Soziale Energieeffizienz: Priorität für die, die es am meisten brauchen

In Deutschland zählen Mieter*innen besonders häufig zur Gruppe der vulnerablen Haushalte, die von Energieeinsparmaßnahmen profitieren sollten. Statistiken zeigen, dass Haushalte mit niedrigeren Einkommen deutlich häufiger zur Miete wohnen als einkommensstarke Haushalte. Gleichzeitig haben Mieter*innen kaum Einfluss auf energetische Sanierungen, da Investitionsentscheidungen meist von Vermieter*innen getroffen werden. Diese strukturelle Trennung von Kosten und Entscheidungsmacht – das sogenannte „Mieter-Vermieter-Dilemma“ – erschwert es gerade jenen, die finanziell besonders belastet sind, von Energieeffizienzmaßnahmen zu profitieren. Umso wichtiger ist es, diese Zielgruppe bei der Umsetzung der EU-Vorgaben gezielt in den Blick zu nehmen.
Soziale Zielgenauigkeit gefordert: Was die EU-Richtlinie verlangt
Gemäß Artikel 8 der novellierten EU-Energieeffizienzrichtlinie (EED) sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, jährlich verbindliche Energieeinsparziele zu erreichen. Ein zentrales Element dieser Vorgabe ist die Pflicht, einen bestimmten Anteil der Einsparungen gezielt „vorrangig bei – aber nicht beschränkt auf – von Energiearmut betroffenen Menschen, schutzbedürftigen Kunden, Menschen in Haushalten mit geringem Einkommen und gegebenenfalls Menschen, die in Sozialwohnungen leben“ zu erzielen. Da bieten sich Maßnahmen im Gebäudesektor direkt an, da es hier hohe Einsparpotenziale und gleichzeitig eine hohe Anzahl von Gruppen mit geringem Einkommen gibt. Dafür bedarf es allerdings der Anpassung bestehender Instrumente.
Maßnahme: Sanierungen im sozialen Wohnungsbau
Die Sanierung von Sozialwohnungen trägt dazu bei, dass die Energiekosten für Haushalte mit geringem Einkommen langfristig bezahlbar bleiben und Energiearmut vermieden wird. Dahingehend sollten zusätzliche zweckgebundene Bundesmittel für die energetische Sanierung geschaffen werden, damit die bestehenden Mittel in der sozialen Wohnraumförderung weiterhin überwiegend für den dringend notwendigen Bau von Sozialwohnungen eingesetzt werden. Gefördert werden könnten:
- Die Sanierung von Wohnraum mit Sozialbindung, im Zuge der Sanierung verlängert sich die Sozialbindung – so kann verhindert werden, dass weitere Wohnungen aus der Bindung fallen.
- Die Sanierung von bisher nicht sozial gebundenem Wohnraum: Diese Wohnungen können eine Förderung erhalten, wenn sie im Zuge der Sanierung zu einer Sozialwohnung werden – so würde das Förderprogramm zur Erhöhung von belegungsgebundenen Wohnungen beitragen.
Ein Beispiel liefert die nordrheinwestfälische Förderrichtlinie Öffentliches Wohnen, welche die Schaffung, Modernisierung und Erhaltung von bezahlbarem Wohnraum mit Miet- und Belegungsbindungen unterstützt. Voraussetzung ist, dass durch die Modernisierung Energie eingespart wird und die Wohnungen dennoch für Gruppen mit geringem Einkommen dauerhaft verfügbar bleiben. Im Gegenzug gilt eine Belegungs- und eine Mietpreisbindung. Die Energiekosteneinsparungen und die Gesamtmiete werden hier gemeinsam betrachtet: Überschreitungen der durch die zuständige Behörde bewilligten Miete sind nur in geringem Maße zulässig und abhängig von dem nach der Modernisierung erreichten Effizienzstandard. Zudem gibt es Anreize für Vermietende, ein möglichst hohes Effizienzniveau zu erreichen, denn für ambitionierte Effizienzhausstandards gewährt das Land schrittweise weitere Tilgungszuschüsse. Bei Erreichen eines Netto-Null-Standards kann so ein zusätzlicher Zuschuss von 20 Prozent erhalten werden.
