
Klimaschutz- und Energierecht: Rechtswissenschaftliche Expertise für eine ambitionierte Klimapolitik
Im Rahmen der Klimarahmenkonvention hat sich Deutschland 2015 in Paris dazu verpflichtet, die Treibhausgasemissionen deutlich zu reduzieren. Ohne ehrgeizige Anstrengungen zur CO2-Reduktion ist eine Begrenzung der globalen Klimakrise auf einen Temperaturanstieg deutlich unter zwei Grad Celsius, möglichst auf 1,5 Grad Celsius, nicht zu schaffen.
Konkretisiert hat die deutsche Bundesregierung die Minderungsziele im November 2016 mit dem sogenannten „Klimaschutzplan 2050“, der das mittelfristige Zwischenziel einer Treibhausgasminderung um 55 Prozent bis 2030 gegenüber dem Niveau von 1990 vorgibt. Zudem wurden entsprechende Minderungsziele für die einzelnen Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft sowie Abfallwirtschaft festgelegt.
Politik und Gesellschaft diskutieren derzeit intensiv über ein Klimaschutzgesetz sowie über konkrete Maßnahmen für die einzelnen Sektoren, damit zukünftig sichergestellt ist, dass Deutschland seine Klimaziele wieder einhält. Als sektorübergreifende Maßnahmen soll zudem eine CO2-Bepreisung die Zielerreichung unterstützen.
Rechtliche Werkzeuge im Vorfeld der Gesetzgebung
Die Rechtswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler des Öko-Instituts arbeiten seit vielen Jahren im Energie- und Klimaschutzrecht, um entsprechende Maßnahmen zu analysieren, zu entwickeln und auszuarbeiten. Hierbei ist es oft erforderlich zunächst den rechtlichen Regelungsbedarf zu ermitteln, die rechtlichen und politischen Regelungsspielräume auszuloten und geeignete Regelungswege zu identifizieren.
Klimaschutzmaßnahmen müssen mit höherrangigem Recht – insbesondere europäischem Recht und Verfassungsrecht – vereinbar sein und so ausgearbeitet werden, dass sie sich in den bestehenden Rechtsrahmen einfügen lassen. Zudem sind ökonomische und sozialwissenschaftliche Rahmenbedingungen zu berücksichtigen.
Letztlich geht es darum, Vorschläge zu entwickeln, die nicht nur rechtlich möglich sind sondern auch in der Sache sinnvoll, wirksam, möglichst effizient und für die unmittelbar und mittelbar Betroffenen zumutbar.
Juristische Beratung von Landes- bis EU-Ebene
Zentrale Themen des Öko-Instituts waren unter anderem Rechtsfragen des Kohleausstiegs und eines Klimarahmengesetzes, eine wirkungsvolle und sozial verträgliche CO2-Bepreisung, Reformen des Europäischen Emissionshandels sowie Maßnahmen für mehr Klimaschutz im internationalen Schiffs- und Luftverkehr.
Die Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtswissenschaftler befassen sich zudem mit dem Bergrecht und dem Recht des außerbergrechtlichen Rohstoffabbaus sowie der produktbezogenen Regulierung (z.B. Reparaturanforderungen im Rahmen der Ökodesign-Richtlinie 2009/125/EG). Zudem setzen sie sich mit Rechts- und Vollzugsfragen des geplanten Gebäudeenergiegesetzes auseinander, welches die Energieeinsparverordnung und das Erneuerbare-Wärme-Gesetz zusammenführen soll.
Juristinnen und Juristen des Öko-Instituts unterstützen regelmäßig Ministerien des Bundes und der Länder, insbesondere das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) sowie das Umweltbundesamt (UBA), mit Kurzgutachten und Stellungnahmen, entwickeln eigene Ausgestaltungsideen und wirken dadurch am Prozess der Klimaschutzgesetzgebung mit.
Begutachtung der rechtlichen Rahmenbedingungen eines Kohleausstiegs sowie Ausgestaltungsmöglichkeiten einer CO2-Bepreisung
Im Auftrag des Umweltbundesamtes beschäftigten sich Juristinnen und Juristen des Öko-Instituts gemeinsam mit Prof. Stefan Klinski mit dem rechtlichen Rahmen eines Kohleausstiegs sowie mit Fragen zur Energiebesteuerung. Insbesondere sollte untersucht werden, wie diese so gestaltet werden kann, dass sie zu einer Dekarbonisierung der Stromwirtschaft beiträgt.
Nach derzeitigem Recht werden zur Stromerzeugung verwendete Energieprodukte, wie Kohle, Öl und Gas, regelmäßig nicht besteuert. Das Endprodukt Strom ist hingegen seit 1999 mit der Stromsteuer belastet – auch wenn der Strom aus regenerativen Quellen stammt. In dem Projekt wurden die europa- und finanzverfassungsrechtlich Anforderungen einer Umgestaltung der Besteuerung untersucht, um durch sie eine stärkere klimapolitische Lenkungswirkung zu entfalten.
