Gemeinsam für eine bessere Klimazukunft: Was gute Bürgerbeteiligung ausmacht

©unsplash / Hannah Busing
Was ermöglicht Bürgerbeteiligung im Klimaschutz?
In ganz Europa erkennen Kommunen und zivilgesellschaftliche Akteure zunehmend: Klimaneutralität ist nicht nur eine technische, sondern vor allem auch eine soziale Herausforderung. Eine wirksame Bürgerbeteiligung ist unerlässlich, um Klimaschutzmaßnahmen zu entwickeln, umzusetzen und dauerhaft zu verankern – und zwar so, dass sie inklusiv und wirksam sind. Doch solche Beteiligung zu ermöglichen, ist alles andere als einfach.
Wie erste Ergebnisse aus dem Achieve-Projekt zeigen, hängt der Erfolg wesentlich von einem unterstützenden politischen und administrativen Rahmen ab. Kommunen müssen Zeit, Personal und finanzielle Mittel bereitstellen, um Beteiligungsprozesse zu initiieren und langfristig aufrechtzuerhalten. Die Ergebnisse des Projekts betonen, dass Beteiligung besonders gut gelingt, wenn sie auf bestehenden zivilgesellschaftlichen Traditionen aufbaut – oder wenn sogenannte „Policy Entrepreneurs“ innerhalb der Verwaltung sich gezielt für eine Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft einsetzen.
Ein Beispiel dafür liefert Budapest. Kinga Lőcsei-Tóth, stellvertretende Leiterin des Referats für Klima und Umwelt, erklärt, dass es zunächst darum ging, Verantwortung im eigenen Team aufzubauen. Nachdem ein motiviertes Team mit einer gemeinsamen Mission gefunden war, konnten ehrgeizige Beteiligungsinitiativen umgesetzt werden.
Die Motivation der Bürger*innen hängt dabei stark vom Bewusstsein für lokale Herausforderungen ab. Menschen beteiligen sich eher, wenn sie die klimapolitischen Herausforderungen ihrer Gemeinde verstehen und erkennen, dass sie selbst Einfluss nehmen können. Öffentlichkeitsarbeit, transparente Kommunikation und sichtbare Erfolge – wie Gemeinschaftsgärten oder Energiegenossenschaften – können breitere Beteiligung anstoßen.
Doch Bewusstsein allein reicht nicht aus. Genauso wichtig ist ein niedrigschwelliger Zugang. Ökonomische, soziale oder logistische Hürden – etwa Zeitmangel, fehlender Zugang zu digitalen Tools oder technisches Know-how – schließen besonders marginalisierte Gruppen häufig aus. Kommunen können dem begegnen, indem sie verschiedene Formate anbieten: Online-Plattformen, Präsenz-Workshops, zufällige Einladungen und zielgruppengerechte Ansprache, auch in verschiedenen Sprachen.
Was macht Beteiligung wirksam?
Die Beteiligung zu ermöglichen, ist nur der erste Schritt. Damit sie wirklich etwas bewirkt, muss sie transparent, kontinuierlich und inklusiv gestaltet sein.
Laut Achieve sollten erfolgreiche Beteiligungsprozesse:
- Ziel und Ablauf klar kommunizieren,
- verständliche und relevante Informationen bereitstellen,
- Rückkopplungsschleifen einbauen, damit Beteiligte sehen, wie ihr Input wirkt,
- im lokalen Kontext verankert sein und über längere Zeiträume bestehen,
- unterschiedliche Perspektiven einbinden.
Budapest zeigt, wie strukturierte und inklusive Prozesse Bürger*innen wirksam in die Klimapolitik einbinden können. Die dort eingerichteten Bürgerversammlungen zu Themen wie Luftqualität oder energetische Gebäudesanierung wurden bewusst repräsentativ und transparent gestaltet. Laut Lőcsei-Tóth wurden 10.000 zufällig ausgewählte Einwohner*innen eingeladen – mit Blick auf ein ausgewogenes Verhältnis von Alter, Geschlecht und Mobilitätsverhalten. Das Ergebnis: hohe öffentliche Legitimität. Die Empfehlungen waren keineswegs symbolisch – sie flossen direkt in den Klimaaktionsplan der Stadt Budapest ein und trugen sogar zur Gründung einer kommunalen Klimaagentur bei.
