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Lkw-Ladeinfrastruktur für eine Großstadt planen – Tempo und Sorgfalt gefragt

Ein Forschungsteam unter Leitung des Öko-Instituts hat für das Land Berlin den Bedarf an Ladeinfrastruktur für Lkw untersucht und stieß auf viel Aufbruchstimmung, wichtige Weichenstellungen, aber auch Datenlücken.

 

Es braucht die Antriebsrevolution auf der Straße

Nur noch 20 Jahre bis zur angestrebten Klimaneutralität Deutschlands im Jahr 2045. Es liegt auf der Hand, dass dies nicht allein durch Verlagerung auf die Schiene erreicht werden kann – selbst wenn Ausbau und Modernisierung der Schienenverkehrsinfrastruktur stark beschleunigt werden. Der Anteil des Gütertransportaufkommens, der auf der Straße transportiert wird, soll laut Verkehrsprognose des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) sogar nochmals leicht ansteigen von 86,3 Prozent im Jahr 2019 auf 87,6 Prozent im Jahr 2040. Über solche Prognosen lässt sich streiten. Unzweifelhaft ist aber: Für den Klimaschutz ist die Umstellung des Straßengüterverkehrs auf emissionsfreie Antriebe dringend erforderlich. Zudem bringt die Antriebswende beim Lkw positive Nebeneffekte für Luftqualität, Lärmreduktion und Arbeitsbedingungen mit sich. Der Trend geht dabei klar in Richtung batterieelektrischem Antrieb. Bei den Fahrzeugherstellern steht diese Technologie im Mittelpunkt und auch bei den Anwendern, die lange vor allem auf den Durchbruch des Wasserstoffantriebs hofften, ist die Tendenz unübersehbar.

Zwar bieten batterieelektrische Lkw (BET) in vielen Einsatzbereichen schon heute Kostenvorteile. Ein großes Hemmnis ist jedoch bisher die mangelnde Ladeinfrastruktur. Bei gewerblichen Verkehren, wo Margen klein sind und jede Minute bares Geld kostet, ist es noch wichtiger als im Privaten, dass Ladeinfrastruktur verlässlich verfügbar ist und funktioniert. Insbesondere im Fernverkehr mit seinen hohen Fahrleistungen kann Elektromobilität schnell zum „business case“ werden. Hier ist die Abhängigkeit von zuverlässiger öffentlicher Ladeinfrastruktur jedoch am höchsten. Ein deutschlandweites Schnellladenetz befindet sich aktuell aber erst in der Ausschreibung.

Rolle der Lkw-Ladeinfrastruktur in einer Metropolregion

Daher spricht auch manches dafür, dass die Elektrifizierung im Regionalverkehr noch schneller vonstattengehen wird. Was ist also die Rolle von Metropolregionen? Diese Fragestellung hat das Mobilitätsteam des Öko-Instituts gemeinsam mit dem Reiner Lemoine Institut (RLI) für Berlin und das Brandenburger Umland untersucht. Die Studie „Ladeinfrastruktur für schwere E-Nutzfahrzeuge in Berlin“ wurde im Auftrag der Berliner Agentur für Elektromobilität eMO erstellt und im März 2025 finalisiert. Der Schwerpunkt lag bei den Lkw über 3,5 Tonnen; als Exkurs wurden auch Reisebusse behandelt.

Zunächst einmal ist zu betonen, wie vielfältig die Lkw-Verkehre sind. Die Spanne reicht von Großflotten global agierender Logistiker und Paketdienstleister bis zu kleinen Fuhrunternehmen, die etwa im Bau- und Entsorgungsgewerbe aktiv sind. Für letztere stellen Investitionen in einzelne Fahrzeuge und Ladepunkte im Verhältnis viel höhere Investitionshürden dar. Der verdichtete städtische Raum stellt sie zudem vor besondere Herausforderungen. So ist es nicht unüblich, dass Fahrzeuge aufgrund der Platzverhältnisse nachts nicht auf Firmengeländen stehen, sondern im öffentlichen Straßenraum. Sie können also nicht ohne Weiteres mit Depotladern versorgt werden.

