WärmeGuide - ein Tool zur Wärmeplanung
Online-Tool, das Kommunen bei der Wärmeplanung unterstützt
Für wen ist der WärmeGuide gemacht?
Johannes Hofmann: Der WärmeGuide ist für alle Kommunen in Deutschland gedacht. Jede einzelne der 11.000 Städte und Gemeinden in Deutschland, von Aach in Rheinland-Pfalz bis Zwickau in Sachsen, findet darin maßgeschneiderte Schritt-für-Schritt-Anleitungen, Zukunftsszenarien und Handlungsempfehlungen für eine effiziente Wärmeplanung.
Besonders hilfreich ist er für kleine und mittlere Kommunen, die wegen begrenzter Ressourcen bei der Wärmeplanung vor erheblichen Herausforderungen stehen.
Was sind drei zentrale Stärken des WärmeGuide, die den Kommunen bei der Wärmeplanung helfen?
Johannes Hofmann: Der WärmeGuide bietet Kommunen einen Überblick zum Status quo: Wie viele Gebäude müssen einbezogen werden? In welchem Zustand sind sie? Wie ist die Eigentumsstruktur? Zweitens zeigt er jeder Kommune ihr großes Potenzial für das fossilfreie Heizen über Wärmepumpe und als Fernwärmeversorgung, z. B. durch Tiefengeothermie, Gewässerwärme, Solarthermie oder Speicher. Drittens bringt er Beschleunigung: Die Wärmeplanung und ihre Umsetzung können oft viel schneller erfolgen als von den Kommunen gedacht, weil der WärmeGuide die Planung deutlich vereinfacht.
Welche Rolle spielt die kommunale Wärmeplanung für die Wärmewende insgesamt?
Sibylle Braungart: Die kommunale Wärmeplanung spielt eine wichtige Rolle für die Wärmewende, weil sie einen systematischen Blick auf den zukünftigen Wärmebedarf und die passenden Versorgungslösungen auf lokaler Ebene ermöglicht. Sie zeigt auf, wo Effizienzmaßnahmen besonders wirksam sind, welche Quartiere für den Ausbau von Wärmenetzen geeignet sind und wo individuelle Lösungen wie Wärmepumpen sinnvoller sind.
Zugleich bietet sie eine gemeinsame Orientierung für Kommunen, Energieversorger, Wohnungswirtschaft und Bürger*innen und stößt einen strukturierten Austausch zwischen den relevanten Akteuren an – ein wichtiger Anstoß für die spätere Umsetzung. Die Wärmeplanung schafft damit nicht nur strategische Klarheit, sondern auch neue Kooperationsstrukturen, die für die Realisierung der Maßnahmen entscheidend sind.
„Wärmewende“ bedeutet: Alle Gebäude so zu dämmen, dass sie wenig Heizenergie brauchen, und alle Öl- und Gasheizungen durch CO2-freie Fernwärme und Wärmepumpen zu ersetzen. Wie gut sind wir in Deutschland auf dem Weg dorthin?
Sibylle Braungart: Für mich bedeutet „Wärmewende“ mehr als nur technische Maßnahmen wie Dämmung oder den Austausch fossiler Heizungen. Sie umfasst auch soziale, wirtschaftliche und organisatorische Aspekte: also die Frage, wie Kommunen, Unternehmen und Bürger*innen gemeinsam tragfähige Lösungen entwickeln, wie Planungssicherheit entsteht und wie Veränderungen vor Ort tatsächlich umgesetzt werden können.
Deutschland hat in den letzten Jahren wichtige Schritte gemacht – dazu trägt auch die kommunale Wärmeplanung bei. Gleichzeitig bleibt der Handlungsdruck hoch: Der Gebäudesektor verfehlt seine Ziele aus dem Klimaschutzgesetz seit Jahren, und noch immer werden zahlreiche fossile Heizungen neu eingebaut. Angesichts ihrer typischen Lebensdauer von rund 20 Jahren steht das klar im Widerspruch zum Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045.
