
Anders mobil sein – mit Carsharing?
1901 sagte Gottfried Daimler: „Die weltweite Nachfrage nach KFZ wird eine Million nicht überschreiten – alleine schon aus Mangel an verfügbaren Chauffeuren.“ Die Entwicklung seither zeigt: Das Mobilitätsverhalten kann sich ändern, wenn sich die Rahmenbedingungen verändern. Für einen zielführenden Klimaschutz ist ein verändertes Mobilitätsverhalten auch dringend notwendig, steigen doch die verkehrsbedingten Emissionen weiterhin an.
Eine Option, um Ressourcen und knappe städtische Verkehrsflächen einzusparen, ist das Teilen und gemeinsame Nutzen von Autos – das Carsharing. Zu unterscheiden ist hierbei das private Carsharing, bei dem sich Freunde, Nachbarn oder Verwandte ein Auto teilen, vom Carsharing als professionalisierte Mobilitätsdienstleistung. Vermehrt bieten auch Privatleute ihre Autos über vermittelnde Webplattformen an (Peer-to-Peer-Carsharing).
Dienstleistung Carsharing: Stationär oder flexibel
Seit den Anfängen 1988 ist die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer von Carsharing in Deutschland auf heute über zwei Millionen angestiegen. In über 670 Städten und Gemeinden gibt es rund 165 Anbieter, von regionalen Vereinen mit manchmal nur einem Fahrzeug bis hin zu bundesweit agierenden Firmen.
Gebucht wird das gewünschte Fahrzeug im Internet, per App oder auch telefonisch. Während im stationären Carsharing die Autos feste Stellplätze haben, an denen sie abgeholt und nach der Nutzung wieder abgestellt werden müssen, stehen bei den flexiblen Konzepten (free-floating Carsharing) die Fahrzeuge im öffentlichen Raum zur spontanen Nutzung bereit.
Beitrag zum Klimaschutz
Einen Beitrag zum Klimaschutz leistet das Carsharing jedoch nur, wenn es nicht für zusätzliche Fahrten dient und damit mehr CO2-Emissionen verursacht. Zu einem veränderten Mobilitätsverhalten führt das Autoteilen, wenn Carsharing das eigene Auto ersetzt und dadurch insgesamt weniger gefahren wird. Das kann nur funktionieren, wenn andere Verkehrsmittel, wie Fahrrad und ÖPNV, durch entsprechende Rahmenbedingungen attraktiv genug sind.
Des Weiteren stellt das Carsharing einen vielversprechenden Einsatzbereich für die Elektromobilität dar. Die hohen Fahrleistungen der gemeinsam genutzten Autos amortisieren die höheren Anschaffungskosten schnell und für die Kundinnen und Kunden bietet das E-Carsharing zusätzliche Attraktivität – vom interessierten Reinschnuppern bis zum bewusst elektrifizierten Fahren. Zudem verfügen auch die kraftstoffbetriebenen Flotten der Carsharing-Anbieter meist über emissionsärmere Fahrzeuge als jene im Privatbesitz.
Für mehr Klimaschutz im Verkehr braucht es neben alternativen Technologien auch einen Wandel im Mobilitätsverhalten. Welche Rahmenbedingungen erforderlich sind, um diesen herbeizuführen, ist daher ein wichtiges Forschungsthema am Öko-Institut.
Studie: share – Forschung zum free-floating Carsharing
Wie umweltfreundlich sind flexible Carsharing-Konzepte mit Elektrofahrzeugen im Vergleich zu denen mit konventionellen Pkw? Wer nimmt die Fahrzeuge in Anspruch, wie werden sie genutzt und wie zukunftsfähig sind flexible (Elektro-) Carsharing-Konzepte? Diese Fragen untersuchten das Öko-Institut und das Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) im Rahmen des Projektes „share“ am Beispiel des flexiblen Carsharing-Angebots von car2go.
Jung, gebildet, multimodal unterwegs
Insgesamt vier Mal wurden Nutzerinnen und Nutzer der car2go-Angebote in Stuttgart (elektrisch), Frankfurt/Main und Köln (beide konventionell) zwischen 2014 und 2017 befragt, um etwaige Entwicklungen abzubilden. Im Vergleich wurde auch jeweils eine repräsentative Kontrollgruppe befragt.
Die Studie ergab, dass Carsharing-Kundinnen und Kunden oft jünger waren und über höhere Bildungsabschlüsse verfügten als der Durchschnitt der Bevölkerung. Zudem besitzen viele ein Abonnement des öffentlichen Nahverkehrs und/oder eine Bahncard, nutzen also je nach Gelegenheit und Bedarf das für sie passendste Verkehrsmittel aus einem multimodalen Pool an Optionen.
Für die Mehrheit der Befragten war das Carsharing neben den praktischen Aspekten, wie Flexibilität und Bequemlichkeit, auch emotional positiv besetzt: Es gilt als umweltfreundlich, cool und sympathisch, Faktoren, die beim E-Carsharing noch stärker ausgeprägt sind.