Die Gutachter kamen zum Ergebnis, dass eine gleichzeitige Besteuerung sowohl der für die Stromerzeugung eingesetzten fossilen Energieträger als auch des erzeugten Stroms weder finanzverfassungsrechtlich noch europarechtlich überzeugenden Bedenken begegnet.
Darüber hinaus könnten die Steuertarife nach klimapolitischen Gesichtspunkten gestaffelt werden. Mit einer Staffelung anhand des CO2-Gehalts der Energieträger würde insbesondere die problematische Kohleverstromung zunehmend aus dem Markt gedrängt. Dies wäre nicht nur rechtlich zulässig, sondern klimapolitisch ohnehin geboten.
Beratung für die Ausgestaltung der Klimaschutzgesetzgebung
Ein weiteres Beispiel der juristischen Begutachtung ist das Kurzgutachten über die „Erweiterungen des steuer- und abgabenrechtlichen Gestaltungsspielraums für Klimaschutzinstrumente im Grundgesetz“. Die Studie arbeitet auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) heraus, wo die teilweise sehr engen Grenzen für finanziell ansetzende Klimaschutzinstrumente in Deutschland liegen.
Die Juristinnen und Juristen des Öko-Instituts legen dar, in welchen Punkten Änderungen des Grundgesetzes sinnvoll sein können, um das politisch-rechtliche Steuerungsinstrumentarium zu erweitern. Ziel ist es, dass der Gesetzgeber bessere Möglichkeiten hat, klimabelastendes Handeln (insbesondere den CO2-Ausstoß) mit Abgaben zu belegen oder andere Anreizsysteme – beispielsweise nach dem „Bonus-Malus-Prinzip“ – einzuführen, wie es in vielen anderen Ländern selbstverständlich ist.
Klimaschutz versus Mieterschutz?
Bei einem Kurzgutachten zu Mieterstrom und Mieterwärme im Auftrag des BMU geht es darum, den Einsatz von erneuerbaren Energien in Wohngebäuden zu fördern. Bei Mietwohngebäuden tangieren die bestehenden Regelungen Grundsatzfragen des Miet- und Betriebskostenrechts. So ist es nach dem Mieterstromgesetz von 2017 möglich, auf Mietwohngebäuden erzeugten Solarstrom direkt an die Mieterinnen und Mieter zu verkaufen, so dass auch diese an der Energiewende teilhaben können.
Zu begutachten war die Fragestellung, ob es rechtlich möglich ist, dass der Strom nicht separat über einen Stromliefervertrag sondern als mietrechtliche Betriebskosten abgerechnet wird.
Dies ist rechtlich nicht möglich, denn bei Erträgen aus geliefertem Mieterstrom handelt es sich nicht um mietrechtliche Betriebskosten. Eine entsprechende gesetzliche Deklarierung wäre ein systemfremder Eingriff in den Betriebskostenbegriff.
Das Europarecht legt zudem fest, dass es Mietern freisteht, ihren Stromlieferanten zu wählen, was durch eine Deklaration als Betriebskosten nicht eingeschränkt werden kann. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die Komplexität der Betriebskostenabrechnung deutlich zunehmen würde. Aus diesen Gründen wäre eine entsprechende Abrechnung nicht empfehlenswert.
Das Vermieter-Mieter-Dilemma
In dem zweiten Teil des Gutachtens geht es um die Abrechnung von Wärme aus erneuerbaren Energien gegenüber Mieterinnen und Mietern („Mieterwärme“). Bei der Modernisierung von Heizungsanlagen zur Erzeugung erneuerbarer Wärme entstehen oft hohe Investitionskosten, während die Betriebskosten danach niedrig sind, da ja nur noch geringe Brennstoffkosten anfallen. Das Vermieter-Mieter-Dilemma wirft die Frage auf, wer welche Kosten zu tragen hat, beziehungsweise wie sie umzulegen sind.
Über die Modernisierungsumlage können die Investitionskosten auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden. Nicht immer profitieren diese jedoch von sinkenden Heizkosten, so dass sich die gesamte Warmmiete nach einer Sanierung erhöhen kann. Das Gutachten sollte die Frage klären, ob es möglich ist, Teile der Investitionskosten der Erneuerbare-Energien-Anlage wie laufende Betriebskosten abzurechnen.
Die Gutachter erörterten die Ausgangslage, die in Frage kommenden Technologien, den Anwendungsbereich, die Vermeidung einer Doppelbelastung für Mieterinnen und Mieter sowie die Möglichkeiten zur Preisregulierung und kamen zum Schluss, dass es auf gesetzlicher Ebene möglich sei, den Betriebskostenbegriff zu modifizieren. Um jedoch zusätzliche Belastungen für Mieterinnen und Mieter zu vermeiden – und damit die Akzeptanz für die Energiewende zu gefährden – sollten Neuregelungen sehr behutsam angegangen werden. Zudem seien noch weitere Fragen zu klären.
Gutachten „Abrechnung von Mieterstrom und Mieterwärme“ im Auftrag des BMU