Endlagerung – eine Frage des Gesteins und des Gesetzes

Hochradioaktive Abfälle sind über Zeiträume gefährlich, welche die menschliche Vorstellungskraft übersteigen. Je nach Halbwertszeit und Menge kann es Jahrhunderte oder Jahrmillionen dauern, bis ein radioaktives Element soweit zerfallen ist, dass von ihm keine inakzeptable Strahlenbelastung für Mensch und Umwelt mehr ausgeht. Kein von Menschenhand errichtetes Gebäude, keine Anlage, keine Technik und auch keine gesellschaftliche Institution kann die Sicherheitsanforderungen an die Verwahrung radioaktiver Abfälle über solche Zeiträume garantieren.

Es ist denkbar, radioaktive Abfälle in einem solchen Endlager über sehr lange Zeiträume von der Biosphäre zu isolieren. Mit den Methoden der Geowissenschaften ist für einen gut geeigneten Standort eine Prognose über einen Zeitraum von einer Million Jahren grundsätzlich möglich. Das heißt: Die Wissenschaft traut sich zu, nach umfangreichen Untersuchungen für einen Standort eine Prognose abzugeben, dass Atommüll dort mindestens eine Million Jahre lang sicher liegen kann.

Die Standortauswahl: ergebnisoffen, wissenschaftsbasiert, transparent

Für die hochradioaktiven Abfälle aus inländischen Kernkraftwerken ist in Deutschland noch kein Endlagerstandort festgelegt. Mit dem im Mai 2017 in Kraft getretenen Standortauswahlgesetz (StandAG) hat die deutsche Politik die Herausforderung angenommen: In einem wissenschaftsbasierten und transparenten Verfahren soll ein Standort ausgewählt werden, der „die bestmögliche Sicherheit […] für einen Zeitraum von einer Million Jahren gewährleistet“ (StandAG § 1).

Dabei benennt das StandAG sowohl Mindestkriterien als auch Ausschlusskriterien:

  1. Die Durchlässigkeit des untersuchten Gesteins mussäußerst gering sein.
  2. Die Mächtigkeit (die Dicke der Gesteinsschicht) muss mindestens 100 Meter betragen.
  3. Der in Frage kommende Gesteinsbereich muss mindestens 300 Meter unter der Oberfläche liegen.
  4. Er muss zudem groß genug sein, um als Endlager für sämtliche inländisch anfallenden nuklearen Abfälle auszureichen.

Nicht als Endlager in Betracht kommen Gebiete, in denen seismische oder vulkanische Aktivitäten sowie großräumige Hebungen beobachtet wurden oder zu erwarten sind. Weitere Ausschlusskriterien sind aktive geologische Störungszonen oder „junge“ Grundwasservorkommen, die auf eine Verbindung zur Biosphäre hinweisen würden.

Jeder potentielle Endlagerstandort hat seine spezifischen Bedingungen, die schließlich nach definierten Kriterien miteinander verglichen werden müssen. So wird schrittweise die bestmögliche Option ermittelt.

Schritte bei der Endlagersuche

Das StandAG sieht einen auf wissenschaftlichen Kriterien basierenden schrittweisen Prozess vor, der in jeder Stufe die möglichen Gebiete weiter auf den bestmöglichen Standort einengt. Jede Phase wird durch ein Bundesgesetz abgeschlossen und entfaltet so eine hohe Bindungswirkung. Ebenso ist in allen Phasen eine umfangreiche Beteiligung der Öffentlichkeit vorgesehen.

Phase 1 begann 2017 mit einer „weißen Landkarte“, auf der prinzipiell alle Regionen in Deutschland in Frage kommen. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) ermittelt anhand geologischer Daten der Länder mögliche Teilregionen. Ausschlaggebend bei der Bewertung in dieser und den folgenden Phasen sind die oben genannten Mindest-, Ausschluss- sowie Abwägungskriterien.

In Phase 2 erkundet die BGE die potenziellen Standortregionen von der Erdoberfläche ausgehend (übertägig), was zu einer weiteren Einengung der möglichen Standorte führt. Erst in Phase 3 wird auch untertage erkundet. Daraus folgt ein Standortvorschlag mit einem Vergleich von mindestens zwei Standorten. In jeder Phase prüft das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) die Untersuchungen der BGE.

Schwach-, mittel- und hochradioaktiv: Welche Abfälle müssen wie gelagert werden?

