Spenden

Wie sinnvoll ist eine Verpackungssteuer?

In der Rubrik „Pro & Contra“ des Leibniz Magazins diskutieren Dr. Michael Rothgang vom RWI und Dr. Johannes Klinge vom Öko-Institut darüber, wie sinnvoll eine Verpackungssteuer ist.

 

Pro: Ist eine Verbrauchssteuer auf Verpackungen wirklich effektiv? (Dr. Johannes Klinge)

Wir müssen weg von der Wegwerfgesellschaft. Ein Umdenken im Konsumverhalten ist unvermeidlich, unsere Ressourcen sind begrenzt. Dafür ist es wichtig, dass die Politik die Weichen stellt, um Verbraucher*innen dabei zu unterstützen. Mit der Mehrwegangebotspflicht sind Gaststätten verpflichtet, Essen „to-go“ in Mehrweggeschirr anzubieten. Das geht bereits in die richtige Richtung, aber die Umsetzung hakt. Die Regelung betrifft auch nur einen sehr kleinen Anteil der Verpackungen. In vielen Bereichen sind Mehrwegbehältnisse nicht verfügbar oder deutlich teurer.

Für die grüne Wende zu mehr Recycling und weniger Ressourcenverbrauch fehlt das Geld. Eine allgemeine Besteuerung von (Einweg-)Verpackungen kann hier Abhilfe schaffen.

Allein in Deutschland sprechen wir von einem Verbrauch von 17,9 Millionen Tonnen Verpackungen im Jahr 2023, also mehr als 214 Kilogramm pro Kopf. Diese werden anschließend zum großen Teil einem Recycling zugeführt. Verpackungen sind sehr wichtig, um Produkte und Lebensmittel zu schützen, aber es gibt noch großes Einsparpotenzial. Dies kann jeder Mensch selbst bei einem Supermarktbesuch beobachten: Muss ein Plastikbeutel für Müsli extra von einem Karton umgeben sein, nur um umweltfreundlicher zu wirken? 

Auf nationaler und internationaler Ebene gibt es bereits Gesetze, die den Einsatz von Verpackungen verringern sollen. In Deutschland ist dies das Verpackungsgesetz (VerpackG), auf europäischer Ebene die Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle (Packaging and Packaging Waste Regulation, PPWR). Gerade mit der PPWR soll in den nächsten Jahren das Recycling von Verpackungen in der EU gestärkt werden. Geplant sind beispielsweise Quoten für den Einsatz von recyceltem Material und Verpflichtungen zur Recyclingfähigkeit von Verpackungen.

Zu kurz kommen bisher allerdings die Vermeidung von Verpackungen durch Mehrwegpflichten, Verbote von besonders umweltschädlichen oder unnötigen Verpackungen, beziehungsweise die finanzielle Förderung von Verpackungsvermeidung durch ökonomische Instrumente.

 

 

Eine Verbrauchssteuer auf Verpackungen führt klar in Richtung Vermeidung.
Dr. Johannes Klinge (geb. Betz)
Senior Researcher, Bereich Ressourcen & Mobilität

In Deutschland sollte eine solche Steuer greifen, wenn Verpackungen erstmals an private Endverbraucher*innen verkauft werden. Die Höhe sollte nicht nur vom Materialgewicht, sondern auch vom ökologischen Fußabdruck abhängen. Für recyclingfähige Verpackungen könnte es Steuervorteile geben. Dadurch wird zum Beispiel vermieden, dass die Industrie Verbundverpackungen produziert, die zwar leichter, aber nicht recyclingfähig sind. Die Inverkehrbringer können die Steuer an die privaten Endkund*innen weiterreichen. Dadurch verteuern sich Produkte mit ökologisch unvorteilhaften Verpackungen. Gerade Einwegverpackungen aus Glas oder Aluminium haben eine sehr schlechte Ökobilanz und Produkte in solchen Verpackungen könnten für Verbraucher*innen und Unternehmen unattraktiver als Mehrwegverpackungen oder recycelbare Kunststoffverpackungen werden. Dadurch, dass Mehrwegverpackungen nur beim ersten Inverkehrbringen besteuert werden, sind sie bei hohen Umlaufzahlen besonders wirtschaftlich, was für die ökologische Vorteilhaftigkeit von Mehrwegverpackungen entscheidend ist.

Seit ein paar Jahren gibt es in der EU die sogenannte Plastiksteuer auf nicht-recycelten Verpackungsabfall aus Kunststoff: Länder, die weniger recyclen, zahlen mehr. Den Bundeshaushalt belastet die Plastiksteuer mit jährlich rund 1,2 Milliarden Euro. Zusätzlich wird u.a. vom BNW - Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. gefordert, recyceltes Kunststoff­material finanziell zu fördern. Dies ist angesichts der Haushaltslage illusorisch. Eine Verpackungssteuer allerdings könnte die Plastikabgabe gegenfinanzieren und das Kunststoffrecycling zusätzlich direkt oder indirekt unterstützen.

Bei all dem gilt: Das Verpackungsproblem kann mit diesem Instrument nur gelöst werden, wenn die Verbraucher*innen mitmachen.

