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Den EU-Emissionshandel reformieren

Klimaschutz für den Stromsektor

Im Zuge des European Green Deal hat die Europäische Union ihr Ziel zur Minderung klimaschädlicher Treibhausgasemissionen für das Jahr 2030 von minus 40 auf minus 55 Prozent gegenüber 1990 angepasst. Daher steht auch das Emissionshandelssystem der Europäischen Union (European Union Emissions Trading System, EU ETS) vor einer erneuten Reform. Zu einem Teil der Reformthemen hat das Öko-Institut jetzt eine umfassende Analyse für die Umweltstiftung WWF Deutschland vorgelegt.

Reformbedarf auf verschiedenen Ebenen

Das EU ETS erfasst vor allem die europäische Stromwirtschaft sowie eine Reihe energieintensiver Industriebranchen. Es begrenzt das Niveau der Gesamtemissionen für die erfassten Anlagen mit einer Obergrenze, dem sog. ‚Cap‘, und schafft über die Handelbarkeit der für verschiedene Verpflichtungsperioden ausgegebenen Emissionszertifikate einen Preis für den Ausstoß von Treibhausgasen.

Das EU ETS muss auf verschiedenen Ebenen reformiert werden. Diese Themen reichen von der Anpassung der entsprechenden Emissionsobergrenzen über diverse Marktstabilitätsmechanismen bis hin zu Mindestpreisen und der Schaffung von gezielten Anreizen für die Transformation der Industrie zur Klimaneutralität. Die Untersuchung des Öko-Instituts fokussiert auf die Regelungen, mit denen das neue und völkerrechtlich verbindliche Emissionsminderungsziel der EU für das Jahr 2030 erreicht werden kann.

Emissionsobergrenze muss die Klimaziele unterstützen

Die erste Notwendigkeit zur Modernisierung des EU ETS besteht bezüglich der Frage, wie die Zahl der zukünftig verfügbar gemachten Emissionszertifikate mit Blick auf das neuen Emissionsziel begrenzt werden kann. Dafür werden zwei verschiedene Mechanismen und deren Kombinationen untersucht:

  • Eine einmalige Reduzierung der Emissionsobergrenze (‚Rebasing‘ des Caps). Mit diesem neuen Mechanismus kann das EU ETS schnell auf die neuen Emissionsziele angepasst werden.
  • Eine Anpassung des lineare Reduktionsfaktors (LRF), mit dem bisher die Zahl der verfügbaren Emissionszertifikate Jahr für Jahr reduziert wurde.

Beide Mechanismen interagieren miteinander und sind in ihrer Ausgestaltung auch davon abhängig, zu welchem Zeitpunkt die entsprechenden Anpassungen erfolgen.

Die Analysen der Studie für eine Vielzahl von Kombinationen aus Anpassungszeitpunkten, Rebasing und Anpassungsvarianten für den linearen Reduktionsfaktor kommen erstens zu dem Ergebnis, dass die entsprechende Anpassung so schnell wie möglich erfolgen sollte, um die Klimaschutzwirkungen des EU ETS zu optimieren und die Übergangsprozesse möglichst ohne Brüche vollziehen zu können. Empfohlen wird zweitens ein Rebasing des Caps um 250 Millionen Zertifikate und drittens die Anpassung des Linearen Reduktionsfaktors von derzeit 2,2 auf etwa 4 Prozent.

Überschüssige Zertifikate löschen statt reservieren

Eine Anpassung des Caps ist zwar notwendig, aber für eine zukunftsfeste Reform des EU ETS nicht ausreichend. Denn das EU ETS ist nach wie vor durch einen erheblichen Überschuss an Emissionszertifikaten geprägt. Die Begrenzung bzw. die Beseitigung dieses historisch entstandenen und durch die Corona-Pandemie nochmals vergrößerten Überschusses ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Emissionen im Jahr 2030 auch wirklich auf das angestrebte Minderungsziel begrenzt werden können.

Dazu dient die 2018 geschaffene Markstabilitätsreserve (MSR), die im Lichte der neuen Emissionsminderungsziele ebenfalls grundlegend reformiert werden muss. Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten dieser Reform und der Unsicherheiten bei den Umfeldbedingungen (etwa hinsichtlich der wirtschaftlichen Erholungsprozesse nach der Corona-Krise) ist die Robustheit der Anpassungen für die Marktstabilitätsreserve von herausragender Bedeutung. Vor diesem Hintergrund wurden mehr als 1.300 Kombinationen für mögliche Veränderungen der MSR im Lichte unterschiedlicher Umfeldbedingungen berechnet.

Aus diesen Analysen ergibt sich ein sehr klares Bild, welche der unterschiedlichen Optionen auch zu verlässlichen Emissionsminderungen führen können:

  • Erstens sollte die anteilige Abschöpfung von überschüssigen Emissionszertifikaten (die sog. ‚Intake Rate‘) mindestens auf dem aktuellen Niveau von 24 Prozent fortgeführt bzw. sogar noch erhöht werden.
  • Zweitens sollten die Auslösewerte für diese Abschöpfung (derzeit werden Überschüsse nur oberhalb eines Grenzwertes von 833 Millionen Zertifikaten in die Marktstabilitätsreserve überführt) schrittweise deutlich gesenkt werden bzw. bis zum Jahr 2030 möglichst auf null zurückgeführt, mindestens aber parallel zur Cap reduziert werden.
  • Drittens sollten die in der Marktstabilitätsreserve gehaltenen Zertifikate fünf Jahre nach der Überführung in die MSR endgültig gelöscht werden.

Studie „Raising the Climate Policy Ambition of the European Union. Reforming the European Union Emissions Trading System“ des Öko-Instituts