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Editorial

Integrieren statt ausbremsen

Das Vorwort von Anke Herold, Sprecherin der Geschäftsführung des Öko-Institut e.V.

Trotz des globalen Booms der erneuerbaren Energien hört man in Deutschland plötzlich wieder viele Bedenken: Zu volatil, unzuverlässig, alles zu teuer und zu kompliziert sowieso. Doch allen Skeptiker*innen zum Trotz produzieren erneuerbare Energien heute den Großteil unseres Stroms. Klimafreundlich. Kostengünstig. Wettbewerbsfähig. Und damit: zukunftsfähig. Und sie können noch viel mehr, aber nur, wenn die Entscheider*innen die richtigen Rahmenbedingungen setzen und ihre rasante Entwicklung nicht ausbremsen. Und wenn diese zuverlässige und langfristige Investitionen in den Kapazitätsausbau sowie in die notwendigen Infrastrukturen wie Netze und Speicher lenken.

Im September 2025 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie einen Monitoringbericht zur Energiewende und einen 10-Punkte-Plan vorgelegt, die dazu führen könnten, dass ein Teil des enormen Potenzials der Erneuerbaren ungenutzt bleibt. Sie gehen von einem geringeren Strombedarf als bisherige Prognosen aus und planen Einschnitte bei der Förderung von Solaranlagen und bei Offshore-Wind. Aus meiner Sicht ist das der falsche Weg. Der Strombedarf wird sich deutlich erhöhen, wenn die Bundesregierung die Klimaziele umsetzt – denn dafür brauchen wir eine Elektrifizierung von Autos und Heizungen.

Statt das Potenzial der erneuerbaren Energien zu verschenken und ihre Produktion zu drosseln, sollte alles getan werden, um sie effizient in das Stromnetz zu integrieren. Das heißt auch: in Speicher zu investieren. Und endlich konsequent den Ausbau der Smart Grids, also intelligenter Stromnetze, anzugehen und flächendeckend Smart Meter in die Haushalte und Gewerbebetriebe zu bringen. Diese können einen wichtigen Beitrag zum Ausgleich von Stromproduktion und -nachfrage leisten, indem sie in Kombination mit dynamischen Stromtarifen Verbraucher*innen für sogenanntes „netzdienliches Verhalten“ belohnen, das heißt, wenn diese die Waschmaschine anstellen oder das Elektroauto laden, wenn viel Strom verfügbar ist. 

Die Bereitschaft der Verbraucher*innen ist vorhanden, wird aber bisher viel zu wenig genutzt. Meine Freund*innen in Helsinki profitieren schon seit Jahren vom bidirektionalen Laden ihres Elektroautos: Strom aus den Akkus des E-Autos wird in das öffentliche Stromnetz zurück gespeist, wenn er dort knapp ist, und die Besitzer*innen werden dafür entlohnt. Die finnische Regierung hat die Hürden hierfür schon lange abgebaut, auch in Frankreich ist das inzwischen möglich. Und immer mehr Elektrofahrzeuge sind dafür ausgerüstet.  Wenn bidirektionales Laden auch deutschen Haushalten ermöglicht wird, finden erneuerbare Energien viel leichter einen noch größeren Platz in unserem Stromsystem. Denn wie gesagt: Sie können viel mehr als gedacht. Wenn man sie denn lässt.

Ihre

Anke Herold
a.herold@oeko.de