichen Effekte eines entschiedenen Handelns betrachtet. „Die Effekte auf Wertschöpfung und Beschäftigung sind positiv. Darüber hinaus könnten vulnerable Haushalte durch einen Teil der zusätzlichen Einnahmen entlastet werden. Diese sollten zudem stärker als bislang beim Umstieg auf klimafreundliche Mobilität unterstützt werden.“

Mehr investieren

Deutschland muss in einen nachhaltigeren Verkehr investieren. „Das beschlossene Sondervermögen der Bundesregierung ist gut und wichtig, aber es braucht verlässlich zusätzliche Investitionen.“ Wie wichtig diese sind, zeigt auch die Analyse „Klimaneutrales Deutschland“, die das Öko-Institut 2024 gemeinsam mit Prognos, dem Wuppertal Institut und der Universität Kassel für Agora Think Tanks durchgeführt hat. „Das Schöne im Verkehrssektor ist doch: Vieles davon muss man sowieso investieren, die Zusatzkosten für mehr Klimaschutz sind gar nicht so hoch. Mit einem vergleichsweise geringen Mitteleinsatz kann man hier den notwendigen Wandel anreizen“, sagt Peter Kasten. Die Studie unterstreicht dies und zeigt, dass mehr als 85 Prozent der Investitionen, die im Verkehr für den Klimaschutz bis 2045 anstehen, sowieso nötig sind. Und es vor allem darum geht, das Geld in klimaneutrale Lösungen zu lenken. „Dies gelingt etwa durch preisbasierte Instrumente wie eine KfZ-Steuer, die sich stärker als heute an den Emissionen eines Fahrzeugs orientiert. Die Einnahmen daraus könnten unter anderem dazu genutzt werden, gezielt Anreize für Haushalte mit geringem Einkommen für den Umstieg auf elektrische Fahrzeuge zu finanzieren.“ Denn es sei zentral, die Verkehrswende durch solche und weitere Instrumente sozial gerecht zu gestalten und eine Teilhabe für alle zu gewährleisten – so etwa auch durch vergünstigte Tickets für den ÖPNV für vulnerable Haushalte.

Ein schnellerer Ausbau des ÖPNV sowie von sicheren Rad- und Fußwegen sei zudem zentral für die sozial gerechte Verkehrswende. „Auch die Schiene darf nicht vergessen werden – und hier wird es voraussichtlich sehr teuer. Hier zahlen wir aber auch für die Versäumnisse der Vergangenheit“, so der Wissenschaftler vom Öko-Institut. Das Projektteam erwartet, dass zwischen 2025 und 2030 pro Jahr mindestens 4,6 Milliarden Euro zusätzlich zu den Erhaltungskosten notwendig sind, um die Verkehrsleistung der Bahn im Personen- und Güterverkehr deutlich zu erhöhen, in den Folgejahren bis 2045 sogar mindestens 6,3 Milliarden Euro jährlich.

Fuß aufs Gas!

Die Politik sollte sich aus Sicht von Peter Kasten also nicht auf dem EU Green Deal ausruhen. Sondern sich die Frage stellen: Wie können wir die Verkehrswende in Deutschland beschleunigen? Hier gibt es jede Menge Hebel, die bedient werden können. So auch mit Blick auf die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. „Ein wichtiger Schritt ist es, Genehmigungsprozesse für die Ladeinfrastruktur zu erleichtern und zu beschleunigen – vor allem für die elektrischen Lkw ist das zentral.“ Darüber hinaus brauche es eine höhere Preistransparenz bei Ladesäulen. „Wer Benzin zapft, weiß schon, wenn er auf die Tankstelle fährt, was es kostet. Wer elektrisch fährt, muss sich diese Information oftmals mühsam selbst beschaffen und es gibt zahllose nicht miteinander verknüpfte Angebote. Die Nutzung von Elektrofahrzeugen sollte aber zumindest nicht schwerer sein als jene von Verbrennern.“

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Der Schwerpunkt der Arbeit von Peter Kasten liegt auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Verkehr. Der Diplom-Ingenieur für Energie- und Verfahrenstechnik entwickelt Strategien zur CO2-Minderung und berät Politik und Unternehmen. Darüber hinaus leitet Kasten am Öko-Institut den Bereich Ressourcen & Mobilität.

Ansprechpartner am Öko-Institut