Der E-Lkw kommt

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Christiane Weihe
Der Strom kommt auf die Straße, so viel ist inzwischen klar. Auch, wenn es um den Transport von Gütern geht. Zahlreiche Akteur*innen treiben hier die Elektrifizierung voran, auch und vor allem Hersteller und Transportunternehmen. Die Politik hat hierfür ebenfalls bereits wichtige Signale gesetzt, etwa über Flottengrenzwerte für schwere Nutzfahrzeuge oder die nach CO2 differenzierte Lkw-Maut. Gleichzeitig bestehen bei der Durchsetzung dieser Technologie weiterhin Hürden und Herausforderungen – vor allem mit Blick auf die Ladeinfrastruktur. Wie sich diese überwinden lassen, zeigt das Öko-Institut in unterschiedlichen Projekten.
Der elektrische Straßengüterverkehr lohnt sich nicht nur aus Klimagründen. Wer mit Florian Hacker, Senior Researcher am Öko-Institut, spricht, erfährt außerdem: E-Lkw sind für die Fahrer*innen ein enormer Gewinn. „Der Arbeitsplatz unterscheidet sich bei ihnen deutlich von einem Verbrenner, vor allem mit Blick auf die Geräuschkulisse und die Vibration. Ich habe mich mit vielen Fahrer*innen unterhalten, die sagen: Wir merken jetzt erst, wie viel Stress das vorher für den Körper war.“ Gleichzeitig ist ein elektrischer Lkw ein deutlich modernerer Arbeitsplatz. „Das zieht vor allem jüngere Menschen an und ist in einer Branche, die mit einem großen Fahrermangel zu kämpfen hat, ein enormer Wettbewerbsvorteil, der auch im Recruiting aktiv eingesetzt wird.“ Der stellvertretende Leiter des Bereichs Ressourcen & Mobilität betont außerdem: Auch auf langen Strecken funktioniert die Elektromobilität. „Die Fahrzeuge schaffen heute schon eine Strecke von 600 Kilometern. Bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h steht in der Regel eine gesetzlich vorgeschriebene Pause an, bevor das ausgeschöpft ist. Und dann können die Lkw neu geladen werden.“
Die Herausforderungen beim elektrischen Gütertransport liegen auf der Langstrecke vor allem in der Ladeinfrastruktur. „Außerdem gibt es an den Autobahnen bereits heute einen Mangel an Parkplätzen. Daher ist es wichtig, zusätzliche Flächen zu schaffen“, sagt Hacker. Entsprechende Infrastrukturen brauche es aber auch in den Depots, in denen Lkw über Nacht geparkt und – im besten Falle – geladen werden. „Das lässt sich natürlich etablieren und wer seinen Strom dann auch noch über Photovoltaik selbst erzeugt, kann hier viel Geld sparen. Doch man muss erst mal eine Menge Geld in die Hand nehmen, um das aufzubauen – und das ist gerade für kleine Unternehmen oftmals sehr schwierig.“ Eine zusätzliche Hürde ist der notwendige Netzanschluss mit einer ausreichenden Leistung. „Die Ladestationen für Lkw brauchen eine deutlich höhere Leistung als jene für Pkw. Dies zu realisieren kann eine ganze Weile dauern, weil der Prozess deutlich komplexer und aufwändiger ist als bei einem haushaltsüblichen Netzanschluss und bisher lange Vorlaufzeiten hat.“ Wichtig sei es deshalb, den Netzausbau vorausschauend zu planen und Transparenz über verfügbare Netzkapazitäten zu schaffen. „Gleichzeitig sollten die Verfahren für den Netzanschluss dringend beschleunigt und vereinfacht werden.“
Schwer, klein, schnell
In den vergangenen Jahren wurden klimafreundliche Fahrzeuge und die erforderliche Energieversorgungsinfrastruktur bereits vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr gefördert. Das entsprechende Förderprogramm nach der KsNI-Richtlinie hat das Öko-Institut gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung ISI und der aproxima Gesellschaft für Markt- und Sozialforschung evaluiert. „Dabei zeigte sich, dass, auch aufgrund der Förderung, deutlich mehr emissionsarme Lkw zugelassen wurden – die Zahl stieg von rund als 9.600 Fahrzeugen im Jahr 2020 auf über 22.000 Fahrzeuge im Jahr 2023. Die Förderung hat auf jeden Fall zu einer frühen Marktentwicklung von E-Lkw geführt“, so der Wissenschaftler. „Gleichzeitig haben wir gesehen, dass es zukünftig eine zielgerichtetere Förderung braucht, die sich auf schwere Lkw konzentriert, vor allem kleine und mittlere Unternehmen unterstützt sowie den Ausbau der Infrastruktur beschleunigt.“