Aufgrund der Vielfalt der Verkehre und einer unzureichenden Datenverfügbarkeit ließen sich im Projekt viele Faktoren nur abschätzen: Welcher Anteil der Unternehmen kann auf dem Betriebsgelände Ladeinfrastruktur errichten? Gibt es regionale Einsatzszenarien, bei denen wegen der hohen Fahrleistungen dennoch tagsüber öffentlich geladen werden muss? Welcher Anteil des Ladens geschieht bei regionalen Verkehren in Brandenburg, wo die Ringautobahn größtenteils verläuft, wo sich die meisten Logistikzentren befinden und wo generell der Flächendruck geringer ist? Im Projekt haben wir uns diesen Fragen mittels Steckbriefen genähert. Sie zeigen das Spektrum an Standorten, Flotten, Lade-Use-Cases und Ladelösungen auf.

Basierend auf den Vorarbeiten im Projekt StratES und den Erkenntnissen zum Berliner Güterverkehr wurde ein Hochlauf der Elektromobilität für Berlin errechnet. Dabei wurde ein Bestand von etwa 3.000 elektrischen Lkw in Berlin (15 Prozent des Gesamtbestandes) im Jahr 2030 und 20.000 bis 25.000 (76 bis 100 Prozent des Gesamtbestands) im Jahr 2045 ermittelt.

 

 

 

 

Antriebsverteilung im Berliner Bestand für Lkw mit 3,5 bis 12 t, eigene Berechnungen.
BEV = Batterieelektrische Fahrzeuge, PHEV = Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge, FCEV = Wasserstoff-Brennstoffzellenfahrzeuge

Antriebsverteilung im Berliner Bestand für Lkw mit 12 t+, Last- und Sattelzüge, eigene Berechnungen.

Bei den Lkw über 12 t und den Last- und Sattelzügen steigen die Zahlen aufgrund der besseren Wirtschaftlichkeit und der schnelleren Flottenerneuerung schneller als bei den Fahrzeugen zwischen 3,5 und 12 t . Noch deutlicher ist das Verhältnis bei den Ladebedarfen: Etwa 300 Gigawattstunden (GWh) im Jahr für die Lkw mit mehr als 12 t, Last- und Sattelzüge und etwa 100 GWh/a für die E‑Fahrzeuge mit 3,5 bis 12 t. Mit zwei Szenarien wird aufgezeigt, wie diese Bedarfe gedeckt werden könnten:

  1. eine maximale Versorgung der privaten Lkw-Depots mit Ladeinfrastruktur versus
  2. ein stärkerer Ausbau von öffentlich zugänglichen Ladehubs.

Letztere sind insbesondere für Fälle mit hohen Tagesfahrleistungen und geringem Platzangebot oder sonstigen Hemmnissen auf dem Unternehmensgelände nötig. Auch in letzterem Szenario werden etwa vier Fünftel der elektrischen Energie im Betrieb geladen.

Ladestrombedarf für Lkw inkl. Verlusten, nach Lade-Use-Cases, Szenario „Ladehub-plus“, eigene Berechnungen

In jedem Fall ist es von zentraler Bedeutung, die Rahmenbedingungen für die Errichtung von Depot-Ladestationen zu schaffen. Auf diese Thematik geht auch eine jüngst veröffentlichte Studie des Öko-Instituts im Auftrag von Transport & Environment genauer ein.

Unsere Abschätzung gibt der Berliner Verwaltung und anderen Stakeholdern wie Stromnetz Berlin eine Orientierung, wie viele Ladepunkte für welchen Use Case in 5‑Jahres‑Schritten erforderlich sein dürften. Schon bis 2030 sollten demnach über 1.000 Ladepunkte auf Betriebsgeländen entstehen. Bis 2045 sind je nach Szenario 125 bis 360 öffentlich zugängliche Ladepunkte erforderlich.

