Wie ein kleines Dorf Spaniens lokale Energiewende vorantreibt
© Sibylle Braungardt
Hoch oben auf der Hochebene von Burgos, umgeben von Weizenfeldern und langen, leeren Straßen, liegt das Dorf Guzmán mit weniger als hundert Einwohner*innen. Es ist eine ländliche Gegend, wo die Infrastruktur abnimmt, junge Menschen wegziehen und die Zukunft ungewiss erscheint. Und doch hat diese winzige Gemeinde etwas erreicht, womit viele größere Städte noch zu kämpfen haben: Sie hat eine der fortschrittlichsten ländlichen Energiegemeinschaften Spaniens geschaffen.
Wir haben gerade ein neues Buchkapitel veröffentlicht, das die Entwicklung von Guzman Renovable dokumentiert. Darin beschreiben wir, wie die Einwohner*innen ihr lokales Energiesystem umgestaltet haben und dabei zu Pionier*innen bei der Umstellung des Landes auf dezentrale erneuerbare Energieerzeugung geworden sind. Die Geschichte beweist, dass Innovation nicht unbedingt von Institutionen oder Städten ausgehen muss. Sie kann auch auf den Dächern eines Dorfes beginnen.
Von einer lokalen Idee zu einer gemeinsamen Vision
Der Grundstein für das Projekt wurde während der COVID-19-Pandemie gelegt, als die Einwohner*innen gemeinsam daran arbeiteten, die Energieeffizienz der kommunalen Gebäude zu verbessern. Ein erfolgreiches Projekt im Gemeindegebäude überzeugte sie davon, dass auch ehrgeizigere Schritte möglich waren. Anfang 2022 gründeten sie Guzman Renovable als gemeinnützigen Verein mit der Absicht, vor Ort erneuerbaren Strom zu produzieren und dessen Vorteile fair zu teilen. Die Initiative entstand in der Gemeinde und wurde durch die Zusammenarbeit mit der Universität des Baskenlandes, der Genossenschaft Energetica Coop und dem Gemeinderat unterstützt.
Wie kollektiver Eigenverbrauch in Guzmán funktioniert
Das Herzstück des Projekts ist eine 30 kWp große gemeinsame Photovoltaikanlage, die auf einem kommunalen Dach installiert ist. Anstatt dass jeder Haushalt seine eigenen Solarmodule installiert, was kostspielig, ungleichmäßig und räumlich begrenzt wäre, entschied sich die Gemeinde für das spanische Modell des kollektiven Eigenverbrauchs.
Das bedeutet, dass eine einzige Anlage Strom erzeugt, der anhand vordefinierter Verteilungskoeffizienten auf die teilnehmenden Haushalte aufgeteilt wird. Diese „Verteilungsschlüssel” legen fest, wie viel der erzeugten Energie jedes Mitglied erhält. In Guzmán wurden sie anhand der stündlichen Verbrauchsdaten jedes Haushalts aus zwei Jahren berechnet, um sicherzustellen, dass die Verteilung den tatsächlichen Energieverbrauch so genau wie möglich widerspiegelt. Das System priorisiert die Maximierung des lokalen Eigenverbrauchs, reduziert Überschüsse im Netz und hilft den Haushalten, direkt von der während der Tageslichtspitzenstunden erzeugten Solarenergie zu profitieren.
Dieser gemeinsame Ansatz ermöglicht es vierzehn Haushalten, zwei kleinen Unternehmen und dem Rathaus, sich an dem Projekt zu beteiligen. Vorhandene Flächen werden optimal genutzt, die Investitionskosten für Einzelne sind reduziert und Zusammenarbeit statt Wettbewerb steht im Vordergrund. Der Erfolg hat bereits zur Entwicklung einer zweiten gemeinsamen Anlage für zehn weitere Haushalte geführt.
Ein schwieriger Weg zum Anschluss
Während das technische Konzept von Anfang an klar war, gestaltete sich der rechtliche Teil weitaus komplizierter. Die Genehmigung für den Netzanschluss erwies sich als das größte Hindernis. Die Energiegemeinschaft musste mehr als ein Jahr warten, bis das Versorgungsunternehmen den Anschlussantrag bearbeitet hatte, obwohl die Photovoltaik-Module bereits auf dem Dach installiert waren. Langwierige Verfahren, unklare Zuständigkeiten und das Fehlen maßgeschneiderter Prozesse für kleine Energiegemeinschaften führten zu der Verzögerung.
Ein Modell für ländliche Innovation
Trotz dieser Hürden ist Guzman Renovable nun voll funktionsfähig und wurde bereits für seinen Beitrag zur Nachhaltigkeit im ländlichen Raum mit dem Fuentes Claras Award ausgezeichnet. Das Projekt zeigt, dass kleine Dörfer Innovationslabore sein können, die in der Lage sind, faire Mechanismen für die gemeinsame Nutzung von Energie zu entwickeln, die lokale Bevölkerung zu mobilisieren und eine langfristige Infrastruktur für erneuerbare Energien aufzubauen.
Die Lehren aus Guzmán sind klar. Ländliche Gemeinden können eine Schlüsselrolle bei der Energiewende in Spanien spielen, aber sie brauchen einen unterstützenden Rahmen: schnelleren Netzzugang, einfachere Genehmigungsverfahren und einheitliche regulatorische Vorgaben. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, könnten viele weitere Dörfer dem Beispiel von Guzmán folgen.
Die frühzeitige Einführung des kollektiven Eigenverbrauchs in Spanien ist ein wertvolles Beispiel für andere Länder: Mit den richtigen Rahmenbedingungen können auch kleine Dörfer erfolgreich gemeinsame Systeme für erneuerbare Energien entwickeln.
Dr. Sibylle Braungardt aus dem Bereich Energie & Klimaschutz des Öko-Instituts in Freiburg beschäftigt sich in ihrer wissenschaftlichen Arbeit mit der Wärmewende.