3 Fragen an den Vorstand: Ulrike Schell

© Heinrich Spanier
Um sie noch ein bisschen besser kennenzulernen, haben wir Ulrike drei Fragen gestellt:
Frage 1: Du hast viele Jahre für die Verbraucherzentrale NRW im Bereich Ernährung und Umwelt gearbeitet. Welche Rolle haben dabei Klima- und Umweltschutz gespielt und wie hat sich das über die Jahre verändert?
Als ich Anfang der 1980er Jahre bei der Verbraucherzentrale NRW anfing, spielten Umweltthemen in der Organisation noch keine Rolle. Im Fokus standen eher der rechtliche Verbraucherschutz und die Preise von Lebensmitteln und Konsumgütern. In derselben Zeit begann sich das Bewusstsein für Umweltschutz in der Gesellschaft jedoch zu verändern. Auslöser waren u.a. Waldsterben, Ozonloch sowie Chemieunfälle, die zu Umweltverschmutzung führten. Immer mehr Menschen fragten sich, was sie selbst für mehr Umweltschutz – auch in ihrem privaten Umfeld - tun könnten und forderten gleichzeitig, dass Politik und Wirtschaft ihre Beiträge dazu leisten sollten. Denn alle gesellschaftlichen Bereiche müssen gleichermaßen Verantwortung für ihr Tun übernehmen. Bei den Verbraucherzentralen hat diese Entwicklung zu einem stetigen Aus- und Aufbau von Beratungs- und Informationsangeboten zu Umwelt- und Energiefragen, Klimaschutz und Ressourcenschonung geführt. Dabei wurde bald klar, dass es nicht allein um Handlungsaufforderungen an Verbraucherinnen und Verbraucher oder Warnungen vor bestimmten Verhalten oder Produkten gehen konnte. Es war wichtig – und ist es immer noch – den Menschen den Mehrwert von Umweltschutz, Energiesparen, Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel sowie ökologisch, regional und fair produzierten Lebensmitteln aufzuzeigen. Nicht mit dem erhobenen Zeigefinger oder mit Drohszenarien, sondern mit niedrigschwelligen, sachlichen oder auch mal pfiffigen Informationen und Aktionen, die den Anstoß geben, über das eigene Umweltverhalten sowie die gesellschaftlichen Anforderungen nachzudenken und idealerweise zum Handeln für eine bessere Lebensqualität für alle führen.
Diese Entwicklung wurde im Jahr 2000 durch die Einrichtung eines Strategiebeirats für sozial-ökologische Forschung beim BMBF unterstützt, der die Entwicklung einer transdisziplinären Forschung für Nachhaltigkeit gefördert hat, bei der die Einbindung von Akteurswissen aus der Praxis in besonderer Weise implementiert wurde. Ich hatte die Gelegenheit, die Verbraucherzentralen über viele Jahre in diesem Strategiebeirat zu vertreten. Die Erfahrungen aus dieser spannenden Zeit haben meine Sicht auf die Arbeit bei der Verbraucherzentrale weiterentwickelt. Bei mehreren sozial-ökologischen Forschungsprojekten wurde die Verbraucherzentrale als Praxispartner eingebunden und konnte neue Ideen erproben – mit großem Mehrwert für alle beteiligten Akteure. Diese Erfahrungen kann ich bis heute in meine Vorstandsarbeit beim Öko-Institut einbringen.
Kurz bevor ich im Herbst 2021 in Ruhestand ging, wurde ein von meinem Team und mir konzipiertes Projekt bewilligt, bei dem wir im (ehemaligen) Braunkohlerevier („Rheinisches Revier“) mit Bürgerinnen und Bürgern u.a. sogenannte Citizen Science-Projekte durchführen und die Menschen vor Ort auf diesem Weg mit wissenschaftlicher Unterstützung an der Lösung von Fragen zur nachhaltigen Mobilität oder zur gesunden Ernährung in der Region beteiligen.
Frage 2: Du warst von 1986 bis 1990 bereits im Vorstand des Öko-Instituts. Was hat sich seitdem geändert?
Nun ja. Das ist fast vierzig Jahre her. Das Öko-Institut war wesentlich kleiner. Es gab noch keinen Standort in Berlin. Die großen Themen waren Energiewende, Klimaschutz, Chemiepolitik, Gentechnik, Wasser, Landwirtschaft. Das junge Öko-Institut war schon relativ bekannt und auf dem Weg zu stetigem Wachstum. Ich erinnere mich an intensive Diskussionen im Vorstand und mit den Vertreter*innen der Mitarbeitenden um die nächsten Entwicklungsschritte und Schwerpunktsetzungen für das Institut. Ende der 1980er Jahre gab es zwar schon Fax-Geräte, aber die Vorstandsunterlagen kamen in Paketen per Post. Da sind die digitalen Wege heute doch um einiges leichter, im wahrsten Sinne des Wortes. Die fachlichen Zuständigkeiten der ehrenamtlichen Vorstände mit einzelnen Bereichen bzw. Referaten sind Dank Videokonferenzen heute einfacher, weil für den Austausch nicht jedes Mal eine Reise erforderlich ist. Die dadurch engere Verbindung mit den Mitarbeitenden empfinde ich als großen Vorteil für die ehrenamtliche Vorstandsarbeit.
Frage 3: Neben deiner Vorstandsarbeit widmest du dich ehrenamtlich weiteren umwelt- und gesellschaftspolitischen Initiativen. Wie bleibst du optimistisch und welche Erfahrungen hast du auf lokaler Ebene mit dem Thema Nachhaltigkeit gemacht?
In Düsseldorf engagiere ich mich beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC) für bessere und sicherere Radwege in der Stadt, und bei Mentor – Die Leselernhelfer Düsseldorf will ich Kinder und junge Menschen fürs Lesen, spannende Geschichten und Bücher begeistern.
Auf lokaler Ebene ist die Wirkung nachhaltigkeitspolitischer Maßnahmen für die Menschen unmittelbar sichtbar und spürbar. Es lässt sich zum Beispiel lange über die Notwendigkeit einer Mobilitätswende debattieren. Auf der allgemeinen Ebene wird man sich schnell einig. In der Kommune lässt sich aber nachzählen, wie viele Radwege oder Fahrradzonen tatsächlich „auf die Straße“ gekommen sind. Dafür sind konstruktive Diskurse und eine gute Vernetzung aller gesellschaftlichen Akteure wichtig, um den ewigen „Nein-Sagern“ und Verhinderern – sei es in der Politik oder in der Gesellschaft - etwas entgegenzusetzen. Mir ist es wichtig, dass in diesen lokalen Diskursen nie aus den Augen verloren wird, dass es um Verbesserungen der Lebensqualität für alle Menschen geht. Die Kraft dieser Argumente muss stärker sein als der oft laute Widerstand Einzelner aus rein egoistischen („Not in my backyard“) Motiven.
Für meinen Optimismus halte ich es mit einem alten Motto des Öko-Instituts „Wir können nur hoffen, wenn wir handeln“.