Umweltgesetzbuch – Vereinheitlichung des deutschen Umweltrechts

Der Versuch, ein einheitliches Umweltrecht in Deutschland zu schaffen, hat eine lange Historie. Erste Vorarbeiten, die vorhandenen einzelnen Fachgesetze zu bündeln und in ein einheitliches Umweltgesetzbuch (UGB) zu überführen, gab es bereits Ende der 1970er Jahre. Den bisher letzten Anlauf nahm in der 16. Legislaturperiode die Große Koalition, die im Koalitionsvertrag 2005 eine entsprechende Reform des Umweltrechts vereinbarte.

Im November 2007 veröffentlichte die Bundesregierung einen ressortabgestimmten Referentenentwurf, der fünf Bücher vorsah: Buch I mit allgemeinen Vorschriften und dem vorhabenbezogenen Umweltrecht, Buch II: Wasserwirtschaft, Buch III: Naturschutz und Landschaftspflege, Buch IV: Nichtionisierende Strahlung, Buch V: Emissionshandel. Daneben wurden Entwürfe für eine Verordnung über die vom UGB erfassten Vorhaben (Vorhaben-Verordnung) und eine Verordnung über Umweltbeauftragte (Umweltbeauftragtenverordnung) vorgelegt. Zusätzlich war ein Einführungsgesetz mit Folgeanpassungen anderer Gesetze sowie mit Übergangsvorschriften vorgesehen. Das Anhörungsverfahren von Verbänden und Bundesländern erfolgte im Sommer 2008 auf der Grundlage überarbeiteter Entwürfe vom 20. Mai 2008.

Für ein progressives Umweltgesetzbuch mit anspruchsvollen Umweltstandards

Das Öko-Institut hatte sich Anfang 2007 mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und dem Unabhängigen Institut für Umweltfragen (UfU) zusammen geschlossen, um das „Projekt UGB“ mit einer Reihe von Veranstaltungen, Hintergrundpapieren sowie der Ausarbeitung fachlicher Positionen kritisch und konstruktiv zu begleiten.

Im Februar 2007 stellten die Expertinnen und Experten der drei Institutionen ein gemeinsames Positionspapier unter dem Titel „Anspruchsvolle Umweltstandards, modernes Umweltrecht – für ein progressives Umweltrecht“ vor. Ein Umweltgesetzbuch sei kein Selbstzweck, betonten das Öko-Institut und seine Partner. Das aufwändige Reformwerk sei vielmehr nur dann sinnvoll, wenn im Ergebnis ein qualitativer Mehrwert für Umwelt-, Klima- und Naturschutz sowie die Lebensqualität in Deutschland herauskomme. Es dürfe sich weder auf eine Bündelung des bestehenden Umweltrechts beschränken, noch allein auf eine integrierte Vorhabengenehmigung konzentrieren. Insbesondere müssten sich auch Maßnahmen für einen wirksamen Klimaschutz sowie zur Erhaltung der Biodiversität in einem UGB wiederfinden. Sie reagierten mit diesem Papier auch auf Stimmen aus Wirtschaft und Politik, die im Windschatten der übersichtlicheren Ausgestaltung des zersplitterten Umweltrechts vor allem eine Senkung der bereits erreichten Umweltstandards in Deutschland verfolgten.

Im Juni 2008 nahmen die Projektpartner im Rahmen der Länder- und Verbändeanhörung dann umfassend Stellung zu den vorgelegten Gesetz- und Verordnungsentwürfen. Sie kritisierten, der Entwurf enthalte zwar gelunge Elemente, fasse jedoch in weiten Teilen lediglich den Status quo des geltenden Rechts zusammen oder falle teilweise sogar dahinter zurück. Durch Ausklammerung einiger Bereiche werde zudem der Anspruch auf die Regelung aller wesentlichen umweltrelevanten Tätigkeiten von vornherein aufgegeben. Der Entwurf sei an zentralen Stellen unzureichend, auch wenn man ihn an den von der Bundesregierung selbst verabredeten internationalen und nationalen Zielsetzungen im Umweltschutz messe.

Chance auf ein integriertes Umweltrecht bis auf weiteres vertan

Obwohl das Projekt von 2005 bis Ende 2008 weiter gediehen war als bei allen vorherigen Anläufen, scheiterte es an Unstimmigkeiten innerhalb der Koalition und dem Widerstand der bayerischen Landesregierung. Die Gründe blieben letztlich undurchsichtig. Besonders unter Beschuss geraten war die integrierte Vorhabengenehmigung (IGV) im UGB I, deren Ziel es sein sollte, ein einfaches und schnelleres Genehmigungsverfahren für Vorhaben (Anlagen) zu schaffen. Am 1. Februar 2009 verkündete Bundesumweltminister Sigmar Gabriel das endgültige Scheitern.

Bereits kurz danach leitete das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ressortabstimmungen zu Einzelgesetzen ein: eine Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes und ein Gesetz zur Neuregelung des Wasserrechts. Diese und andere Teile der im Umweltgesetzbuch vorgesehenen Regelungen wurden in der Folge als Einzelgesetze verabschiedet. Auch wenn dies die verpasste Chance der Schaffung eines deutschen Umweltrechts aus einem Guss nicht ersetzen konnte, begrüßte das Öko-Institut die Verabschiedung dieser Gesetze, da auf diesem Weg die Risiken einer Rechtszersplitterung bzw. Rechtsunsicherheiten durch abweichendes Länderrecht wenigstens minimiert wurden.

Die Schaffung eines Umweltgesetzbuchs steht heute nach Aussage des Umweltministeriums nicht mehr auf der politischen Tagesordnung. Aus Sicht des Öko-Instituts ist es mehr als bedauerlich, dass mit dem Scheitern 2009 auf derzeit unabsehbare Zeit die Chance vertan wurde, das zersplitterte Umweltrecht in Deutschland zu reformieren und Antworten auf die drängenden Umweltprobleme zu geben, insbesondere den Klimaschutz, den Flächenverbrauch und den Verlust an Biodiversität. Gerade in den vorgenannten umweltpolitischen Feldern besteht auch heute noch hoher Handlungsbedarf. Dieser sollte durch Regelungen angegangen werden, die Wirkung in allen „Umweltmedien“ – also Luft, Wasser, Böden etc. – berücksichtigen und insbesondere Kumulations- oder Verlagerungseffekte von Schadstoffen von einem Medium in das andere vermeiden.

Weiterführende Informationen

Pressemitteilung „Umweltgesetzbuch muss „qualitativen Mehrwert“ für Umwelt, Klima und Natur schaffen“ von Öko-Institut, Deutsche Umwelthilfe und Unabhängiges Institut für Umweltfragen (27. Februar 2007).

Positionspapier „Anspruchsvolle Umweltstandards, modernes Umweltrecht – für ein progressives Umweltgesetzbuch“ von Öko-Institut, Deutsche Umwelthilfe und Unabhängiges Institut für Umweltfragen (Februar 2007).

Hintergrundpapier „Anspruchsvolle Umweltstandards, modernes Umweltrecht – für ein progressives Umweltgesetzbuch. Herausforderungen, Zielsetzungen und Rahmenbedingungen eines Umweltgesetzbuchs“ von Öko-Institut, Deutsche Umwelthilfe und Unabhängiges Institut für Umweltfragen (Februar 2007).

Stellungnahme des Öko-Instituts, der Deutschen Umwelthilfe und des Unabhängigen Instituts für Umweltfragen im Rahmen der Länder- und Verbändeanhörung zu den Gesetz- und Verordnungsentwürfen des Umweltgesetzbuchs (16. Juni 2008).