
Deutschland, Europa, global: Kreislaufwirtschaft für eine nachhaltigere Rohstoffverwendung
Rohstoffe sind eine begrenzte Ressource – in Deutschland, Europa und global gesehen. Zudem ist die Art, wie wir Rohstoffe gewinnen und Materialien nach Gebrauch entsorgen, häufig mit großen Schäden für Mensch und Umwelt verbunden. Umso wichtiger ist es, Abfälle als wertvolle Ressource zu betrachten und eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft (circular economy) aufzubauen.
In einem nachhaltigen System steht die Müllvermeidung an oberster Stelle. Es gilt, Produkte so lange wie möglich zu nutzen. Erst dann kommt die Verwertung: trennen, sammeln und recyceln. Ganz am Ende des möglichst geschlossenen Kreislaufs folgt die Beseitigung oder Deponierung. Auch diese sollte so erfolgen, dass Mensch und Natur nicht beeinträchtigt werden.
Die Wiederverwertung von Materialien durch Recycling erfolgt jedoch auch mit umweltschädlichen Verfahren. Gerade in den Ländern des globalen Südens verarbeiten Menschen unter gesundheitsschädlichen Bedingungen ohne jegliche soziale Absicherung den Wohlstandsmüll des reichen Nordens.
Wichtig für eine umweltfreundliche und sozial gerechte Kreislaufwirtschaft sind daher Regularien auf nationaler, europäischer und globaler Ebene. Die gesetzlichen Grundlagen sind Thema dieses Textes. Stoffspezifische Aspekte sind beim Recycling ebenfalls relevant (mehr dazu hier). Darüber hinaus ist es für ein umfassendes Verständnis von Ressourcenschutz notwendig, Primärrohstoffe nachhaltig zu gewinnen (mehr dazu hier) und auch hier stoffspezifische Besonderheiten im Blick zu haben (mehr dazu hier).
Deutschland: das Kreislaufwirtschaftsgesetz
Die Abfallwirtschaft in Deutschland hat sich seit der Verabschiedung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes im Jahr 1996 die Hierarchie „Vermeiden vor Verwerten vor Beseitigen“ zur Maxime gemacht. Dies bedeutet: Abfälle sollen zunächst bestmöglich vermieden, entstehende Reststoffe dann umfassend stofflich und energetisch verwertet und verbleibende Reste schließlich „gemeinwohlverträglich“ beseitigt werden.
Eine Novellierung aus dem Jahr 2012, die eine Harmonisierung auf europäischer Ebene anstrebte, führte zum Kreislaufwirtschaftsgesetz, das prinzipiell die gleichen Ziele hat. Die jüngste Novelle geht jedoch weit darüber hinaus und wurde am 12. Februar 2020 im Bundeskabinett verabschiedet. EU-Richtlinien, wie die Verpackungsrichtlinie, die Elektroaltgeräterichtlinie, die Batterierichtlinie, die Altfahrzeugrichtlinie und die Deponierichtlinie müssen von Deutschland und den anderen Mitgliedsstaaten dann in nationales Recht umgesetzt werden.
Umweltverbände kritisieren indes, dass entscheidende Vorgaben für Unternehmen und die öffentliche Hand noch fehlen: beispielsweise ein verpflichtender Anteil an recycelten Materialien, so genannten Recyclaten, in der Produktion, ein ambitioniertes Abfallvermeidungsziel oder deutlich höhere Recyclingquoten. Auch die öffentliche Hand könnte stärker darauf festgelegt werden, Abfälle zu vermeiden und beim Einkauf auf Recyclingmaterialien zu setzen.
Europa: auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft
Als europäisches Ziel findet sich der Ressourcenschutz in der 2010 beschlossenen „Strategie Europa 2020“. Als eine der sieben Leitinitiativen ist ein „ressourcenschonendes Europa“ ausdrücklich benannt. Das 2018 in Kraft getretene EU-Legislativpaket zur Kreislaufwirtschaft beinhaltet Novellierungen wesentlicher abfallrechtlicher Regelungen und wurde im obengenannten deutschen Kreislaufwirtschaftsgesetz in nationales Recht umgesetzt.
