Szenarien für einen klimaneutralen Verkehr: Welche Maßnahmen führen zum Ziel?

Der Beitrag des Verkehrssektors zur Erreichung der Klimaschutzziele ist nach wie vor unbefriedigend. Die CO2-Emissionen sind im Gegensatz zu anderen Sektoren, wie Energie oder Gebäude, im Vergleich zum Referenzjahr 1990 nicht gesunken – die Abnahme durch die COVID 19-andemie außen vorgelassen. Die Herausforderungen sind gewaltig, soll der verkehrsbedingte Treibhausgasausstoß doch laut novelliertem Klimaschutzgesetz der Bundesregierung bis 2030 um rund 48 Prozent gegenüber 1990 auf 85 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente zurückgehen. Bis zum Jahr 2045 muss der Verkehrssektor klimaneutral sein.

Die Größe der Aufgabe erfordert ein strategisches Vorgehen. Mit Hilfe von Szenarien lässt sich darstellen, welche Maßnahmen und Instrumente welche konkreten Beiträge zum Klimaschutz erbringen können und wie die Kombination verschiedener Instrumente sich auswirkt.

Szenarien zeigen mögliche Entwicklungspfade auf

Das Öko-Institut hat in verschiedenen Forschungsprojekten Szenarien entwickelt. Diese zeigen Strategien für die Klimapolitik auf, die mit jeweils unterschiedlichen Weichenstellungen (zum Beispiel Elektro-Fahrzeuge, Verkehrsverlagerung, neue Treibstoffe) bzw. Kombinationen dieser Strategien zum Ziel führen.

Verschiedene Entwicklungspfade werden ausführlich analysiert: Steht genügend Strom aus erneuerbaren Energien zur Verfügung, um ganze Fahrzeugflotten auf Elektromobilität umzustellen? Welche Optionen sind im Güterverkehr besonders vielversprechend? Dabei spielen auch Faktoren wie die volkswirtschaftliche Bilanz, die Lebensqualität in den Städten oder die Umsetzbarkeit von Maßnahmen eine Rolle.

Im Auftrag von Agora Verkehrswende, Agora Energiewende und der Stiftung Klimaneutralität haben das Öko-Institut, Prognos und Wuppertal Institut gezeigt, wie Deutschland seine Ziele zum Schutz des Klimas nicht erst 2050, sondern sogar schon bis 2045 erreichen kann.

Meilenstein zur Klimaneutralität: Minderungsziel von 65 Prozent bis 2030

Dafür ist beim Verkehr eine Trendumkehr nötig und möglich: Bis 2030 sinken die Treibhausgasemissionen auf 89 Millionen Tonnen (Mio. t) von 162 Mio. t im Jahr 2018. Es fahren bereits 14 Millionen Elektro-Pkw (inklusive Plug-in-Hybride), der Anteil an den Neuzulassungen beträgt etwa 80 Prozent. Durch die geteilte Nutzung von Fahrzeugen steigt die Auslastung. Die Menschen nutzen verstärkt Bus, Bahn und Fahrrad und gehen mehr zu Fuß. Die Pkw-Fahrleistung sinkt insgesamt um etwa 13 Prozent. Güter werden verstärkt auf der Schiene transportiert und es wird fast ein Drittel der Fahrleistung im Straßengüterverkehr über elektrische Lkw mit Batterien, Oberleitungen und Brennstoffzellen erbracht.

Klimaneutrales Deutschland 2045

Bereits ab dem Jahr 2032 werden keine Pkw mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen. Bis zum Jahr 2045 werden dann nahezu alle Bestandsfahrzeuge mit Verbrennungsmotor durch E-Pkw ersetzt. Auch der Straßengüterverkehr sowie Bus und Bahn werden ab 2045 fast ausschließlich mit batterieelektrischen, Oberleitungs- und Brennstoffzellenfahrzeugen betrieben. Die Anteile an strombasierten Kraftstoffen im Luft- und Seeverkehr steigen bereits nach 2035 deutlich. Die höheren Kosten der Kraftstoffe kombiniert mit weiteren Maßnahmen sorgen dafür, dass der Anstieg der Verkehrsnachfrage im internationalen Luftverkehr früher gedämpft wird.

Instrumentenmix muss ambitionierter werden

In den vergangenen zwei Jahren haben Klimaschutzplan und Klimaschutzgesetz bereits zu einer deutlich stärkeren Dynamik geführt (Förderung von E-Fahrzeugen, ÖPNV und Fahrradverkehr auf der einen, CO2-Preis und stärkere CO2-Spreizung der Kfz-Steuer auf der anderen Seite). Laut Projektionsbericht 2021 für Deutschland werden die Emissionen im Verkehrsbereich aber mit den heutigen Maßnahmen 2030 bei über 125 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente und 2040 immer noch bei etwa 78 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente liegen. Um die Emissionen im Verkehrssektor nachhaltig zu reduzieren und die Ziele des Klimaschutzgesetzes zu erreichen, sind folglich ambitioniertere Maßnahmen erforderlich.

