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Künstliche Intelligenz in der Wissenschaft: „Man braucht eine gewisse Grundskepsis“

Eine künstliche Intelligenz als Forschungsassistenz? Durchaus eine interessante Option. Denn wie in anderen Feldern auch könnte die KI den Wissenschaftler*innen jede Menge Arbeit abnehmen – etwa bei der Recherche oder für die Zusammenfassung von Erkenntnissen. Daher hat das Öko-Institut erste Projekte initiiert.

KI zur Unterstützung nutzen

„Dabei muss eins klar sein: Die KI ist wirklich immer nur eine Assistenz. Und eine, der man nicht blind vertrauen kann. Man muss sie hinterfragen, im Prozess kontinuierlich begleiten und braucht eine gewisse Grundskepsis. Auch, weil Chatbots halluzinieren, wenn sie die Antwort auf eine Frage nicht kennen, sich also Antworten ausdenken“, erklärt Carmen Loschke, Wissenschaftlerin am Öko-Institut.

Carmen Loschke setzt Künstliche Intelligenz immer wieder ein – auch für persönliche Zwecke. „Für einfache Suchanfragen würde ich etwa ChatGPT nicht nutzen. Auch, weil die KI deutlich mehr Energie verbraucht als eine klassische Suchmaschine. Aber wenn ich über ein bestimmtes Thema etwas lernen will, ist es ein wertvolles Instrument, weil ich Nachfragen stellen und zum Beispiel die Komplexität der Antworten beeinflussen kann.“ So hat die Expertin nach einem Barista-Kurs noch einiges über verschiedene Kaffeesorten und deren Säure- und Bitternoten, den Ernteprozess und die unterschiedlichen Zubereitungsformen von Kaffee gelernt. Aber auch für ihre wissenschaftliche Arbeit setzt sie KI ein, schon in ihrer Masterarbeit. „Ich habe die Diskussionen auf X, damals noch Twitter, während der Energiekrise zum Thema Energiesparen ausgewertet. Verschiedene KIs haben mir bei der Programmierung und Analyse geholfen.“

Wissenschaftliche Veröffentlichungen auswerten

Wie lässt sich die Energiearmut in der EU bekämpfen? Antworten auf diese Frage liefert ein Policy Guide, den die Expertinnen Dr. Sibylle Braungardt und Carmen Loschke aus dem Bereich Energie & Klimaschutz mit Hilfe eines so genannten Large Language Models (LLM) erstellt haben. „Die Lebensqualität einkommensschwacher Haushalte lässt sich durch Energieeffizienz deutlich verbessern, denn diese mindert die Energiekosten“, sagt Loschke.

Zur Energieeffizienz gibt es viele Wege, die 2024 bei der eceee Summer Study besprochen wurden, einer Konferenz der europäischen Energieeffzienz-Community. Organisiert vom European Council for an Energy Efficient Economy (eceee) tauschten sich hier über 400 Expert*innen in Präsentationen und Fachartikeln aus. „Es ist allerdings aus zeitlichen und personellen Gründen kaum möglich, alle Publikationen zu lesen. Das ist sehr schade, denn hier entstehen sehr viele spannende Analysen“, so die Wissenschaftlerin vom Öko-Institut, „daher haben wir ChatGPT daran gesetzt, die Veröffentlichungen auszuwerten, die im Rahmen der Summer Study entstanden sind.“ Die Wahl fielt auf GPT-4.0, da dieser Chatbot einfach erreichbar und anpassbar ist. Durch den Aufbau einer RAG-Architektur (Retrieval Augmented Generation), durch die das Modell auf eine definierte Knowledge-Datenbank zugreift, wurde es möglich, dass der Chatbot fundierte Beiträge zum Thema Energiearmut erstellt. „Hierfür war ein schrittweiser Prozess nötig, bei dem die Eingaben und Ergebnisse immer wieder geprüft und die so genannten Prompts, also die Fragen, die man der KI stellt, bei Bedarf angepasst wurden.“ Teilweise mussten die Expert*innen dabei ein wenig tricksen. Denn ChatGPT erlaubt nicht mehr als 20 hochgeladene Dokumente, die jeweils eine bestimmte Dateigröße und Anzahl Tokens nicht überschreiten dürfen – es gab aber mehr als 130 Veröffentlichungen. „Wir haben diese umformatiert und in ein Dokument zusammengefasst, was aber auch seine Herausforderungen hatte, weil die KI sich zunächst eher auf den vorderen Teil eines Dokuments konzentriert hat.“

