
Deutschland, Europa, global: Primärrohstoffe gewinnen und verarbeiten
Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland sind abhängig von Primärrohstoffen. Kies, Sand und Natursteine sowie andere Baustoffe stecken in unseren Gebäuden. Industrie und Produktionsprozesse, Infrastrukturen und Elektromobilität – sie alle verursachen eine immense Nachfrage nach Rohstoffen, beispielsweise Eisenerz oder Kobalt. Von einer nachhaltigen Gewinnung und Verwendung dieser Ressourcen kann bislang aber nicht die Rede sein. Notwendig ist eine Rohstoffwende – die analog zur Energiewende auch die Rohstoffversorgung auf eine nachhaltige Basis stellt.
Deutschland verfügt selbst kaum über metallische Rohstoffe, auch in Europa werden gegenwärtig nur wenige Vorkommen abgebaut. Während die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen schon innerhalb Europas oft gravierende Schäden für Menschen und Umwelt mit sich bringt, ist sie in den Entwicklungs- und Schwellenländern mit noch größeren sozialen und ökologischen Folgen verbunden. Es besteht zum Teil kein oder nur ein rudimentärer Arbeitsschutz, giftige Stoffe gelangen ungefiltert in Böden und Trinkwasser.
Daher müssen die europäischen Länder ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen und eine nachhaltige Rohstoffbeschaffung fördern. Zunehmend spielen in der deutschen, europäischen und auch internationalen rohstoffpolitischen Debatte die Umweltauswirkungen bei der Gewinnung sowie die soziale und sozio-ökonomische Verbesserung der Situation vor Ort eine Rolle. Rohstoffpolitik und Ressourcenschutz müssen dabei Hand in Hand gehen.
Beim schonenden Umgang mit den natürlichen Ressourcen spielen verschiedene Ansätze eine Rolle: Da unterschiedliche Rohstoffe unterschiedliche Problematiken aufwerfen, sind rohstoffspezifische Ziele notwendig (mehr dazu hier). Eine Konzentration auf die Rohstoffgewinnung alleine reicht jedoch nicht aus. Für eine nachhaltige Ressourcenpolitik ist Recycling unabdingbar. Auch bei der Kreislaufwirtschaft steht einerseits der Umgang damit im nationalen und internationalen Rahmen im Fokus (mehr dazu hier), andererseits ist die Konzentration auf die stofflichen Aspekte wichtig (mehr dazu hier).
Rohstoffgewinnung in Deutschland
Die Gewinnung nicht-nachwachsender Rohstoffe ist in Deutschland vor allem durch das Bundesberggesetz (BBergG) geregelt. Dieses umfasst Auflagen, die erfüllt sein müssen, damit bergbauliche Betriebe genehmigt werden. Dazu zählen Umweltschutzbelange, Vorgaben für eine Renaturierung und die Interessen der Anwohnerinnen und Anwohner.
Dennoch gehen auch in Deutschland durch die Rohstoffgewinnung Landschaften und Ökosysteme verloren – am drastischsten sichtbar wohl beim Braunkohletagebau. Doch auch der Abbau von Kies, Sand und anderen Baumaterialien und die Gewinnung von Mineralen für die Chemie- und Düngemittelindustrie, wie Steinsalz, Kalisalze, Quarzsand und -kies oder Flussspat, sind mit Umweltschäden verbunden. Daher zielt Umweltpolitik darauf, die Ressourcen sparsamer zu verwenden.
Ansätze zur Ressourcenschonung in der Verwendung
In Deutschland versuchte die Bundesregierung im Jahr 2012 mit dem Deutschen Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess) Leitlinien für einen umweltschonenderen Umgang mit Primärrohstoffen zu entwickeln. Dessen Fortschreibung ProgRess II von 2016 betrachtet Material- und Energieströme gemeinsam. Der Entwurf der weiteren Fortschreibung ProgRess III wurde im Dezember 2019 veröffentlicht und befindet sich nach den Stellungnahmen der Bundesländer und Verbände derzeit in der Abstimmung.
Zentral ist in den Leitlinien die Betonung der globalen Verantwortung, an der sich die nationale Ressourcenpolitik orientieren soll. Umweltbelastungen, wie Treibhausgasemissionen, die Zerstörung von Ökosystemen, der Verlust an Biodiversität und Schadstoffeinträge in Böden, Wasser und Luft, aber auch negative soziale und ökonomische Auswirkungen müssen möglichst minimiert werden. Um den Bedarf an Primärrohstoffen zu reduzieren, ist es notwendig, die Ressourceneffizienz in der Produktion zu steigern, Produkte und Konsum ressourcenschonender zu gestalten und eine ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft aufzubauen.