Johannes Hofmann: Positiv gesehen, würde ich sagen: Die Wärmewende ist ein Marathon, aber wir sind schon losgelaufen und außerdem fitte Läufer*innen. Über 80 Prozent der Heizungen sind noch fossil, aber die Technik für die Umstellung ist da. Wärmepumpen machen uns unabhängig von Import-Gas, laufen mit lokal erzeugtem Strom und sind in der Regel heute schon günstiger als Gas. Auch die gesetzlichen Pfeiler sind für diesen Marathon bereits eingeschlagen: Das Gebäude-Energie-Gesetz sieht den Ausstieg aus fossilen Heizungen vor; mit der Wärmeplanung schreiten Kommunen zur Tat.
Was war die Motivation für LocalZero, den WärmeGuide zu entwickeln?
Johannes Hofmann: Bis 2026 sind Großstädte, bis 2028 alle anderen Kommunen in Deutschland dazu verpflichtet, eine Wärmeplanung vorzulegen. Leider zeigen unsere Untersuchungen der ersten fertigen Wärmepläne, dass die Ergebnisse oft schlecht sind: Sie nutzen kaum erneuerbare lokale Potenziale und setzen stattdessen oft auf Wasserstoff- oder Holzverbrennung. Auch Unterstützungsprogramme für Haushalte, die auf Wärmepumpen umsteigen wollen, sind rar. Die Hauptgründe dafür sind vor allem Personalmangel und die komplexen Daten, die eine Kommune für die Wärmeplanung verarbeiten muss: Welche Heizungen sind wo verbaut? Wo gibt es welche erneuerbaren Energiequellen und vieles mehr. Gerade in kleineren Kommunen müssen oft Quereinsteiger*innen die Wärmeplanung übernehmen. Die Auswertung der vielfältigen Datenquellen fühlt sich für viele an wie die Erstbesteigung des Kilimanjaro. Der WärmeGuide bündelt grundlegende Daten und kann als Leitfaden für das Vorgehen dienen.
Was ist ein typisches Anwendungsszenario für den WärmeGuide?
Johannes Hofmann: In den meisten Gemeinden kommt das Thema Wärmewende jetzt erst so richtig auf den Tisch. Oft fällt der Einstieg schwer. Wir hören, dass der WärmeGuide für viele das Thema erstmals greifbar macht und eben kurz und knapp, aber trotzdem fundiert, über Gebäudebestand und Wärmeversorgung und die Zukunftsszenarien informiert. Dadurch gehen sie mit einer anderen Klarheit über den Auftrag und Sinn in die Wärmeplanung hinein. Andere berichten, dass sie die Wärmeplanung jetzt fundierter begleiten können und selbstständiger mitarbeiten können. Bisweilen findet die Planung ja gänzlich entkoppelt von den kommunalen Mitarbeiternden statt, die dann am Ende mit einem fertigen Plan vorgesetzt bekommen, den sie aber gar nicht wirklich verstehen.
Der WärmeGuide macht einen riesigen Datenschatz für die Kommunen verfügbar. Welche Informationen sind für sie besonders wertvoll?
Sibylle Braungart: Der WärmeGuide kann Kommunen einen hilfreichen Einstieg bieten, indem er zentrale Informationen zum Gebäudebestand, zu erneuerbaren Potenzialen sowie zu sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen kompakt und verständlich aufbereitet. Ziel ist es, schnell ein erstes Gesamtbild zu vermitteln und damit die Orientierung im komplexen Themenfeld der Wärmeplanung zu erleichtern – gerade für Kommunen, die am Anfang stehen oder ihre bisherigen Einschätzungen schärfen möchten.
Gleichzeitig ersetzt der WärmeGuide nicht die detaillierte Analyse vor Ort. Für die kommunale Wärmeplanung bleiben lokale Daten – etwa zu spezifischen Gebäudetypen, Netzinfrastrukturen oder tatsächlichen Verbrauchswerten – unverzichtbar. Der WärmeGuide schafft also eine solide Grundlage, auf der Kommunen gezielt weiterarbeiten können.
