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Erneuerbare Energien gerecht verteilen: ein methodischer Ansatz

Erneuerbare Energien decken bereits dieses Jahr mehr als 50 Prozent des deutschen Strombedarfs. Damit sich dieser Trend fortsetzt und die Energiewende vollständig gelingt, braucht es weiteren Ausbau – mit besseren Prozessen. Dabei stellt sich die Frage: Wie kann der EE-Ausbau regional gerecht und systemisch sinnvoll gestaltet werden?

Das haben wir in dieser und dieser Studie im Rahmen des Projekts EmPowerPlan: Regionale Planung der Energiewende – Partizipation und Gerechtigkeit vor Ort und das große Ganze im Blick untersucht.

Gerechtigkeitsaspekte sichtbar machen

Ein wichtiges Ergebnis: Um erneuerbare Energien (EE) gerecht zu verteilen, gibt es keine perfekte Lösung. Es gilt, verschiedene Gerechtigkeitsaspekte zusammenzubringen und die unterschiedlichen Perspektiven übereinanderzulegen.

Dafür haben wir einen Verteilalgorithmus entwickelt, der verschiedene Gerechtigkeitsvorstellungen repräsentiert und dementsprechend verteilt. Betrachtete Gerechtigkeitsaspekte sind unter anderem eine gleichmäßige Verteilung über die verfügbare Fläche, ein Fokus auf Regionen mit hoher Stromnachfrage oder ein Ausbau, der möglichst entlegen stattfindet und möglichst wenig Menschen direkt betrifft. Gemeinsam ist allen ihre gesellschaftliche Relevanz.

Welche Flächen zuerst genutzt werden sollten

Anschließend wird berechnet, auf welchen Flächen sich die Vorstellungen überschneiden. Diese Fläche, die unabhängig von der vertretenen Gerechtigkeitsvorstellung für den Erneuerbare-Energien-Ausbau genutzt wird, wird als Konsensfläche bezeichnet und sollte für den EE-Ausbau zuerst genutzt werden.

Die im Projekt berücksichtigten Gerechtigkeitsmetriken spiegeln reale Debatten wider. Manche bevorzugen einen Ausbau fern von Wohnsiedlungen, andere fordern eine stärkere Belastung wirtschaftsstarker Regionen oder eine Orientierung an Flächenverfügbarkeit. All diese Vorstellungen wurden in Berechnungsvorschriften übersetzt, mit deren Hilfe ein sogenannter Belastungsgrad ermittelt werden kann.

Eine deutschlandweite Ausbauleistung vorausgesetzt, weist der entwickelte Algorithmus jeder Rasterzelle ihren gerechten Anteil an Erneuerbaren Energie zu. Legt man die verschiedenen EE-Verteilungen, die jeweils einer Gerechtigkeitsvorstellung entsprechen, übereinander, so stellen die entsprechenden Überschneidungen dann Übereinstimmungen in der Ausbauempfehlung dar. Damit sind also Flächen identifiziert, die auf mehrere Gerechtigkeitsvorstellungen zutreffen.

Alle betrachteten Gerechtigkeitsvorstellungen gehen gleichgewichtet in die Analyse der Konsensflächen ein. Dadurch wird vermieden, einer Perspektive implizit Vorrang zu geben. Stattdessen steht die gleichberechtigte Berücksichtigung gesellschaftlich relevanter Vorstellungen im Vordergrund.

Wenn klare Konsensflächen fehlen

Mit diesen methodisch ermittelten Konsensflächen liegt eine Datengrundlage vor, mit der politisch über regionale Ausbauziele diskutiert werden kann. Sie sind anschlussfähig, da nicht nur technische, sondern auch gesellschaftliche Ausbaubedingungen berücksichtigt werden. Dadurch kann die Planung konfliktärmer werden, und auch die unterschiedlichen Prioritäten in der Planung sind transparent.  

Fehlen klare Konsensflächen, weil sich nur wenige Gerechtigkeitsvorstellungen überschneiden, wird deutlich, wo politische Diskussionen notwendig sind und auf welcher Grundlage sie geführt werden können. Die Analyse soll einen Beitrag dazu leisten, Ausbauflächen für erneuerbare Energien gerechter zuzuweisen – also dort, wo unterschiedliche Gerechtigkeitsvorstellungen übereinstimmen.

Sie adressiert jedoch nicht jene Fragen, die über die räumliche Verteilung hinausgehen, aber ebenso zentral für einen gerechten EE-Ausbau sind, etwa:

  • finanzielle Ausgleichsmechanismen
  • soziale Folgewirkungen durch Netzausbau oder Bodenpreise
  • die Frage, wie der Ausbau vor Ort einen spürbaren Beitrag zur lokalen Wertschöpfung und gesellschaftlichen Zufriedenheit leisten kann.

Diese Aspekte wirken unabhängig von der Standortwahl – sie müssen ergänzend zum Flächenausweis diskutiert und gestaltet werden, damit der Ausbau vor Ort als Chance wahrgenommen wird und nicht als zusätzliche Belastung.

Auswirkungen auf das Stromsystem

Um die Auswirkungen verschiedener Gerechtigkeitsmetriken auf das Stromsystem zu analysieren, haben wir die EE-Verteilungen modellgestützt mit dem Strommarktmodell PowerFlex untersucht. Betrachtet wurden dabei unter anderem Effekte auf Strompreise, CO₂-Emissionen und Importbedarf. Die Analysen zeigen:

Bei Windenergie haben unterschiedliche Verteilungen spürbare Auswirkungen auf Stromerzeugung, Systemkosten, Emissionen und Importbedarf.

Bei Freiflächen-Photovoltaik sind die Unterschiede gering – hier lassen sich gesellschaftliche Kriterien wie Landschaftsschutz oder lokale Teilhabe stärker berücksichtigen, ohne die Effizienz zu gefährden.

In das Verhältnis zu den Systemgesamtkosten gesetzt, sind die gerechten Verteilungslogiken tragbar.

Diese datenbasierten Ergebnisse eröffnen politischen und planerischen Spielraum: Sie eignen sich als Grundlage, um weiter über den Ausbau zu diskutieren. Die Standortwahl für erneuerbare Energien hat nicht nur Auswirkungen auf den nationalen Strommarkt, sondern sie wirkt sich auch auf die CO2-Emissionen und Importe der europäischen Nachbarländer aus.

Der Datensatz kann auch für Strommarktmodelle genutzt werden – etwa indem zeitlich gestaffelte Potenzialflächen eingebunden werden, die den Ausbau zunächst auf Konsensflächen lenken, bevor in späteren Jahren konfliktträchtigere Gebiete hinzukommen. So lassen sich Gerechtigkeitsaspekte in modellendogene EE-Ausbaupfade integrieren.

Praxiswirkung in der Region

Konsensflächen können helfen, regionale Ausbauentscheidungen nachvollziehbar zu begründen, breiter abzustützen oder gezielt weiterzuentwickeln.

Die regionalen Ausbauempfehlungen der EE-Regionalisierungen werden in der Praxis erprobt: Sie wurden mit dem Planungsverband Oderland-Spree diskutiert und mit den aktuellen Zielen der Flächenausweisung vor Ort abgeglichen. Vor allem in Bezug auf zukünftige PV-Freiflächen wurde der methodische Ansatz positiv bewertet.

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Dieser Blogbeitrag erschien zuerst am 27. August 2025 bei transforming economies.

 

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