All diese Zahlen sind gegenüber Pkw-Bestand und -Ladebedarfen deutlich untergeordnet. Dasselbe gilt für die erforderliche Energiemenge mit jährlich weniger als einer halben Terawattstunde im Jahr 2045.

Standortsuche und weitere To dos

Auch wenn mit Blick auf die elektrischen Energiemengen die Zusatzbedarfe für Pkw, Wärme und Industrie größer sind: Die Elektrifizierung der schweren Nutzfahrzeugflotten ist ein unverzichtbarer Baustein für ein klimaneutrales Berlin im Jahr 2045. Und es gibt auch hier viel zu tun, um sie umzusetzen. Wir haben daher 23 Maßnahmenempfehlungen vor allem für die Landesagentur eMO Berlin sowie die sonstige Berliner Landesverwaltung und -politik formuliert. Diese sollen nun durch die Verwaltung in den Maßnahmenkatalog der Gesamtstrategie Ladeinfrastruktur des Landes Berlin eingearbeitet werden.

Selbst wenn nur eine überschaubare Zahl öffentlich zugänglicher urbaner Ladehubs aufgebaut werden muss: Dem Land empfehlen wir, frühzeitig Flächen und Nutzungskonzepte für öffentlich zugängliche Schnellladehubs für Nutzfahrzeuge zu prüfen. Eine Herausforderung in einer wachsenden Stadt mit vielen konkurrierenden Nutzungen und hohem Flächendruck. Doch so können Praktikabilität und realer Bedarf erprobt werden. In Frage kommen zum Beispiel Tankstellenstandorte und private Teilflächen in Gewerbegebieten.

Zentral ist zudem ein enger Austausch mit dem Verteilnetzbetreibern (in Berlin ist dies allein das landeseigene Unternehmen Stromnetz Berlin). Zwar sind diese verpflichtet, Netzanfragen abzuarbeiten, doch für eine rein reaktive Rolle ist die Zeit zu knapp. Daher sollten diese proaktiv unverbindliche Voranfragen für Netzanschlüsse von Ladestationen einholen und die Branche zu deren zukünftigen Bedarfen befragen. So können sie Lkw-Ladeinfrastruktur-Planungen mit anderen Bauarbeiten und Netzausbauten aufgrund anderer Bedarfe koordinieren.

Jenseits von Zahlen und Technologien wird es – in Berlin und andernorts –  darauf ankommen, auch kleinere Unternehmen der Lkw-Branche, die bei der Transformation bisher teilweise zweifeln oder abwarten, „mitzunehmen“. In einer Stadt mit steigendem Wohnraumbedarf und Handlungsbedarf bei Lärmschutz und Luftqualität sehen sie sich ohnehin oft in der Defensive. Manchen in der Branche fehlt noch das Vertrauen in die Elektromobilität, da sie z. B. in der Vergangenheit auf Erdgasantriebe gesetzt haben. Investitionsförderung für Ladeinfrastruktur und elektrische Anschlüsse müssen weitergeführt und der Ausbau von Ladeinfrastruktur in Mietimmobilien erleichtert werden. Es braucht aber auch passende Informationsangebote für Unternehmen, die für eine Beschäftigung mit technischen Neuerungen keine oder nur sehr begrenzte Ressourcen haben. Und auch das, was oberhalb der Landes- und Metropolebene passiert, ist relevant: Die bundesweite politische Ebene sollte Vertrauen vermitteln und durch langfristige Ziele und Technologiepfade Planungssicherheit geben.

Quantifizierung steht noch am Anfang

Ladeinfrastruktur-Bedarfe zu prognostizieren, ist keine abgeschlossene Aufgabe. Daher enthalten die Maßnahmenempfehlungen in der Studie auch Hinweise dazu, wie Fahrzeughochlauf und Ladeinfrastrukturnutzung gemonitort und die Planungen entsprechend angepasst werden sollten. Dies betrifft auch die resultierenden Energiemengen, denn beispielsweise sind auch Realverbräuche unter verschiedenen Bedingungen (Topografie, Wetter, Zuladung, Fahrzeugkonfiguration, Siedlungsstruktur) oft noch nicht gut untersucht. Der breite Praxiseinsatz steht erst am Anfang. Und die Welt ändert sich: Welche Verkehre die anstehende Gebäudesanierung im Sinne der Wärmewende hervorrufen wird, ist noch schwer abzusehen. Sicherheits- und Resilienzfragen gewinnen an Bedeutung. Das hochautomatisierte oder autonome Fahren ist auch für den Güterverkehr vielversprechend.

