„Fix und flexibel durchs Fichtelgebirge“

Quelle: FreePik Lizenzfrei
Der Ökonom im Fichtelgebirge
Der Mobilitätsmanager Benjamin Fischer hat im Fichtelgebirge seine Wurzeln. 2023 beschloss er, in den Landkreis zurückzukehren, nach vielen Jahren in Berlin, wo er zuletzt als Projektleiter Verkehrsökonomie bei Agora Verkehrswende arbeitete. „Hier habe ich mich unter anderem mit einer sozialen Verkehrswende und Möglichkeiten, Mobilitätsarmut zu bekämpfen, beschäftigt. Und auch, wenn ich bei Agora natürlich sehr viel Austausch mit Akteur*innen aus der Praxis hatte, ist es nun sehr spannend, zu sehen, wie man das, womit man sich vorher theoretisch beschäftigt hat, im wahrsten Sinne des Wortes auf die Straße bekommt.“ Die Arbeit beim Landkreis Wunsiedel bezeichnet er als „Glückstreffer“.
Der Wandel im Landkreis
Schon Ende der 2010er Jahre entstand im ländlich geprägten Landkreis die Idee für eine breitere Aufstellung in Sachen nachhaltiger Mobilität. „Damals wurde ein Mobilitätskonzept entwickelt, das weit über den klassischen Busverkehr hinausging“, sagt Benjamin Fischer. 2021 etwa startete ein landkreisweites Rufbus-Angebot, 2023 folgten ein Expressbus sowie – als räumlich begrenztes Pilotprojekt – das fichtelflexi, ein modernes On-Demand-Verkehrsangebot. „Gleichzeitig verbesserte sich die Infrastruktur für nachhaltige Mobilität im Kreis – etwa mit Blick auf regionale Radwege oder Teilhabe- und Mobilitätsstationen mit Abstellmöglichkeiten für Fahrräder.“
Die Alternativen im Angebot
Das fichtelflexi ist ein besonders erfolgreiches Mobilitätsangebot im Landkreis Wunsiedel. „Schon wenige Monate nach dem Start war es am Rand der Kapazität. Man müsste über zusätzliche Fahrzeuge nachdenken, um die große Nachfrage zu decken.“ Bei dieser „noch flexibleren, digitalen Schwester des Rufbusses“ können Fahrgäste zwischen 5 und 23 Uhr eine individuelle Verbindung zwischen einer großen Anzahl von Haltestellen buchen – und zwar ohne festen Fahrplan. Außerdem gibt es einen klassischen Rufbus im Landkreis, das fichtelBAXI, das einem festen Fahrplan folgt und bei dem man die Fahrt ebenso vorher buchen muss.
Die Information im Seniorenheim
Bedarfsorientierte Angebote wie das fichtelflexi sind für manche Zielgruppen eine Herausforderung. So etwa für Senior*innen, die es bislang gewohnt waren, einfach zur nächsten Bushaltestelle zu laufen, deren Fahrplan sie seit Jahren kennen. „Bei bedarfsorientierten Angeboten muss man als Fahrgast immer vorher tätig werden, sie können deutlich komplexer als der reguläre Linienverkehr sein. In unserem Fall muss man etwa bei fichtelflexi und fichtelBAXI vorher anrufen, um eine Fahrt zu buchen, oder die Buchung digital per App vornehmen.“
Die Angebote auch älteren Menschen näher zu bringen, ist für Benjamin Fischer und seine Kolleg*innen eine Herausforderung. Und eine, wie er selbst sagt, die sie noch nicht vollumfänglich bewältigen konnten. Aber ebenso eine, der sie nicht aus dem Weg gehen.

Wir gehen in die Kommunen und versuchen, über die Interessenvertreter*innen an die Bürger*innen heranzukommen. Wir erklären, was sich verändert und wie man daran teilhaben kann. Ich gehe gerne dort hin. Es ist nicht nur eine Möglichkeit, in entspanntem Rahmen über den fichtelverkehr – die Dachmarke des Mobilitätsangebots – zu informieren. Sondern gleichzeitig zu hören, welche Bedürfnisse die Menschen haben und vielleicht auch, welche Probleme.