Wie effizient eine Verpackungssteuer ist, hängt von ihrer Höhe ab: Je höher die Steuer, desto größer die Preisunterschiede zwischen den Endprodukten und desto stärker ihre Wirkung auf die Kaufentscheidung der Kund*innen. Flankierende Maßnahmen sind an dieser Stelle allerdings sehr wichtig. Die Verbraucher*innen sollten frühzeitig über Zweck und Ziel der Steuer informiert werden. Sie dürfen nicht den Eindruck bekommen, dass sie mit höheren Kosten bestraft werden.

Gerade in preissensitiven Bereichen, wie etwa im Niedrigpreissegment beim Discounter, wird es den Inverkehrbringern schwerfallen, die Steuer an die Endkund*innen weiterzugeben, da dies einen Wettbewerbsnachteil darstellten kann. In diesen Produktkategorien erhöhen sich also zunächst ihre eigenen Kosten, weshalb sie versuchen werden, die Verpackungsmengen zu reduzieren oder das Material zu ändern. Dies kommt wiederum Personen mit niedrigem Einkommen zugute. In jedem Fall muss bei der Einführung einer Verpackungssteuer mit sozialen Ausgleichsmaßnahmen gegengesteuert werden, etwa mit einer Mehrwertsteuerreduktion oder gar ‑befreiung auf pflanzliche Lebensmittel. Sonst kann diese ökologisch sinnvolle Maßnahme dazu führen, dass Menschen mit niedrigem Einkommen prozentual am stärksten belastet werden.

Mein Fazit: Wir sollten uns auf die Vermeidung von Verpackungen konzentrieren, zum Beispiel durch Mehrweg mit hohen Umlaufzahlen, bevor wir die Verbesserung der Recyclingquoten angehen. Denn je weniger Ressourcen verwendet werden, umso besser. Das Recycling ist erst dann eine Lösung, wenn wir im Sinne der Kreislaufführung denken. Eine Verbrauchsteuer auf Verpackungen hat eine so klare Lenkungswirkung in Richtung Vermeidung wie nur wenige andere ökonomische Maßnahmen. Sie muss allerdings klug gestaltet und von sozialen Gegenmaßnahmen begleitet sein, damit sie ihre Ziele erreicht. Neben der Förderung der Recyclingfähigkeit könnte der Gesetzgeber in Zukunft über eine Senkung der Verpackungssteuer für recyceltes Material nachdenken, um das Recycling weiter zu stärken. Eine derartige Steuer auf Ressourcen schafft finanzielle Freiräume für Investitionen in die grüne Wende und entlastet Bürger*innen an anderer Stelle.

Contra: Ist eine Verbrauchssteuer auf Verpackungen wirklich effektiv? (Dr. Michael Rothgang)

Derzeit wird auf kommunaler sowie bundespolitischer Ebene über die Einführung einer Steuer auf Verpackungen diskutiert. Ziel ist es, durch finanzielle Anreize die Menge an Verpackungsmaterialien zu reduzieren. So hat etwa die Stadt Tübingen eine Steuer auf bestimmte Einwegverpackungen wie Besteck oder Einmalgeschirr erlassen, während auf Bundesebene eine Verpackungssteuer auch außerhalb des Gastgewerbes diskutiert wird.

Es ist jedoch aus mehreren Gründen zu bezweifeln, dass dieses Instrument im Hinblick auf Umwelt- und Klimaschutz wirklich effektiv ist.

Verpackungen haben eine wichtige Funktion: Sie schützen das, was sich darin befindet und stellen seine Haltbarkeit sicher. Bestes Beispiel ist das Aluminium, das Nüsse und Chips als Dose oder Tüte umgibt. Es schützt die Produkte vor Feuchtigkeit und Wärme und macht sie so länger haltbar. Würde man andere Verpackungen verwenden, müssten die Produkte schneller aus dem Verkauf genommen werden, weil das Haltbarkeitsdatum abläuft. Weil Verpackungen häufig wichtige Funktionen für das Produkt besitzen, ist das Einsparpotenzial bei der Verpackungsmenge also deutlich geringer als man annehmen könnte.

Ähnlich verhält es sich bei Einmalgeschirr und -besteck. Das Ziel einer Steuer in diesem Bereich ist, die Menge an Einmalverpackungen zugunsten von wiederverwendbaren Alternativen zu reduzieren. Einmalgeschirr und -besteck machen aber nur einen sehr kleinen Anteil an der gesamten Verpackungsmenge aus, sodass sich eine entsprechende Steuer kaum in der gesamten Abfallmenge bemerkbar machen würde.

Auch bei sonstigen Verpackungen ist das Einsparpotenzial überschaubar. Eine Studie der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung kommt zu dem Ergebnis, dass man maximal 30 Prozent der Verpackungsmenge reduzieren kann – unter der ambitionierten Annahme, dass in einigen Fällen leichte Einschränkungen für Verbraucher hingenommen oder höhere Kosten akzeptiert werden. Das hört sich zunächst gut an. Aber: Sogar hohe Verpackungssteuern werden die Verpackungsmenge aller Voraussicht nach deutlich weniger reduzieren, als man in Hinblick auf dieses Potenzial denken würde. Warum ist das so?