Auch das Freiburger Projekt „Klimaschutz anpacken im Quartier“ zeigt die Bedeutung früher Mitgestaltung. Julia Wegenast, Klimaschutzmanagerin der Stadt, erklärt: „Heute beginnen wir mit Co-Creation. Wir laden die Bürger*innen von Anfang an ein, entwickeln mit ihnen eine gemeinsame Vision und gestalten Maßnahmen, die auf ihren Ideen und Bedürfnissen basieren.“
Inklusivität bedeutet dabei auch: Menschen dort abholen, wo sie stehen. Gemischte Beteiligungsformate – digital und analog, strukturiert und informell – ermöglichen es mehr Menschen, sich sinnvoll einzubringen. Gleichzeitig haben diese Formate auch Grenzen: Digitale Tools etwa können ältere Menschen oder Menschen mit geringer technischer Erfahrung ausschließen – und damit Perspektiven, die für eine gerechte Entscheidungsfindung wichtig wären. Deshalb ist eine Kombination verschiedener Formate entscheidend, um ein breites Spektrum an Teilnehmenden zu erreichen. Inklusivität heißt außerdem: Kapazitäten sichern. Projekte, die allein auf Ehrenamt basieren, geraten oft schnell an ihre Grenzen. Hier sind strukturierte Förderung und technische Unterstützung unerlässlich. Damit Beteiligung gelingt, brauchen Bürger*innen klare Informationen, zugängliche Tools und Werkzeuge und transparente Kommunikation – in jeder Phase des Prozesses.
Soziale Innovation und Co-Benefits als Motor
Beteiligung ist kein Selbstzweck – sie kann soziale Innovationen und kollektives Handeln anstoßen. In vielen Prozessen entstehen neue Ideen, Praktiken oder Strukturen aus der Zivilgesellschaft selbst: etwa Repair-Cafés, Energiegenossenschaften oder der Quartier-Gemeinwohl-Index wie in Münster. Wenn Bürger*innen konkrete Verbesserungen erleben – bessere Luft, geringere Kosten, grünere Stadträume – bleiben sie eher engagiert.
Hinzu kommen soziale Co-Benefits wie gestärktes Vertrauen, Gemeinsinn oder Nachbarschaftszusammenhalt – alles Faktoren, die auch das Verhalten langfristig verändern können. Laut erster Ergebnisse von Achieve können das Gefühl des „gemeinsamen Tuns“ und das Erleben von Wirksamkeit stärker motivieren als finanzielle Anreize. Initiativen, die kollektive Identität und gegenseitige Unterstützung fördern, sind robuster, skalierbar und sozial gerechter.
Ein Webinar im Rahmen des Projekts brachte es auf den Punkt. „Es geht nicht nur um Klimaschutz – es geht um Gemeinschaft“, sagte Julia Wegenast. „Wenn Menschen gemeinsame Visionen für ihr Quartier entwickeln, senken sie nicht nur Emissionen. Sie verändern auch, wie sie zusammenleben.“
Gemeinsam zur Klimaneutralität
Mit Blick auf die kommunale Klimaneutralität ist klar: Bürgerbeteiligung ist unverzichtbar. Es braucht nicht nur ambitionierte Ziele, sondern auch Vertrauen, Unterstützung und Mitgestaltung auf lokaler Ebene. Wenn Beteiligung klug gestaltet wird, fördert sie Demokratie, schafft Raum für Kreativität und sorgt dafür, dass Klimaschutzmaßnahmen die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen widerspiegeln. Eine zentrale Erkenntnis lautet: Klimaneutralität gelingt nur mit aktiver Teilhabe der Bürger*innen – das zeigen die Achieve-Ergebnisse deutlich.
Emma Kreipl hat ihre Bachelorarbeit am Öko-Institut geschrieben und arbeitet nun als studentische Mitarbeiterin am Institut. Währenddessen studiert sie Economics im Master an der Universität Münster und der Universität zu Köln. Nicole Coursey ist Innovation-Academy-Stipendiatin und Praktikantin am Öko-Institut. Sie studiert Umweltwissenschaften und Betriebswirtschaft an der University of North Carolina at Chapel Hill. Tanja Kenkmann ist Senior Researcher am Standort Freiburg im Bereich Energie & Klimaschutz. Sie forscht zu kommunalen Klimastrategien und den sozialen Aspekten der Wärmewende.
Weitere Informationen
Ergebnisbericht aus dem Webinar "Cities and Citizens – Partnering for Climate Action"