Spenden
Im Fokus

„Das größte Hemmnis liegt nicht im Verfahrensrecht“

Interview mit Maria Deutinger (Stiftung Umweltenergierecht)
Maria Deutinger (Stiftung Umweltenergierecht)

Christiane Weihe

Das Recht steuert. Auch die erneuerbaren Energien. Denn die gesetzlichen Regelungen sind mitentscheidend dafür, wie schnell sie ausgebaut werden. Die novellierte EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie ebenso wie das Planungs- und Genehmigungsrechtrecht auf Bundes- und Länderebene. Wir haben mit Maria Deutinger über den rechtlichen Rahmen für den Ausbau der Erneuerbaren gesprochen, über Hemmnisse ebenso wie über Möglichkeiten der Beschleunigung. Die Expertin für genehmigungsrechtliche Fragen von der Stiftung Umweltenergierecht spricht auch über oft übersehene Beschleunigungspotenziale im materiellen Recht.

Frau Deutinger, welche gesetzlichen Regelungen haben die Erneuerbaren vor allem vorangebracht?

Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind vielfältig und komplex. Es gibt Regelungen auf allen Ebenen – von der EU bis zu den Kommunen. Ein zentrales Instrument ist die europäische Erneuerbare-Energien-Richtlinie, kurz RED. Diese wurde 2023 umfassend novelliert, um den Ausbau weiter zu beschleunigen. Laut der RED III soll der Anteil der Erneuerbaren am Endenergieverbrauch nun bis 2030 bei mindestens 42,5 Prozent liegen, angestrebt werden 45 Prozent.

Welche Rolle hat die EU-Notfall-Verordnung gespielt, die Ende Juni 2025 ausgelaufen ist?

Eine sehr wichtige. Sie war eine Reaktion auf den Ukraine-Krieg und sollte mit Blick auf die Energieversorgungssicherheit den Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich beschleunigen. Hierfür gab es zahlreiche Instrumente, die Genehmigungsverfahren deutlich erleichtert haben, etwa das Entfallen von Prüfpflichten oder die Modifizierung der Artenschutzprüfung. So war es nicht mehr möglich, die Genehmigung einer Windkraftanlage aus Artenschutzgründen zu versagen. Das liegt auch daran, dass man sagt: Der Ausbau der Erneuerbaren dient dem Klimaschutz und damit langfristig auch dem Schutz der Umwelt. Das hat insbesondere in Deutschland stark zur Beschleunigung beigetragen.

Die RED III soll diese Erleichterungen verstetigen, geplant war ein nahtloser Übergang. Die RED III wurde von den meisten Mitgliedsstaaten aber noch nicht vollständig in nationales Recht umgesetzt. Daher laufen gegen 26 von ihnen Vertragsverletzungsverfahren.

Warum ist die RED III in Deutschland noch nicht umgesetzt?

Wir waren auf einem guten Weg, aber nach dem vorzeitigen Aus der Ampel-Regierung griff der Grundsatz der Diskontinuität. Das heißt: Alle Gesetzesvorhaben, die noch nicht vom Bundestag verabschiedet waren, mussten neu auf den Weg gebracht werden. Hier tut sich gerade einiges. Die Regelungen zur Windenergie an Land sind sogar schon im August 2025 in Kraft getreten – in fast unveränderter Form zu dem, was die Ampel erarbeitet hatte.

Werden die Erneuerbaren durch die Verzögerungen bei der Umsetzung der RED III ausgebremst?

Aus meiner Sicht wird das keine so schwerwiegende Rolle spielen, wie zunächst befürchtet. Denn die Erleichterungen aus der Notfall-Verordnung gelten für alle Anlagen, die bis Ende Juni 2025 beantragt wurden. Da viele um diese Regulierungslücke wussten, haben alle, denen das möglich war, den Antrag vorher noch gestellt. Und die Umsetzung der RED III kam beziehungsweise kommt nun doch schneller als erwartet. Das größte Hemmnis liegt aus meiner Sicht woanders.

Wo genau?

Es gibt zahlreiche Regelungen, die den Bau von Erneuerbare-Energien-Anlagen erschweren können. So etwa mit Blick auf das Artenschutz-, das Luftverkehrs- oder das Denkmalschutzrecht. Hier gibt es große Beschleunigungspotenziale, weil viele Anforderungen in den Gesetzen bislang sehr unbestimmt geregelt sind. Zum Beispiel beim Luftverkehr: Die Rechtslage sieht vor, dass es hier keine Gefahren für die Sicherheit geben darf. Aber es ist nicht genauer definiert, wann diese Gefahrenschwelle überschritten ist. Solche fehlenden gesetzlichen Konkretisierungen machen es den Behörden und Antragstellenden schwer, das Recht anzuwenden. Unsicherheiten können dazu führen, dass tendenziell eher strengere Maßstäbe zugrunde gelegt werden, um die Entscheidung abzusichern. Das macht die Verfahren unnötig komplex und verzögert sie.

Wie könnte das verhindert werden?

Der Gesetzgeber muss konkretisieren, was die Behörden genau zu prüfen haben. Daran wird bereits gearbeitet. So gibt es inzwischen im Artenschutzrecht eine Regelung für das Tötungs- und Verletzungsrisiko von kollisionsgefährdeten Brutvogelarten an Windenergieanlagen, die sehr zur Standardisierung beigetragen hat. Aber das betrifft eben nur einen kleinen Ausschnitt des Artenschutzrechts. Hier gibt es noch viel zu tun und gleichzeitig sehr viel Potenzial.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Christiane Weihe.

---

Im Interview mit eco@work: Maria Deutinger, Juristin bei der Stiftung Umweltenergierecht

Weitere Informationen

Maria Deutinger
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Stiftung Umweltenergierecht

Friedrich-Ebert-Ring 9
97072 Würzburg 

E-Mail: deutinger@stiftung-umweltenergierecht.de 
Web:   https://stiftung-umweltenergierecht.de/mitarbeiter/ass-iur-maria-deutinger/   

Zur Person

Die Volljuristin Maria Deutinger ist seit 2023 für die Stiftung Umweltenergierecht tätig. Hier befasst sie sich vor allem mit genehmigungsrechtlichen Fragen beim Ausbau von erneuerbaren Energien sowie der Frage, wie Hemmnisse bei der Genehmigung von Windenergieanlagen abgebaut werden können. Ein Fokus liegt dabei unter anderem auf der novellierten Erneuerbare-Energien-Richtlinie.

Vor ihrer Arbeit für die Stiftung Umweltenergierecht war die Juristin unter anderem für das Landratsamt Freising (Abteilung Bauen und Umwelt) sowie für Rechtsanwaltskanzleien mit den Schwerpunkten Bau- und Planungsrecht, Bodenrecht sowie Umweltrecht tätig.