Maßnahme: BEG-Förderbonus sowie Mietpreisbegrenzung
Um die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) sozialverträglicher zu gestalten, bietet sich die Verknüpfung eines neu einzuführenden Förderbonus mit einer temporären Mietpreisobergrenze an – wie es in der Studie „Sozialgerechte Förderung für energetische Sanierungen im Mietwohnbereich“ skizziert wird. Vermietende würden demnach einen zusätzlichen Förderbonus von beispielsweise 15 Prozent der Investitionskosten erhalten, wenn sie sich verpflichten, die Miete für die nächsten 10 Jahre nach der energetischen Modernisierung mindestens 10 Prozent unterhalb der jeweils geltenden ortüblichen Vergleichsmiete zu belassen. Im Förderantrag müssten sie verbindliche Angaben zu Mietpreisen und der Einhaltung der Mietpreisobergrenze machen. Mietende gilt es über den Erhalt des Förderbonus zu informieren. Turnusmäßige Übermittlungspflichten oder stichprobenartige Kontrollen könnten der Kontrolle dienen.
Maßnahme: Anpassung der Städtebauförderung oder Energetische Stadtsanierung
Wie sich am Beispiel des Münchner Sanierungsgebietes Neuaubing-Westkreuz und am Beispiel der Sozialen Stadt Weingarten-West (Freiburg im Breisgau) gezeigt hat, sind sowohl die Städtebauförderung als auch die Energetische Stadtsanierung prinzipiell gut geeignet, Quartiere mit einem hohen Anteil vulnerabler Haushalte zu fördern und dort energetische Sanierungen von Wohngebäuden anzureizen. Bei der Städtebauförderung sind Klimaschutzmaßnahmen explizit vorgesehen, diese bräuchten jedoch eine explizite Ausrichtung auf die energetische Sanierung im Mietwohnbereich, in dem überwiegend Haushalte mit geringem Einkommen leben. In der Energetischen Stadtsanierung braucht es die Berücksichtigung sozialer Aspekte.
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Einzelne Maßnahmen reichen nicht aus. Es erfordert einen Instrumentenmix, der 1. Anreize zur Verbesserung von Energieeffizienzmaßnahmen setzt, 2. deren Wirtschaftlichkeit befördert und 3. negativen Verteilungswirkungen entgegenwirkt. Es braucht sozialen Klimaschutz!
Dr. Sibylle Braungardt aus dem Bereich Energie & Klimaschutz des Öko-Instituts in Freiburg beschäftigt sich in ihrer wissenschaftlichen Arbeit mit der Wärmewende.
Zusammen mit mehreren Partnern aus der Zivilgesellschaft hat das Öko-Institut in 2025 eine gemeinsame Aktion gestartet, um für eine stärkere soziale Ausgestaltung von Klima- und Umweltschutz zu werben. Sie machen sich dafür stark, dass Maßnahmen zum Klimaschutz künftig stärker auf soziale Auswirkungen geprüft und gezielt so gestaltet werden, dass alle Menschen von der ökologischen Transformation profitieren können. Im Mittelpunkt stehen unter anderem faire Kostenverteilungen, bezahlbares Wohnen, neue Chancen für Erwerbsarbeit sowie eine sozialverträgliche Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen im Alltag der Menschen.
Weitere Informationen
Pressemitteilung „Sanierungen von Mietwohnungen sozial gerecht fördern“
Studie „Analysen und Empfehlungen zur Vereinbarkeit von bezahlbarem Wohnen und Klimaschutz“
Studie „Soziale Aspekte der Gebäude-Energiewende“
Studie „Wie wohnt Deutschland?“
Umfangreiche Daten, Grafiken, Studien und Projektergebnisse zum sozialen, klimafreundlichen und flächeneffizienten Wohnen bietet die Website wohnen.oeko.info des Öko-Instituts.