Studie „Klimaneutrales Deutschland 2045. Wie Deutschland seine Klimaziele schon vor 2050 erreichen kann“ von Öko-Institut, Prognos und Wuppertal Institut

Kurzfassung zur Studie „Klimaneutrales Deutschland 2045“ von Öko-Institut, Prognos und Wuppertal Institut

Mobilität in die Zukunft steuern: Gerecht, individuell und nachhaltig

Höhere CO2-Preise in Kombination mit der Abschaffung der EEG-Umlage, eine angemessene Besteuerung von Dienstwagen, ein Bonus-Malus-System beim Pkw-Kauf sowie eine zusätzliche CO2-Komponente in der Lkw-Maut: Durch diese Umgestaltung des Systems aus Steuern und Abgaben können die Verkehrswende gelingen und die Klimaschutzziele im Verkehr erreicht werden. Das sind zentrale Ergebnisse einer Studie vom Öko-Institut, dem Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft und Prof. Dr. Stefan Klinski im Auftrag des Umweltbundesamtes.

Zentral ist dafür bis spätestens 2025 die Umsetzung von vier Instrumenten: eine Erhöhung der CO2-Preise in Kombination mit einer Abschaffung der EEG-Umlage, eine angemessene (d.h. höhere) Besteuerung von Dienstwagen, eine deutlich stärkere CO2-Spreizung der Kfz-Steuer für Pkw sowie eine zusätzliche CO2-Komponente in der Lkw-Maut. Langfristig (ab 2030) ist eine fahrleistungsabhängige Maut auf allen Straßen sowohl für Pkw als auch für Lkw ein zentrales Instrument, um die Infrastruktur nachhaltig zu finanzieren und auch eine Lenkungswirkung für weitere ökologische Kriterien zu entfalten.

Studie „Mobilität in die Zukunft steuern: Gerecht, individuell und nachhaltig“ von Öko-Institut, Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) und Prof. Dr. Stefan Klinski (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin)

Leitplanken und Stolperfallen: Wichtige Instrumente zur Transformation des Verkehrssektors

Für insgesamt zehn Instrumente hat das Öko-Institut im Auftrag des Umweltbundesamtes Leitplanken und Stolperfallen für die Ausgestaltung identifiziert und in Kurzpapieren beschrieben.

Auf der einen Seite geht es um Anreize, das Mobilitätsverhalten zu verändern. Darunter fallen die Erhöhung des CO2-Preises im Verkehrssektor (einschließlich einer Rückverteilung der Einnahmen) und das Tempolimit auf Autobahnen in Höhe von 120 km/h. Dazu sollte die Entfernungspauschale umgestaltet werden, was aber angesichts der gerade erst beschlossenen und umgesetzten Anhebung kurzfristig eher unwahrscheinlich ist. Primär der Finanzierung der Straßeninfrastruktur dienen die fahrleistungsabhängige Pkw-Maut und die fahrleistungsabhängige Lkw-Maut. Letztere sollte ab 2025 auf alle Straßen und alle Fahrzeuge ab 3,5 t ausgeweitet sowie mit einer CO2-Komponente kombiniert werden. Für eine echte Verlagerung des Verkehrs ist gleichzeitig ein gutes Angebot an Alternativen Voraussetzung.

Auch geht es darum, dass weniger Neuwagen bzw. CO2-ärmere Fahrzeuge zugelassen werden. Anstatt Dienstwagen durch niedrige Besteuerung und Tankkarten attraktiv zu machen, sollte sich die Dienstwagenbesteuerung zukünftig nach dem Gesamtwert der Fahrzeugnutzung richten und privat gefahrene Kilometer mit einbeziehen. Bei Plug-In-Hybrid-Pkw müssen für eine ausreichende Klimawirkung sowohl die elektrische Mindestreichweite hoch genug und der CO2-Ausstoß niedrig genug angesetzt werden und das Aufladen – auch ökonomisch – attraktiver sein als zu tanken. Hinzu kommt eine Umgestaltung der Kfz-Steuer (Bonus-Malus-System), bei der auch zur Gegenfinanzierung der Kaufprämien für E-Pkw für CO2-intensive Pkw höheren Abgaben erhoben werden.

Damit Automobilhersteller Fahrzeuge mit niedrigeren und Null CO2-Emissionen entwickeln und auf die Straße bringen, sollten zudem die CO2-Flottenzielwerten für Pkw nicht nur alle fünf Jahre angepasst und Plug-In-Hybriden nur noch auf Basis des realen Spritverbrauchs berücksichtigt werden. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur muss damit Schritt halten. Gleiches gilt für die CO2-Standards für Lkw, wo auch Busse, leichtere Lkw und Anhänger reguliert werden sollten und im Sinne der Planungssicherheit die Ziele bis 2040 fortgeschrieben werden müssen.

Sämtliche Kurzpapiere „Klimaschutzinstrumente im Verkehr“

Verkehrspolitik nicht nur klimafreundlich, sondern auch sozial verträglich

Damit die Verkehrspolitik nicht nur das Klima schützt, sondern zugleich sozial gerecht ist, sollten existierende Klimaschutzinstrumente entsprechend umgestaltet werden. So sollte etwa die CO2-Komponente der Kfz-Steuer erhöht werden, um mit den Mehreinnahmen die Prämie für den Kauf von Elektroautos zu finanzieren. Die Entfernungspauschale kann zum Mobilitätsgeld werden, das auch die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs fördert. Die Dienstwagenbesteuerung sollte erhöht werden und sich am CO2-Ausstoß des Fahrzeugs ausrichten.

Diese und weitere Instrumente hat das Öko-Institut im Auftrag des Naturschutzbunds NABU betrachtet. Das Ziel der Studie: Die sozialen Wirkungen heutiger Verkehrspolitik analysieren und Anregungen für die Ausgestaltung einer klimafreundlichen und sozial verträglichen Mobilität der Zukunft geben.

Studie „Impulse für mehr Klimaschutz und Sozialverträglichkeit in der Verkehrspolitik“ des Öko-Instituts