Nur ein hoher Steuersatz würde die Verbraucher*innen zu einem Umdenken bewegen.
Dr. Michael Rothgang
Wissenschaftler im Kompetenzbereich „Umwelt und Ressourcen“ des RWI

Zunächst einmal zeigen internationale Studien, dass Unternehmen Verpackungssteuern – wie andere auf eine Lenkung des Verhaltens abzielende Steuern – zum Großteil an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergeben. Da die Verpackungskosten aber nur einen relativ kleinen Teil der Produktkosten ausmachen, erhöht sich der Preis des Endprodukts selbst bei einem hohen Steuersatz kaum. Die Konsumentinnen und Konsumenten werden diese Preiserhöhung in der Regel gar nicht merken und entsprechend auch ihr Verhalten nicht ändern, also beispielsweise nicht deutlich mehr Unverpackt-Produkte kaufen.

Auch der ökologische Nutzen der Steuer ist fraglich. Zwar wird sie nur einmal erhoben, wodurch Mehrwegverpackungen günstiger werden. Jedoch ist das deutsche Mehrwegsystem beispielsweise bei Getränkeverpackungen zum Teil sehr ineffizient, weil es zu viele verschiedene Verpackungen gibt. Häufig können diese nur von bestimmten Produzenten wiederverwendet werden und müssen deshalb über weite Strecken zum Abfüllort transportiert werden. Auch ökologisch lohnen sich Mehrwegverpackungen daher nur bei einer hohen Zahl von Mehrwegkreisläufen je Verpackung.

Aus Sicht der Hersteller haben Verpackungen noch eine weitere wichtige Funktion: Ihr Design transportiert Botschaften, die maßgeblich über den Erfolg des Produkts entscheiden. Es dürfte für die Hersteller im Zweifelsfall wichtiger sein, welche Message die Verpackung vermittelt, als dass sie durch eine Steuer etwas teurer geworden ist.

Theoretisch könnte man erreichen, dass die Produzenten umweltschädlichere durch weniger umweltschädliche Verpackungen ersetzen, indem man die Steuer je nach Umweltschädlichkeit des Materials differenziert (also zum Beispiel recycelbare Verbundverpackungen niedriger besteuert als Einwegglas). Aber auch hier dürfte eine Verpackungsteuer nur in sehr geringem Umfang wirken. Zum einen ist die Anzahl der Produkte begrenzt, die wirklich in unterschiedlichen Verpackungen angeboten werden können. Außerdem wären europäische Regelungen nötig, denn große Hersteller bieten ihre Produkte in mehreren europäischen Ländern an. Es ist unwahrscheinlich, dass sie ihre Verpackungen wegen nationaler Gesetze anpassen.

Mein Fazit: Die genannten Aspekte zeigen, dass der Effekt durch eine Verpackungsteuer vermutlich deutlich kleiner ist, als man zunächst annehmen würde. Die Hersteller würden die Steuer großteils an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergeben. Sie wird deshalb aller Voraussicht nach sozial ungleich wirken. Denn anders als Konsumgüter müssen Lebensmittel häufig und von jedem gekauft werden. Weil bei fast jedem Einkauf Verpackungen anfallen, würden Haushalte mit niedrigem Einkommen steuerlich besonders stark belastet werden. Würde die Steuer nach Gewicht berechnet, bestünde darüber hinaus die Gefahr, dass die Hersteller vermehrt leichtere Verbundverpackungen aus mehreren Materialien einsetzen würden, die häufig schwer zu recyceln sind.

Daher halte ich eine Verpackungsteuer nur als ergänzende Maßnahme für sinnvoll. Andere wichtige Ansatzpunkte sind, Mehrwegsysteme effizienter zu machen und Konsumentinnen und Konsumenten besser zu informieren. Dabei ist zu beachten, dass eine solche Steuer die Verpackungsmenge nur bei einem hohen Steuersatz nennenswert reduzieren wird.

***

Der Beitrag erschien zuerst im Leibniz-Magazin N° 27, das am 02. Juni 2025 erschien, mit dem Themenschwerpunkt „Müll“.

Dr. Johannes Klinge (geb. Betz) forscht zur zirkulären Wirtschaft, unter anderem für Kunststoffe und Verpackungen. Er ist Senior Researcher im Bereich „Ressourcen & Mobilität“ am Standort Darmstadt. Dr. Michael Rothgang forscht im Kompetenzbereich „Umwelt und Ressourcen“ des RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen unter anderem zu ökonomischen Aspekten der Kreislaufwirtschaft.

Weitere Informationen

Artikel „Pro: Ist eine Verbrauchssteuer auf Verpackungen wirklich effektiv?“

Artikel „Contra: Ist eine Verbrauchssteuer auf Verpackungen wirklich effektiv?“

Zwischenbericht „Untersuchung ökonomischer Instrumente auf Basis des EU-Eigenmittels für nicht recycelte Kunststoffverpackungsabfälle“

Porträt Dr. Michael Rothgang ©RWI / SVEN LORENZ

Keine Kommentare

Neuer Kommentar

* Pflichtfelder