Radioaktive Abfälle unterscheiden sich in ihrer Zusammensetzung, Halbwertszeit und Aktivität: Sie sind immer eine Mischung verschiedener radioaktiver Stoffe (Radionuklide). Die Halbwertszeit – also die Zeit, in der die Hälfte der Menge eines radioaktiven Stoffes in andere, teils ebenfalls radioaktive Stoffe zerfällt – bestimmt die Langlebigkeit des radioaktiven Stoffes. Die Aktivität beschreibt die Anzahl der Kernzerfälle pro Zeiteinheit und die dabei freigesetzte thermische Energie. Anhand dieser Eigenschaften werden radioaktive Abfälle klassifiziert und müssen unterschiedlich behandelt werden. Dabei ist in Deutschland die Wärmeentwicklung der Abfälle entscheidend für die Art der Endlagerung.

Das StandAG bezieht sich ausschließlich auf die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle, die in Deutschland als wärmeentwickelnde Abfälle klassifiziert werden. Dies sind vor allem abgebrannte Brennelemente und verglaste Spaltprodukte aus der Wiederaufarbeitung. Sie sind stark wärmeentwickelnd und überwiegend sehr langlebig. Daher stellt ihre Endlagerung besonders hohe Ansprüche an die Langzeitsicherheit.

Daneben sind jedoch auch große Mengen an schwach- und mittelradioaktiven Abfällen zu entsorgen, die so genannten Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung. Diese machen über 90 Prozent des Volumens der radioaktiven Abfälle aus. Ihr Anteil an der gesamten Radioaktivität liegt in der Größenordnung von einem Prozent. Sie entstehen in Atomkraftwerken und anderen kerntechnischen Anlagen im Betrieb, bei Wartungs- und Reparaturarbeiten sowie bei ihrem Rückbau. Ein weiterer Verursacher ist die Anwendung von Radionukliden in der Forschung, der Medizin und der Industrie.

Für diese nicht wärmeentwickelnden radioaktiven Abfälle ist derzeit das Endlager Schacht Konrad in der Nähe von Salzgitter im Bau. Das ehemalige Eisenerzbergwerk soll nach jetzigem Stand im Jahr 2027 in Betrieb gehen. Außerdem gibt es in Deutschland das aus DDR-Zeiten stammende, bis 1998 noch genutzte ehemalige Salzbergwerk Morsleben, für das die Stilllegung beantragt ist. Aus dem Forschungsbergwerk Asse II sollen aufgrund von fehlender Stabilität und Lösungszutritten alle Abfälle zurückgeholt werden. In den Regionen wurden und werden intensive Diskussionen um die jeweiligen Vorhaben geführt.

Einschluss „für immer“ – Konzepte für eine Endlagerung

Die extrem langen Zeiträume, über die hochradioaktive Stoffe gelagert werden müssen, werfen schwierige Fragen auf:

  • Ist es sicherheitstechnisch überhaupt möglich für einen solchen Zeitraum verlässliche Aussagen zu treffen?
  • Werden künftige Generationen mit dem Stand der heutigen Technik ausreichend geschützt?
  • Welchen Handlungsspielraum sollen spätere Generationen im Umgang mit den Abfällen haben, ohne sie zu belasten?

Aus wissenschaftlicher Sicht heute gibt es keine Alternative zur unterirdischen Lagerung der hochradioaktiven Abfälle. Geologische Barrieren sollen dabei verhindern, dass radioaktive Stoffe an die Erdoberfläche dringen. Zusätzliche technische Barrieren sollen dort helfen, wo die geologische Barriere durch das Endlager selbst unterbrochen wurde – je nach Konzept nur so lange, bis das Gestein diesen Weg in die Biosphäre selbst „verheilt“ hat.

Neben einem stabilen geologischen Umfeld muss der Endlagerstandort auch gegenüber möglichen klimatischen Veränderungen, wie Eis- oder Warmzeiten, aber auch vor Angriffen oder Missbrauch geschützt sein. Das Kriterium der größtmöglichen passiven Sicherheit bedeutet, dass der sichere Einschluss der Abfälle nicht von aktiven Schutzmaßnahmen durch Generationen von Menschen abhängig sein darf. Denn wir können als Menschen und als Gesellschaft nicht gewährleisten, dass die Abfälle über eine Million Jahre sicher verwahrt und überwacht werden.