Maßnahmen nicht ausreichend – Zuständigkeiten unklar
Sowohl der Sachverständigenrat als auch Umweltverbände kritisieren ProgRess II als nicht ausreichend und zu unkonkret. Die vorgeschlagenen Maßnahmen und Instrumente blieben hinter dem Handlungsbedarf zurück. Und auch Progress III ist ersten Stellungnahmen zufolge nicht ausreichend, um die dringend notwendige Wende hin zu einer absoluten (und nicht nur relativ zum Wirtschaftswachstum betrachteten) Minderung des Ressourcenverbrauchs zu schaffen.
Die Zuständigkeiten für die verschiedenen Maßnahmen und Instrumente liegen in Deutschland auf unterschiedlichen Ebenen. Beispielsweise sind für Bau und Instandhaltung von Infrastrukturen oft die Kommunen, teils auch die Bundesländer zuständig. Sie können Vorgaben zu rohstoffsparendem Bauen und ressourceneffizienten Infrastrukturen machen und Impulse setzen. Jedoch ist die Rahmensetzung auf Bundesebene hier entscheidend. Für die Steigerung der Ressourceneffizienz muss dieser Rahmen mutiger gestaltet werden. Die Bundesebene ist zudem für strategische Entwicklungen bei zahlreichen Rohstoffen und die Kontrolle globaler Lieferketten verantwortlich.
Europa setzt auf Rohstofftransparenz
Seit 1997 ist die umsichtige Verwendung natürlicher Rohstoffe im EU-Vertrag verankert. In der Europa 2020-Strategie der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2010 stellt der Ressourcenschutz eine der sieben Leitinitiativen dar. Dabei setzt die EU auf europaweite Maßnahmen zur Verbesserung von Kreislaufwirtschaft und Recycling. Ein wichtiger Aspekt ist die Stärkung von Ressourcenaspekten im Produktdesign (Ecodesign-Richtlinie).
Im europäischen Green Deal aus dem Jahr 2019 nimmt der Ressourcenschutz eine wichtige Rolle ein. Eine nachhaltige Produktionspolitik soll dazu führen, dass Produkte mit weniger Materialaufwand hergestellt werden. Zentral ist in der Industriepolitik auch die Kreislaufwirtschaft, zu der die Europäische Kommission einen Aktionsplan vorgelegt hat.
Europa muss global Verantwortung übernehmen
Global nimmt die Europäische Union vor allem die negativen sozialen Auswirkungen der primären Rohstoffgewinnung von bestimmter Mineralen in den Blick. Beispielsweise werden Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold oft in Krisenregionen gewonnen. Die Erlöse aus dem informellen Kleinbergbau fließen nicht selten in die Finanzierung von bewaffneten Konflikten. 2017 hat die EU daher eine Verordnung zur Gewinnung von Konfliktmineralen erlassen, die von europäischen Unternehmen eine Sorgfaltspflicht für ihre Lieferketten fordert.
In einem nächsten Schritt ist geplant, die Verordnung auf andere Rohstoffe auszuweiten und die Umweltauswirkungen noch stärker in den Fokus zu rücken. Insgesamt ist die Rolle der EU in internationalen Abkommen und Verhandlungen von Bedeutung. Macht sie sich für eine schonende Ressourcennutzung stark, hat dies Einfluss auf andere Weltregionen.
Internationale Leitsätze
Die EU-Verordnung zu verantwortungsvollen Lieferketten basiert wiederum auf Leitsätzen, welche die internationale Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) entwickelt hat. Unternehmen, die Minerale aus Konfliktgebieten einführen, müssen:
- ein solides Unternehmensmanagementsystem aufbauen,
- Risiken entlang der Lieferkette ermitteln und bewerten,
- eine Strategie zur Risikobekämpfung gestalten und umsetzen,
- unabhängige Audits durch Dritte zu ihren Sorgfaltspflicht-Aktivitäten durchführen und
- jährlich Bericht zur Erfüllung ihrer Sorgfaltspflicht erstatten.
Ab dem 1. Januar 2021 ist die Verordnung auch für kleine und mittlere Unternehmen verbindlich. Das kontrollierende Organ in Deutschland ist die Deutsche Kontrollstelle EU-Sorgfaltspflichten in Rohstofflieferketten (DEKSOR) innerhalb der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR).