Der Praxistest
Einen sehr gezielten Einblick in die Realität von Unternehmen konnten die Wissenschaftler*innen des Öko-Instituts im Forschungsvorhaben „ELV-Live – Begleitforschung zum Einsatz batterieelektrischer schwerer Nutzfahrzeuge im logistischen Regelbetrieb“ nehmen. „Bislang wurde nicht überprüft, welche Auswirkungen der Einsatz von elektrischen Lkw in der Praxis hat und wie der Bedarf an Ladeinfrastruktur sich ganz konkret verhält – daher haben wir hier unterschiedliche Einsatzbereiche und Unternehmen sowie die Praxistauglichkeit über mehrere Jahre betrachtet“, erklärt Florian Hacker. „Darüber hinaus haben wir analysiert, wie hoch die Akzeptanz bei Unternehmen, aber auch Kund*innen ist und wie es in Sachen Wirtschaftlichkeit und technische Machbarkeit aussieht.“ Außerdem befragte das Projektteam zahlreiche Hersteller, darunter DAF, Daimler Truck und Volvo Group Trucks zu ihrer Produktstrategie.
Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderte Projekt zeigt: Alle Hersteller erwarten im zukünftigen Straßengüterverkehr eine Dominanz des batterieelektrischen Lkw. Und auch darüber hinaus gibt es in der Branche viel Einigkeit, etwa mit Blick auf die Herausforderungen „Diese liegen vor allem in verlässlichen, langfristigen Rahmenbedingungen sowie bei der Infrastruktur“, so der Senior Researcher vom Öko-Institut. Darüber hinaus zeige sich auch hier, dass insbesondere kleine Transportunternehmen durch die Transformation stark unter Druck geraten und Unterstützung und Beratung brauchen. „Wir haben außerdem gelernt, dass große Logistiker bereits über Kooperationsmodelle nachdenken, bei denen Subunternehmen ihre Infrastruktur nutzen können.“
Mit dem Laden von E-Lkw in Logistikdepots hat sich darüber hinaus die Analyse „Truck depot charging“ befasst, die das Öko-Institut gemeinsam mit dem Fraunhofer ISI für die Umweltorganisation Transport & Environment durchgeführt hat. Denn das Depotladen ist zentral für die Durchsetzung des elektrischen Transports. 40 bis 50 Prozent der schweren Lkw fahren täglich weniger als 300 Kilometer und können nachts problemlos in einem Depot aufgeladen werden. „Es gibt aber bislang viel zu wenig Wissen über die Depots, über Netzanschlüsse und Platzverhältnisse und damit über die vorhandenen Potenziale. Das muss sich dringend ändern“, sagt Florian Hacker. Die Wissenschaftler*innen werfen in der Analyse einen Blick auf elektrische Lkw in Deutschland, Frankreich, Spanien sowie Großbritannien und sagen: Das Problem der Netzanschlüsse ist kein rein deutsches. Hier fehlen aber darüber hinaus verlässliche öffentliche Informationen zur Netzkapazität. Die Analyse verdeutlicht ebenfalls die schwierige Situation von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die mit einem Anteil von 70 bis 80 Prozent die Transportbranche dominieren. „Sie können aber viel schlechter Investitionsrisiken abfedern als große Logistikunternehmen, denn die Margen sind gering, die Vertragssituationen unsicher und oftmals fehlt der Zugang zu Depots.“ Daher empfiehlt das Projektteam, Förderprogramme mit einfachen Antragsverfahren zu etablieren und praxisnahe Informationsangebote zu schaffen, die sich gezielt an KMU richten. „Wenn wir sie nicht unterstützen, werden sie schon in wenigen Jahren nicht mehr wettbewerbsfähig sein.“