Ein tiefes unterirdisches Endlager berücksichtigt dies. Nach dem endgültigen Verschluss des Endlagers muss dieses ohne langfristige Kontrolle auskommen. Wichtigste Voraussetzung hierfür: Die Funktionsfähigkeit des Endlagers muss nachgewiesen sein. Eine Phase der Überwachung, in der die Abfälle noch aus dem Endlager zurückgeholt werden können, kann dazu beitragen, die Entscheidung zum endgültigen Verschluss auf Basis ergänzender Informationen zu treffen. Selbstzweck oder ein Ersatz für die Endlagerung kann sie nicht sein.

Die Rolle des Öko-Instituts

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts bringen bereits seit vielen Jahren ihre Expertise in Gutachten und Stellungnahmen zur Zwischen- und Endlagerung radioaktiver Abfälle ein. Sie sind Mitglieder in verschiedenen Expertenkommissionen. Sie beraten Verwaltung, Fachbehörden und Politik fachlich und begleiten Verfahren zur Öffentlichkeitsbeteiligung.

Unterrichtsmaterialien zur Endlagerung

Die Endlagerung radioaktiver Abfälle ist eine generationenübergreifende Aufgabe. Für eine Partizipation auf Augenhöhe ist eine Grundvoraussetzung, dass alle Beteiligten ausreichend informiert sind. Daher haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts mit Fachleuten des Unabhängigen Instituts für Umweltfragen (UfU) ein Paket von Unterrichtsmaterialien entwickelt.

Es ist für Schülerinnen und Schüler ab Klasse 10 geeignet und ermöglicht einen fächerübergreifenden Unterricht in Politik, Gesellschaftskunde, Deutsch, Chemie, Geographie und Physik. Die Jugendlichen werden anhand von Infomaterialien zu Expertinnen und Experten in unterschiedlichen Fachgebieten und diskutieren ihr Wissen dann in gemischten Teams, um gemeinsam Anforderungen an die Endlagerung zu formulieren.

Ziel der Unterrichtseinheiten ist es, den Jugendlichen zu ermöglichen sich auf Basis von Informationen eine Meinung zu bilden. In der Diskussion setzen sie sich aktiv mit dem Thema Endlagerung auseinander und nehmen verschiedene Blickwinkel ein. Das Material steht kostenlos zum Download zur Verfügung:

„Unterrichtsmaterialien zur Endlagerung“ von Öko-Institut und UfU mit Unterstützung der Stiftung Zukunftserbe

Weiterführende Informationen

Fachliche Beratung des Landkreises Rotenburg (Wümme) zu den Ergebnissen des Zwischenberichts Teilgebiete im Standortauswahlverfahren für ein Endlager

Projekt „Neue Beteiligungskonzepte zu den nach § 26 und § 27 StandAG zu erlassenden Verordnungen bezüglich der Sicherheitsanforderungen für die Endlagerung und der Anforderungen zur Durchführung der vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen“ des Öko-Instituts

Projekt „Überprüfung sicherheitstechnischer Anforderungen des Endlagers Konrad nach dem Stand von Wissenschaft und Technik (ÜsiKo)“ des Öko-Instituts gemeinsam mit der Technischen Universität Clausthal, der Leibniz Universität Hannover und der Friedrich-Schiller-Universität Jena

Gutachten „Ergebnisse der vergleichenden Analyse der tschechischen Endlagerkriterien im internationalen Kontext“ des Öko-Instituts im Auftrag der Landesregierungen von Oberösterreich und Niederösterreich

„Transdisziplinäre Forschung zur Entsorgung hochradioaktiver Abfälle in Deutschland – Forschung zur Verbesserung von Qualität und Robustheit der soziotechnischen Gestaltung des Entsorgungspfades (TRANSENS)“ vom BMWi und der Volkswagenstiftung gefördertes Verbundvorhaben, in dem 16 Institute bzw. Fachgebiete von neun deutschen und zwei Schweizer Universitäten und Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten.

Projekt „Wegemanagement bei der Entsorgung hoch radioaktiver Abfälle in Deutschland (WERA)“ des Öko-Instituts

Studie „Wissenschaftliche Beratung und Bewertung grenzüberschreitender Aspekte des französischen Endlagervorhabens „Cigéo“ in den Nachbarländern Rheinland-Pfalz, Saarland und Großherzogtum Luxemburg“ des Öko-Instituts

Abschlussbericht „Behandlung sozialwissenschaftlicher Aspekte im Safety Case“ des Öko-Instituts im Auftrag des Forschungszentrums Karlsruhe (PTKA-WTE)