Rund drei Viertel der Eigenheime in Deutschland kann nicht an ein Wärmenetz angeschlossen werden. Wie gehen die Kommunen bei ihrer Wärmeplanung damit um? Wo finden deren Besitzer*innen Unterstützung für die Wärmewende?
Johannes Hofmann: Es ist ja nicht so, dass die Menschen ohne Wärmenetzanschluss im Kalten sitzen werden. Im Gegenteil: In der Regel ist die Wärmepumpe die günstigste und effizienteste Heiztechnik. Wir betonen in den Handlungsempfehlungen, dass auch ohne Wärmenetz die Kommunen viel Unterstützung anbieten können. Denn die Menschen fragen sich, welche Wärmepumpe bei ihnen zuhause sinnvoll ist, ob sie dämmen sollten, und wie sie sie finanzieren können. Die Kommune ist als Kümmererin, gegebenenfalls mit dem lokalen Stadtwerk zusammen, der perfekte Akteur, um hier vor Ort Beratungsangebote zu schaffen, oder sogar finanzschwache Haushalte zusätzlich finanziell für den Heizungstausch unterstützen.
Die Wärmeplanung ist als Instrument für die ganzheitliche Wärmewende zu begreifen – von der Realisierung grüner Wärmenetze bis zur Unterstützung beim Umbau der Heizung bei jeder und jedem persönlich.
Der WärmeGuide zeigt den Kommunen auch, welche Einwohnergruppen Schwierigkeiten mit der Wärmewende bekommen könnten. Wie können die Kommunen hier helfen?
Johannes Hofmann: Je finanzschwächer ein Haushalt, desto anfälliger ist er für Energiepreisänderungen. Typische Gruppen sind zum Beispiel ältere Rentner*innen, die im eigenen schlecht gedämmten Häuschen leben und kein Geld für die Sanierung haben. Oder Mieter*innen bei Privatvermieter*innen, denen hohe Heizkosten drohen, weil die Vermietenden keinen Anreiz für eine Sanierung haben.
Kommunen können mit Vermieter*innen daraufhin arbeiten, dass bei der Sanierung die Warmmiete stabil bleibt. Für Eigentümer*innen können sie zum Beispiel kostenfreie Energieberatungen anbieten, auf die Bundesförderung für Wärmepumpen hinweisen oder eigene Förderprogramme starten. Gleichzeitig braucht es weitere Gesetze und Programme vom Bund, die Mieter*innen und ärmere Haushalte schützen und gleichzeitig den Klimaschutz vorantreiben.
Auf einer Deutschlandkarte sieht man mehrere hundert Erfolgsgeschichten zur Wärmewende, die sich andere Kommunen als Vorbild nehmen können. Was ist dein Lieblingsprojekt unter diesen Good Practices?
Sibylle Braungart: Ehrlich gesagt möchte ich kein einzelnes Projekt herausgreifen – gerade die Vielfalt der Beispiele macht für mich den besonderen Wert dieser Sammlung aus. Sie zeigt, dass die Wärmewende nicht auf ein bestimmtes Modell oder eine bestimmte Kommune beschränkt ist, sondern überall funktionieren kann: in kleinen Gemeinden ebenso wie in Großstädten, in Quartierssanierungen, Wärmenetzausbauprojekten oder innovativen erneuerbaren Konzepten.
Der WärmeGuide ist hier zu finden: https://waermeguide.de/
Johannes Hofmann von LocalZero hat den WärmeGuide als Projektleiter mitentwickelt. Dr. Sibylle Braungart, Gruppenleiterin Wärmewende & Effizienz beim Öko-Institut, war federführend für die Zusammenstellung des riesigen Datenschatzes.
Gefördert wurde diese wichtige Planungshilfe für die Wärmewende von der European Climate Foundation.