Daten, inwieweit die Länder die gesteckten Ziele auch erreichen, liefert EUROSTAT mit Sitz in Luxemburg. Das Amt verantwortet europäische Statistiken, darunter zwei sogenannte Umweltdatencenter. Sie überprüfen, ob die unterschiedlichen Abfallströme in den Ländern ausreichend getrennt erfasst und angemessen behandelt werden, ob den Anforderungen an die Herstellerverantwortung auch tatsächlich nachgekommen wird und ob die politischen Maßnahmen im Abfallsektor wirksam sind.
Im „Green Deal“: Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft
Der europäische „Green Deal“ mit dem übergeordneten Ziel, bis zum Jahr 2050 ein klimaneutrales Europa zu erreichen, legt einen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft (Circular Economy Action Plan) als Teil einer umfassenderen Industriestrategie für die europäischen Staaten vor.
Der Aktionsplan schlägt Rechtsvorschriften für eine nachhaltige Produktpolitik vor. Produkte sollen langlebig, leichter wiederverwendbar, gut zu reparieren und recycelbar sein. Zudem sollen sie einen größtmöglichen Anteil recycelter Materialien anstelle von Primärrohstoffen enthalten. Einwegprodukte und der mit ihnen einhergehende Plastikmüll sollen eingeschränkt werden. Ziel ist die Reduktion der Abfallmenge durch konsequente Müllvermeidung.
Auch Verbraucherinnen und Verbraucher sollen gestärkt werden, beispielsweise durch bessere Informationen oder ein „Recht auf Reparatur“. In der Industrie setzen die Maßnahmen in Branchen an, in denen ein hohes Potenzial für die Kreislaufwirtschaft besteht oder die besonders viele Rohstoffe verbrauchen: beispielsweise Elektronik und IKT, Batterien und Fahrzeuge, Verpackungen, Kunststoffe, Textilien, Bauwesen und Gebäude oder Lebensmittel.
Global: das Basler Übereinkommen
Global war in Hinblick auf die Verantwortung für die in den Industriestaaten erzeugten Abfälle das „Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung“ wegweisend. Das Übereinkommen ist am 5. Mai 1992 in Kraft getreten, Deutschland ist am 20. Juli 1995 als Vertragsstaat beigetreten.
Die Konvention regelte erstmals weltweit die Exporte gefährlicher Abfälle. Sie schreibt Kontrollen vor, wobei sowohl das Ausfuhrland, das Einfuhrland als auch sämtliche Durchfuhrländer einer grenzüberschreitenden Abfallverbringung zustimmen müssen. Ziel ist es, Länder zu schützen, die nicht über die notwendigen technischen Voraussetzungen für den Umgang mit gefährlichen Abfällen verfügen.
In der Praxis umgehen viele Unternehmen die Regelungen und so landet immer noch gefährlicher Müll in den Ländern des globalen Südens. Stark kritisiert wird auch, dass die USA das Übereinkommen nicht ratifiziert haben. Sie exportieren 80 Prozent ihres Elektroschrotts, ohne jegliche Verantwortung dafür zu übernehmen. Darüber hinaus gehen auch viele Fahrzeuge und Elektrogeräte als Gebrauchtgüter ganz legal in afrikanische Länder und werden dort schnell zu Müll.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Institutes arbeiten zu verschiedenen Themen im Bereich Recycling. Oft kooperieren sie dabei mit lokalen Partnern.