Und leider mangelt es an den Basisdaten: Berechnungen zu Güterverkehren müssen sich zu oft immer noch auf Daten aus der veralteten Befragung „Kraftfahrzeugverkehr in Deutschland“ aus dem Jahr 2010 stützen. Viele Daten für unsere Studie „Ladeinfrastruktur für schwere E-Nutzfahrzeuge in Berlin“ stammten aus der Datenbank „Verkehr europäischer Lastkraftfahrzeuge“, die aber zum Beispiel keine Unterteilung nach Größenklassen bietet. Ein großer Mangel besteht darin, dass Fahrzeugzulassungszahlen nur den Ort der Zulassung verraten, nicht aber den realen Stand- und Einsatzort. Geschweige denn eine noch detailliertere Aufschlüsselung zumindest nach Stadtbezirken. Zwar liegen für Berlin Daten zur Verkehrsstärke im Straßennetz vor, aber diese erlauben keine Aussagen zu Start und Ziel von Fahrten. Im Rahmen des Projekts konnten zwar Standorte von Branchen mit relevantem Lkw-Einsatz identifiziert werden, wie nachfolgend beispielhaft dargestellt. Jedoch enthalten diese Datensätze keine Informationen zu Anzahl oder Einsatzmustern der dort stationierten Fahrzeuge.

Verortung der Standortkategorien Kurier-Express-Paketdienstleister (KEP), Güterverkehrszentren, Raststätten und Reisebusparkplätze auf Berlin und das Umland, eigene Darstellung

Planung auf Grundlage besserer Daten lohnt sich

Angesichts dieser Datenlücken könnte man nun entscheiden, die Entwicklung der Elektrifizierung und die Ladebedarfe weiter zu beobachten und auf dieser Basis die Planungen anzupassen. Jedoch gibt es eigentlich kaum Spielraum für einen zu langsamen Ladeinfrastruktur-Aufbau – die Dekarbonisierungsziele dulden keinen Aufschub. Auf der anderen Seite könnten schlecht ausgelastete, am Bedarf vorbei geplante, Ladeinfrastruktur-Standorte die Betreiber in wirtschaftliche Probleme bringen. Daher lohnt sich eine Erhebung besserer Datengrundlagen zu Fahrzeugstandorten, Fahrleistungen, zeitlichen Einsatzmustern und Ladeinfrastrukturplanungen. Wenn die beteiligten Akteure in der Verwaltung jetzt also beim Thema Elektromobilität enger an die Branche herantreten, sollten sie versuchen, dabei auch detailliertere Daten zu erheben. Der Idealfall wäre eine neue große bundesweite Erhebung gewerblicher Verkehre mit der Möglichkeit regionaler Zusatzerhebungen. Denn diese Daten hätten auch für andere Zwecke einen großen Mehrwert. Ein großes Potenzial böte zudem eine wissenschaftliche Verwendung der Lkw-Mautdaten, die bisher nicht ermöglicht wird.

Lukas Minnich ist Senior Researcher im Bereich Ressourcen & Mobilität am Standort Darmstadt.

Die Studie „Ladeinfrastruktur für schwere E-Nutzfahrzeuge in Berlin“ wurde unter Leitung des Öko-Instituts im Auftrag der Berliner Agentur für Elektromobilität eMO und in Kooperation mit dem Reiner Lemoine Institut erstellt. Wir danken Projektpartner*innen und Auftraggeberseite sowie den weiteren beteiligten Expert*innen aus den Berliner Senatsverwaltungen, aus der Güterverkehrsbranche, der NOW etc. Die Studie ist für den internen Gebrauch und nicht öffentlich zugänglich.

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