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Verbraucherschutz durch klare Regeln: Das unterschätzte Potenzial des GEG

Die Bundesregierung will das Gebäudeenergiegesetz, insbesondere die Vorgaben für den Einbau neuer Heizungen, reformieren. Veit Bürger argumentiert, warum das Gesetz in seiner aktuellen Form die richtigen Signale setzt, Haushalte vor Fehlinvestitionen bewahrt und damit deutlich zielgenauer ist als ein CO2-Preis allein.
Heizung in Wärmesicht

Die Heizungsbranche und die Wohnungswirtschaft warten gespannt darauf, wie es mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) weitergeht. Bei der Einführung der 65-Prozent-Erneuerbare-Wärme-Regel wurde das Gesetz stark kritisiert: angeblich unverhältnismäßige Eingriffe in die Entscheidungsautonomie, Überregulierung, Unpraktikabilität und Überforderung der Bevölkerung. Verbraucherschützer*innen hingegen unterstützen die Regel – zu Recht. Denn entgegen seinem Ruf ist das Heizungsgesetz vor allem eines: wirksamer Verbraucherschutz.

Warum der Heizungstausch der entscheidende Moment ist

Heizungen laufen 20 bis 25 Jahre, oft sogar deutlich länger. Gleichzeitig strebt Deutschland an, bis 2045 klimaneutral zu werden. Damit ist klar: Jede heute eingebaute Heizung wird nur noch einmal ersetzt – und dieser eine Austausch „muss sitzen“. Er muss mit einem klimaneutralen Gebäudebestand vereinbar sein. Unabhängig davon, über welche politischen Instrumente die Wärmewende gesteuert wird: Der richtige Zeitpunkt für die Umstellung ist immer der Moment, in dem ohnehin ein Austausch der Heizung ansteht.

Genau daran knüpft § 71 GEG an. Demnach dürfen neue Heizungsanlagen nur eingebaut werden, wenn mindestens 65 Prozent der mit ihnen erzeugten Wärme aus erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme stammen. Diese 65-Prozent-Erneuerbare-Wärme-Regel greift immer – und nur dann –, wenn tatsächlich ein Heizungstausch erfolgt, also wenn ohnehin investiert wird. Sie wirkt also im entscheidenden Moment und verhindert Fehlinvestitionen in fossile Technik, die später teuer korrigiert werden müssten. Zugleich schafft sie Planungssicherheit für alle Akteure im Heizungsmarkt, insbesondere für Gebäudeeigentümer*innen.

Robuste Klimazielarchitektur und die ökonomischen Realitäten

Diese Argumentation stützt sich auf die Klimaschutzziele der Bundesregierung, insbesondere das Ziel der Klimaneutralität bis 2045. Deutschland ist dabei nicht nur an das nationale Klimaschutzgesetz und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebunden, sondern auch an die europäische Klimaschutzarchitektur bestehend aus EU-Klimaschutzgesetz sowie den Regelungen zur Lastenteilung (Effort Sharing). Diese Zielarchitektur ist robust und politisch nicht einfach auszuhebeln. Folgerichtig muss die Nutzung fossiler Brennstoffe in Heizungsanlagen im Jahr 2045 enden.

Und all dies gilt natürlich auch nur dann, wenn die Wette auf günstige, strombasierte Brennstoffe nicht aufgeht. Doch dass Wasserstoff oder andere strombasierte Brennstoffe flächendeckend eine kostengünstige Alternative darstellen könnten, bezweifelt die Forschung zunehmend. Eine aktuelle Fraunhofer-Studie schätzt die Endkundenpreise für Wasserstoff im Jahr 2035 auf 21 bis 33 ct/kWh – ein Niveau, das gegenüber Wärmepumpen in der Gebäudewärme niemals wettbewerbsfähig sein kann. Die Hoffnung auf strombasierte Brennstoffe im Heizungskeller ist somit keine Strategie, sondern eine riskante Wette auf Kosten der Verbraucher*innen.

Anforderungen greifen zum Investitionszeitpunkt

Anlassbezogene Anforderungen sind im Gebäudebereich nichts Neues. So müssen bei Dach, Fassade oder Fenstern seit Jahren Mindeststandards eingehalten werden, sobald eines dieser Bauteile ohnehin saniert wird. Niemand hält das für übergriffig. Das GEG überträgt dieses Prinzip nun technologieoffen auf Heizungen: Wärmepumpen, Holzheizungen, Wärmenetze, Solarthermie, Biomethan, direktelektrische Heizungen, grüner Wasserstoff, Hybridlösungen – alles ist möglich. Sollten innovative Ingenieur*innen weitere Technologien erfinden, sind diese nach dem Gesetz jetzt schon zulässig, solange mindestens 65 Prozent der Wärme aus erneuerbaren Energien stammt. Die 65-Prozent-Erneuerbare-Wärme-Regel ist also nicht technikeinschränkend, sondern ermöglicht einen technologieoffenen Ansatz.

Warum der CO2-Preis allein nicht reicht

Oft wird gefordert, dass marktliche Instrumente wie der CO2-Preis die Rolle des „Leitinstruments“ übernehmen sollten. In der Theorie wäre die Umstellung damit einfacher. In der Praxis verkennt dieser Ansatz jedoch mehrere Realitäten: Erstens wären sehr hohe CO2-Preise erforderlich, um eine mit dem GEG vergleichbare Lenkungswirkung zu erzielen. Zweitens ist die zukünftige Entwicklung des CO₂-Preises unsicher, und die Verhaltensforschung zeigt, dass viele private Eigentümer*innen ihre Entscheidungen nicht lebenszyklisch, sondern vor allem anhand der Investitionskosten treffen. Drittens erreicht das Preissignal bei Mietgebäuden weitgehend die falschen Akteure, nämlich die Mietenden. Diejenigen, die über die Heizungsanlage entscheiden, werden über das Stufenmodell des CO2-Kostenaufteilungsgesetzes nur indirekt adressiert.

Ein ordnungsrechtliches Instrument wie das GEG wirkt dagegen zielgenau und ohne finanzielle Zusatzbelastung für den Betrieb bestehender Heizungen. Es schafft für Eigentümer*innen verlässliche Rahmenbedingungen in einem Markt, dessen Preis- und Technologieentwicklung für Einzelne schwer vorhersehbar ist – und schützt so vor langfristigen Investitionsrisiken.

Fazit: Das GEG ist Klimaschutz – und Verbraucherschutz

Die Wärmewende braucht klare Leitplanken, Verlässlichkeit und Schutz vor falschen Investitionen. Genau das leistet die 65-Prozent-Erneuerbare-Wärme-Regel. Sie setzt am Zeitpunkt des Heizungstauschs an, verhindert damit fossile Lock-ins, stärkt Planungssicherheit und gewährleistet, dass die Wärmewende nicht erst im Jahr 2040 beginnt, sondern heute.

Das Heizungsgesetz ist damit weit mehr als ein Klimaschutzinstrument. Es schützt Verbraucher*innen vor teuren Fehlinvestitionen und bewahrt die Gesellschaft vor späteren, abrupten und teuren Nachsteuerungen. Wer die Wärmewende ernst nimmt, sollte das GEG nicht schwächen, sondern stärken. Denn: Dies ist gelebter Verbraucherschutz – und ein entscheidender Baustein für einen klimaneutralen Gebäudesektor.

Dr. Veit Bürger ist Leiter des Bereichs Energie & Klimaschutz beim Öko-Institut in Freiburg und forscht zu Klimaschutz im Wärmesektor.

Der Standpunkt erschien zuerst im Tagesspiegel Background Energie & Klima am 10. Dezember 2025.

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