Projekt „Umweltgerechte Entsorgung und Recycling von Elektroschrott in Ghana“
Der Schrottmarkt Agbogbloshie in Ghanas Hauptstatt Accra ist ein zentraler Umschlagplatz der vielen lokalen informellen Schrottsammler, -Zerleger und -Händler. Diese sammeln und verwerten unter immens gesundheits- und umweltgefährdenden Bedingungen Elektroschrott aus der lokalen Nutzung aber auch aus Europa. Sie sind abhängig von den Einkommen, die sie durch diese Tätigkeit erzielen, daher ist es unabdingbar sie in die notwendigen Reformprozesse zu integrieren.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts arbeiten mit Partnern vor Ort seit über zehn Jahren daran, Konzepte zu entwickeln, um die Situation zu verbessern. Im Projekt „Umweltgerechte Entsorgung und Recycling von Elektroschrott in Ghana“ der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) haben sie gemeinsam mit lokalen Organisationen ein Anreizsystem eingeführt, damit Sammler und Recycler besonders problematische Abfälle einer fachgerechten Entsorgung zuführen.
Besonders problematisch – und für einen Großteil der Verschmutzungen verantwortlich – ist das offene Abbrennen von Kabel-Isolierungen, um an die Wertstoffe im Inneren zu gelangen. Im Projekt erhielten die Kabelsammler für die Übergabe der Kabel an einen Recyclingbetrieb eine Kompensationszahlung, die über dem eigentlichen Wert der Kabel lag.
Nach anfänglicher Skepsis ließen sich die Lieferanten von den gesundheitlichen und wirtschaftlichen Vorteilen des Systems überzeugen. Über 27 Tonnen Kabel in fast 1.400 Einzellieferungen übergaben sie innerhalb des Projektzeitraums an die fachgerechte Verwertung. Mit finanzieller Unterstützung aus Deutschland setzt die ghanaische Regierung das Projekt fort und weitet es auch auf andere Schrottarten aus.
Blogbeitrag „Feuerlöschen durch Anreize“ im Blog des Öko-Instituts
Studie „Batterierecycling im Solarsektor im ländlichen Raum in Entwicklungs- und Schwellenländern“
Solarenergie bietet Menschen fernab der Städte in Entwicklungs- und Schwellenländern oft die einzige Möglichkeit, sich mit sauberer und bezahlbarer Energie zu versorgen, beispielsweise um abends Licht zu haben, Mobiltelefone aufzuladen oder Medikamente zu kühlen. So genannte Solar Home Systems oder Solarlaternen benötigen jedoch immer auch Batterien, deren Lebensdauer begrenzt ist und die dann zu problematischen Abfällen werden.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts haben sich im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) damit befasst, Lösungen für dieses in naher Zukunft auf die Länder zukommende Abfall- und Schadstoffproblem zu entwickeln.
Ein Lösungsansatz ist es, sich schon vor der Installation eines netzfernen Solarsystems für einen Batterietyp zu entscheiden, der langlebig und gut zu recyceln ist. Die Studie vergleicht dafür die bislang am häufigsten verwendeten Bleibatterien mit verschiedenen Typen von Lithium-Ionen-Batterien. Ein weiterer Ansatz liegt darin, die Geschäftsmodelle zu betrachten, die mit den Solarsystemen einhergehen.
Lösungen länderspezifisch und projektbezogen entwickeln
Den einen Lösungsansatz für alle Anwendungen haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht gefunden. Es gilt, für jedes Land und jedes Projekt zu entscheiden, welche Batterietypen und Geschäftsmodelle dort am besten funktionieren. Wichtig ist es, vor Projektbeginn die lokalen Möglichkeiten für Recycling und Entsorgung zu analysieren und in die Entscheidung einzubeziehen.
Generell sollten die Batterien und Systeme möglichst langlebig sein. Zudem sollten sie so konstruiert sein, dass gefährliche Manipulationen der Nutzerinnen und Nutzer, beispielsweise das Öffnen von Batterien, ausgeschlossen sind. Auch auf politischer Ebene, bei westlichen Projektpartnern sowie in den Solarfirmen sollte auch immer das Lebensende der vertriebenen Systeme mitbedacht werden. So verhindert man, dass die saubere Energie von heute zum Entsorgungsproblem von morgen wird.