Daten und Fakten zum Freefloating Carshing und Pkw-Besitz
Klimawirkung eher gering
Auf den CO2-Ausstoß hatte die Nutzung von free-floating Carsharing jedoch nur wenig Einfluss. Die Analysen zeigten, dass im Vergleich zur Zeit vor der Anmeldung beim Carsharing nicht weniger sondern eher mehr Strecken mit dem Auto zurückgelegt wurden. Emissionsmindernd wirkte indes der Einsatz von Elektrofahrzeugen am Standort Stuttgart. Auf die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs konnte durch die Nutzung von Carsharing kein Einfluss festgestellt werden.
Auch trennten sich nur wenige der Befragten zugunsten des Carsharings von ihrem privaten Pkw. Nur knapp drei Prozent schafften ihr Auto ab, so dass die Studienergebnisse auf keinen nennenswerten Beitrag zur Entlastung des öffentlichen Straßenraums durch free-floating Carsharing hinweisen.
Gesamtstrategie für die Verkehrswende erforderlich
Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass ein Wandel im Verkehrsverhalten nur eintritt, wenn das Carsharing-Angebot in begleitende Maßnahmen zur Reduzierung der privaten Pkw-Nutzung eingebettet ist. Hier können Städte und Kommunen lenkend eingreifen, indem sie beispielsweise mehr Raum für Fuß- und Radverkehr und weniger Flächen für das Auto ausweisen. Auch die Preise sollten eine ökologische Sprache sprechen: Parkgebühren zugunsten geteilter und emissionsarmer Pkw.
Diese – nicht immer populären – Maßnahmen werden von der Bevölkerung eher akzeptiert, wenn die Möglichkeit besteht, für notwendige Autofahrten ein Carsharing-Fahrzeug zu nutzen. Um ein multimodales und umweltfreundliches Verkehrsverhalten zu fördern, müssen in den kommenden Jahren neue Verkehrskonzepte und Informationsplattformen vor allem in Städten entwickelt werden. Eine einfache und komfortable Nutzung, z.B. bei Buchung und Abrechnung, baut mögliche Hürden ab und gewährleistet, dass immer mehr Menschen autofrei unterwegs sind.
Projekt: WohnMobil – nachhaltiges Wohnen durch innovative gemeinschaftliche Angebote
Nicht nur das Autoteilen kann Ressourcen schonen und den Klimaschutz fördern. Gerade in gemeinschaftlichen Wohnprojekten bieten sich innovative Möglichkeiten für die sogenannte Share-Economy – das gemeinsame Nutzen von Dingen und Räumlichkeiten.
Im Projekt WohnMobil untersuchten das Öko-Institut, das Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) und das Institut für Ökologische Wirtschaft (IÖW) eine Palette unterschiedlicher Dienstleistungen: von nachbarschaftlichen Mobilitätsdienstleistungen (Carsharing, Lastenrad-Sharing, Teilen von ÖPNV-Abonnements,) über die gemeinschaftliche Nutzung eines Multifunktionsraumes bis hin zum Gemeinschaftsgarten.
Gemeinsam mit Projekten des Alternativen Wohnens und der etablierten Wohnungswirtschaft untersuchen die Forscherinnen und Forscher die Entwicklung von Sharing-Angeboten im Wohnumfeld. Was wirkt förderlich und was ist hemmend in der Entwicklung einer gemeinschaftlichen Sharing-Dienstleistung? Welche Geschäfts- und Umsetzungsmodelle sind geeignet? Und wie sieht es mit den ökologischen, sozialen und ökonomischen Nachhaltigkeitswirkungen aus?
Vielfältiger Mehrwert für die Bewohnerinnen und Bewohner
Abgesehen von den ökologisch positiven Wirkungen der Sharing-Angebote profitieren die Bewohnerinnen und Bewohner vor allem von größerer Teilhabe, Vertrauen und Wertschätzung und damit höherer Wohnzufriedenheit.
In gemeinschaftlichen Wohninitiativen kann eher von einem grundlegenden Engagement der Bewohnerinnen und Bewohner ausgegangen werden. In der Wohnungswirtschaft hingegen ist ein unternehmerisches Bekenntnis zu wohnbegleitenden Dienstleistungen erforderlich, nicht zu vergessen die Bereitstellung von Personal und Ressourcen. Doch auch die Wohnprojekte müssen sich zur konkreten Ausrichtung der von ihnen gewünschten Dienstleistungen bekennen.
Talente nutzen, Rahmenbedingungen gestalten
Alle bringen Erfahrungen, Kenntnisse und Fähigkeiten ein, die sie der Gemeinschaft zur Verfügung stellen können. Dies gilt es, gemeinsam herauszufinden und zu nutzen – am besten unter professioneller Moderation.
Wichtig sind auch die Rahmenbedingungen. Schon in der Planung sollte an spätere gemeinsame Nutzungen gedacht werden. Investitionen sind für den Anschub aber auch für Ausgaben im laufenden Betrieb erforderlich. Und nicht zuletzt sind die Kommunen aufgefordert, Gemeinwohlaspekte schon in der Bauleitplanung mitzudenken und die Akteure aktiv zu unterstützen, beispielsweise durch Vernetzung oder die Überlassung von Räumlichkeiten.