Das Öko-Institut hat mit Partnern für die Europäische Kommission das Portal „Due Diligence Ready!“ entwickelt. Es dient dazu, Unternehmen bei der verantwortungsvollen Beschaffung von Mineralen und Metallen zu unterstützen. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind von der EU-Verordnung betroffen. Das Portal soll ihnen dabei helfen, ihrer Sorgfaltspflicht als Unternehmen effektiv nachzukommen.
Die ökologischen Grenzen der Primärrohstoffgewinnung: das Projekt ÖkoRess
Im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts, des ifeu-Instituts und der Projekt-Consult GmbH eine Methode zur Bewertung der Umweltgefährdungspotenziale bei der Gewinnung abiotischer Primärrohstoffe entwickelt. Ziel war es, die Rohstoff- und Ressourcenpolitik in Hinblick auf eine umweltverträglichere Rohstoffentnahme, Rohstoffversorgung und Rohstoffnutzung zu unterstützen.
Wo liegen die planetaren Grenzen, wo die kritischen Belastungsschwellen für wichtige globale Ökosysteme? Denn oft sind es nicht begrenzte Lagerstätten für begehrte Rohstoffe, sondern die mit ihrem Abbau verbundenen Beeinträchtigungen von Mensch und Umwelt, welche die Verfügbarkeit limitieren.
Insgesamt untersuchte das Forschungsteam für das Projekt 40 Fallbeispiele zu Bergbauvorhaben, entwickelte anhand derer eine standortbezogene Bewertungsmatrix und testete sie. Basierend auf den Erkenntnissen der Standortbewertungen entstand ein rohstoffbezogenes Bewertungsmodell am Beispiel von fünf Rohstoffen. Dieses Modell stellt den in Kritikalitätsanalysen berücksichtigten Aspekten des Versorgungsrisikos Umweltgefährdungspotenziale des Bergbaus und die Vulnerabilität, also Verwundbarkeit, des rohstoffnutzenden Systems gegenüber.
Im Rahmen des Folgeprojekts ÖkoRess II wurden insgesamt mehr als 50 Rohstoffe mit der rohstoffbezogenen Methode bewertet. Aktuell wird in ÖkoRess III die standortbezogene Methodik an 100 Abbaustandorten der Massenmetalle Kupfer, Eisen und Aluminium durchgeführt.
Strategischer Dialog zur nachhaltigen Rohstoffgewinnung: das Projekt STRADE
Für das Horizon-2020-Programm der Europäischen Kommission arbeiteten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts mit verschiedenen Partnern im Projekt „Strategic Dialogue on Sustainable Raw Materials for Europe (STRADE)“.
Dabei brachte das Projekt Wissenschaft, praktische Erfahrung, Gesetzgebung, Best-Practice-Technologien und Know-how in folgenden Gebieten zusammen:
- Stärkung des europäischen Rohstoffsektors
- Entwicklung einer kooperativen Strategie für rohstoffreiche Länder
- Nachhaltige Produktion von und Versorgung mit Rohstoffen auf einer globalen Basis
Das Forschungsteam führte innerhalb von drei Jahren zahlreiche Dialoge und Workshops in Europa, Südafrika, China und Lateinamerika durch und erarbeitete so Empfehlungen an die Politik, wie sich europäische und nicht-europäische Länder zukünftig über eine sichere und nachhaltige Rohstoffversorgung verständigen können.
Broschüre „Towards New Paths of Raw Material Cooperation – Renewing EU Partnerships“
RE-SOURCING: Aufbau einer Plattform für Ressourcenschutz
Aufbauend auf dem Projekt STRADE baut nun ein Konsortium von zwölf Projektpartnern, koordiniert vom Institut für Nachhaltigkeitsmanagement an der Wirtschaftsuniversität Wien, eine internationale Plattform für einen verantwortungsvollen Umgang mit Rohstoffen auf. Im Projekt „RE-SOURCING – A Global Stakeholder Platform for Responsible Sourcing“ geht es darum, internationale Fachleute zu vernetzen, Informationen und Erfahrungen auszutauschen und so die globale Wissensbasis zu vergrößern.
Zudem versuchen die Expertinnen und Experten, eine global akzeptierte Definition für nachhaltige Rohstoffgewinnung zu entwickeln und dies in einer verantwortungsvollen Beschaffung zu verankern. Die Projektpartner haben sich zum Ziel gesetzt, das Thema immer wieder in die politische Debatte zu bringen und auf globaler Ebene eine ökologisch und sozial nachhaltige Unternehmensführung anzustoßen.