Die Hauptstadt-Depots
Wie wertvoll das Laden in Depots ist, zeigt sich auch an einem ganz konkreten Beispiel: dem Land Berlin. „Die Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH ist mit der Frage auf uns zugekommen, was der Umstieg auf elektrischen Güterverkehr für die Infrastruktur bedeutet. Wieviel und wo sie gebraucht wird. Und was Berlin ganz konkret tun kann beim Aufbau geeigneter Lademöglichkeiten.“ Das Projektteam, zu dem auch das Reiner Lemoine Institut gehört, erwartet bis 2030 in Berlin und Umland etwa 3.300 und bis 2045 zwischen 20.000 und 26.000 batterieelektrische Lkw und für diese bis 2045 einen Strombedarf von 395 bis 430 Gigawattstunden jährlich. „Wir gehen davon aus, dass ein Großteil des Ladebedarfs außerhalb Berlins gedeckt werden wird. Darüber hinaus braucht es jedoch öffentlich zugängliche Ladehubs“, so der Experte aus dem Bereich Ressourcen & Mobilität. Wie der Aufbau der Ladeinfrastruktur gelingen kann, zeigt die Analyse im Rahmen des Projektes „E-Nutzfahrzeug-Studie für das Land Berlin“ durch 23 konkrete, unterstützende Maßnahmen. „Auch hier sind Lademöglichkeiten in Depots das Mittel der Wahl – sie und der Netzanschluss für KMU sollten weiterhin finanziell gefördert werden. Manche Transportunternehmen sind jedoch auf öffentlich zugängliche Ladestandorte angewiesen. Diese auch im städtischen Bereich bereitzustellen, ist eine Herausforderung.“ Sinnvoll sei es zudem unter anderem, die Kooperation von Unternehmen zu fördern, Informationsangebote zur Ladeinfrastruktur um schwere Nutzfahrzeuge zu erweitern und die Zusammenarbeit mit dem Land Brandenburg zu intensivieren. Datengrundlagen und Forschung zur Nutzung der Ladeinfrastruktur sollten ausgebaut werden. Nur auf dieser Basis kann so geplant werden, dass weder die Entwicklung der Elektromobilität gebremst noch eine unwirtschaftliche Überversorgung aufgebaut wird.
Stabil weiter geradeaus
Neben der Infrastruktur und einer Unterstützung von KMU sind für Florian Hacker die politischen Rahmenbedingungen ein wesentlicher Faktor für den Ausbau des elektrischen Güterverkehrs. „In unseren Gesprächen mit den Herstellern haben wir immer wieder gehört: Die strengen CO2-Emissionsstandards der EU waren der Auslöser für den Technologiewandel. Die Regulierung hat sehr stark gewirkt, nun braucht es langfristige und verlässliche Rahmenbedingungen.“ Der Wandel könne zudem sehr schnell passieren. „Fahrzeuge, die viel fahren, werden in der Regel nach vier Jahren ausgetauscht, dann haben sie eine halbe Million Kilometer hinter sich.“ Vom Umstieg auf elektrische Lkw profitieren zudem viele. Unternehmen, die schon jetzt in den emissionsfreien Transport investieren, das Klima und nicht zuletzt: die Fahrer*innen, die jeden Tag dafür sorgen, dass Güter dort ankommen, wo sie gebraucht werden.
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Florian Hacker befasst sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit nachhaltiger Mobilität. Sein Schwerpunkt liegt dabei unter anderem auf alternativen Antriebskonzepten und Kraftstoffen sowie der Elektrifizierung von Pkw und schweren Nutzfahrzeugen. Darüber hinaus leitet der Diplom-Geoökologe stellvertretend den Bereich Ressourcen & Mobilität.
Ansprechpartner am Öko-Institut
Weitere Informationen
Schwerpunkt: Klimaschutzpolitik im Verkehr
Schwerpunkt: Nachhaltigkeitsziele und -bewertung (Mobilität)
Pressemitteilung: Klimaschutz im Straßengüterverkehr: Förderung zeigt deutliche Wirkung
Meldung: Depotladen von E-Lkw braucht bessere Rahmenbedingungen
Projektseite: eNutzfahrzeug-Studie für das Land Berlin
eco@work, Ausgabe März 2022: Ein leiser Klimabaustein. Die Zukunft der Elektromobilität