Das tun die Mitarbeiter*innen aus Wunsiedel auch in Seniorentreffs. Durch Pressearbeit, Kommunikation in Social Media und Hinweisschilder an den Haltestellen wird ebenfalls über die neuen Angebote informiert. „Am wirkungsvollsten ist aber die direkte, persönliche Begegnung.“ Damit Menschen mit Migrationshintergrund, die noch kein Deutsch sprechen, die Mobilitätsangebote ebenfalls nutzen können, funktioniert die Homepage inzwischen auch auf Englisch und Tschechisch, denn der Landkreis liegt nicht weit von der tschechischen Grenze entfernt.
Die Jugendlichen im Taxi
Das Mobilitätsteam in Wunsiedel nimmt übrigens nicht nur Senior*innen in den Blick, sondern auch junge Menschen. „Ab 22 bis 23 Uhr wird es selbst bei den bedarfsorientierten Angeboten immer dünner. Wir wollen jungen Menschen ein Grundmaß an Flexibilität, Mobilität und Erschwinglichkeit bieten“, sagt Benjamin Fischer. Daher gibt es den Nightliner, der zu ausgewählten Veranstaltungen fährt, sowie fichtelfifty. „Hier können Jugendliche und junge Erwachsene an Wochenenden und vor Feiertagen Taxis zum halben Preis nutzen. Viele tun sich hier auch zusammen, um das dann gemeinsam bezahlen zu können.“ Auch das fichtelflexi wird übrigens vor allem von jungen Menschen sehr gut angenommen. „Das hat einen schönen Nebeneffekt: Es verbessert den nur begrenzt vorhandenen Charme des ÖPNV im ländlichen Raum.“
Die Löcher im Haushalt
Die flexiblen Mobilitätsangebote im Landkreis werden in naher Zukunft voraussichtlich keinen Zuwachs erfahren. Aber nicht, weil dem Mobilitätsteam die Ideen ausgehen. „Die Haushaltssituation ist schwierig, gleichzeitig sind die Kosten gestiegen, während die ÖPNV-Zuweisungen stagnieren. Derzeit geht es darum, das Aufgebaute zu erhalten.“ Denn es waren auch Einsparungen notwendig. „So haben wir etwa an den Wochenenden abseits der Hauptrelationen komplett auf bedarfsorientierten Verkehr umgestellt“, sagt Benjamin Fischer. „Dadurch konnten wir die Kosten reduzieren, ohne die Angebotsqualität zu stark zu beeinträchtigen.“
fichtelpendler, fichtelcar, fichtelBAXI – wer die Orientierung verloren hat, welche spannenden Angebote es im Landkreis trotz der Herausforderungen gibt, für den hat das Landratsamt ansprechende Erklärvideos produziert. Wer genau hinschaut, kann in ihnen Mitarbeiter*innen aus dem Landratsamt erkennen. Natürlich auch Benjamin Fischer.
Benjamin Fischer ist Mobilitätsmanager im Landkreis Wunsiedel i. Fichtelgebirge. Hier befasst er sich unter anderem mit der Planung und Finanzierung der Mobilitätsangebote sowie entsprechenden Fördermöglichkeiten, aber auch mit Marketing sowie der Kommunikation der Angebote an unterschiedliche Zielgruppen. Zuvor arbeitete der Ökonom als Projektleiter Verkehrsökonomie für Agora Verkehrswende, wo er sich unter anderem mit den sozialen Fragen der Verkehrswende befasste.
Fotocredit: © Landratsamt Wunsiedel i. Fichtelgebirge
Weitere Informationen
Porträt von Benjamin Fischer im Magazin eco@work, Ausgabe Juni 2025
Website: #freiraum Fichtelgebirge