Ein so erstellter Policy Guide fasst nun die neuesten Forschungsergebnisse und politischen Entwicklungen zusammen und soll politischen Entscheidungsträger*innen dabei helfen, Energieeffizienz zu stärken, diesbezügliche EU-Richtlinien umzusetzen und so den Übergang zu einem nachhaltigen, aber auch sozial gerechten Energiesystem zu unterstützen. „Er behandelt die Herausforderungen von Energiearmut, diskutiert messbare Indikatoren und stellt positive Beispiele aus Europa vor.“ Mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz haben die Wissenschaftler*innen des Öko-Instituts zudem zahlreiche Empfehlungen zur Bekämpfung von Energiearmut zusammengefasst. „Sinnvoll ist es aus unserer Sicht zum Beispiel, benachteiligte Haushalte mit finanziellen Hilfen etwa für effiziente Heizsysteme zu unterstützen sowie lokale Beratungszentren für eine persönliche Beratung einzurichten“, so die Expertin. „Der Policy Guide betont zudem: Auch kleine und kostengünstige Maßnahmen wie LED-Beleuchtung oder zugluftdichte Fenster können für kurzfristige Einsparungen sehr sinnvoll sein.“

Die sprechende Datenbank

Trotz aller Hürden und Herausforderungen sieht Carmen Loschke hohes Potenzial darin, ChatGPT so zum Wissenschaftsassistenten zu machen. „Ohne die KI hätten das Zusammentragen der relevanten Informationen und die schriftliche Ausarbeitung wesentlich mehr Zeit in Anspruch genommen. Zwar hat der erste Versuch insgesamt noch recht lang gedauert, in Zukunft wird es durch die Lerneffekte aber schneller gehen.“ Dass sie Künstliche Intelligenz immer wieder für die Forschungsarbeit einsetzen will, steht für die Wissenschaftlerin außer Frage. Ihre Idee: Es bräuchte einen Öko-ChatBot, der mit allen Studien, Analysen und weiteren Veröffentlichungen des Öko-Instituts gefüttert wird und mit dem man sich dann unterhalten kann. „Es ist unmöglich, alle Arbeiten der Kolleg*innen zu kennen. So könnte man sehr gezielt nach dem suchen, das in den unterschiedlichen Bereichen bereits erforscht wurde.“

Wärme auswerten

Bereits geplant ist zudem, 2025 in einem Forschungsprojekt im Rahmen des achten Energieforschungsprogramms des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz kommunale Wärmepläne auszuwerten. „Bislang gibt es noch nicht allzu viele davon, aber laut dem Wärmeplanungsgesetz müssen alle Kommunen diese je nach Größe bis 2026 oder 2028 erstellen – wir sprechen also von etwa 12.000 Wärmeplänen. Bei ihrer Analyse kann Künstliche Intelligenz eine wichtige Rolle spielen, zumal es keine Vorgaben für die Herangehensweisen gibt und die Wärmepläne daher sehr unterschiedlich ausfallen können.“ Ziel des Projektes ist es, eine Datenbank auf Grundlage aller Wärmepläne zu erstellen, aus der man unterschiedliche Informationen herausziehen kann – so zum Beispiel, wie häufig der Einsatz von Biomasse oder Wasserstoff geplant ist oder wie viel CO2 gemindert werden soll. „Teil des Projektes ist es auch, zu analysieren, wie die Wärmeplanungen mit den Energiewendeszenarien zusammenpassen, und wo es noch Differenzen gibt, die man angehen muss“, so die Expertin vom Öko-Institut.

Carmen Loschke ist Wissenschaftlerin im Bereich Energie & Klimaschutz. Hier widmet sie sich seit 2023 unter anderem der Analyse von Text-Datensätzen mit Hilfe von künstlicher Intelligenz. Bereits für ihre Masterarbeit hat sie diese zur Auswertung von Beiträgen auf Social Media eingesetzt.

Weitere Informationen

Porträt von Carmen Loschke im Magazin eco@work, Ausgabe 01/2025

Policy Guide "Leveraging Energy Efficiency to Combat Energy Poverty in the European Union" des Öko-Instituts

Publikation "What motivates and demotivates energy savings in times of crisis? – An argument mining analysis using X/Twitter data"

Publikation "Has the energy crisis polarized citizens views on energy efficiency policy? – An analysis on the German discourse on X/Twitter"

Meldung auf der Website der Bundesregierung: Kommunale Wärmeplanung für ganz Deutschland

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