
Plastikmüll: Für mehr Verantwortung beim Umgang mit Kunststoffen
Kunststoffe sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Plastikverpackungen, Textilien, Autoreifen: Sie alle gehören zu einer Gruppe von Werkstoffen mit spezifischen Eigenschaften – die sogenannten Polymere. Einige sind besonders biegsam, andere starr, manche punkten mit wenig Gewicht – gemeinsam ist ihnen, dass sie sich in der Umwelt kaum jemals zersetzen. Stattdessen entstehen daraus kleine Plastikpartikel, sogenanntes Mikroplastik, das massive Probleme für Organismen und Ökosysteme mit sich bringt.
Mehr als drei Millionen Tonnen Verpackungsmüll fielen in Deutschland im Jahr 2017 an, ein Großteil davon Plastik. Das Problem mit dem allzu sorglosen Umgang mit Kunststoffen besteht weltweit und gerade die Industriestaaten exportieren Verpackungsmüll aus Kunststoff gerne in die Länder des globalen Südens. 2018 stoppte China den Import grob vorsortierter Verpackungsabfälle fürs Recycling – ein Schock für die deutsche Abfallindustrie.
Es ist eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, neue Wege im Umgang mit Kunststoffen zu beschreiten. An erster Stelle steht die Vermeidung des unnötigen Massenkonsums von Plastikprodukten, die nach kurzem Gebrauch zu Abfall werden. Viele Einwegprodukte und Verpackungen aus Plastik sind entbehrlich, weil es für deren Anwendungszweck auch Alternativen gibt, beispielsweise Mehrwegverpackungen. In Umlauf gebrachtes Plastik sollte nach Gebrauch bestmöglich wiederverwertet werden, stoffliches Recycling geht dabei vor energetischer Nutzung. Erst zum Ende des Kreislaufs folgt die möglichst umweltgerechte Entsorgung.
Plastik in der Umwelt – weit mehr als ein ästhetisches Problem
Ein mit Plastiktüten verschmutzter Strand, Coffee-to-Go-Becher in Parkanlagen, PET-Flaschen im Wald: Das sogenannte „littering“ sieht unschön aus, ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Die Analyse von Stoffströmen zeigt, wie Plastikmüll sich immer weiter zersetzt (von Makro- zu Meso- und Mikroplastik) und so in verschiedenen Ökosystemen eine unterschiedliche Problematik entfaltet.
Am stärksten im Fokus der Öffentlichkeit steht sicherlich die Verschmutzung der Ozeane. Von Fischernetzen strangulierte Seevögel oder der mit Plastik durchsetzte Mageninhalt von Fischen sind einprägsame Bilder. Zur Umsetzung der EU Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) durchgeführte Monitoringaktivitäten ergeben, dass der geforderte „gute Umweltzustand“ in deutschen Meeresgebieten nicht erreicht wird.
Kunststoffe in Wasser und Boden
In Binnengewässern ist die Belastung mit Kunststoff und Kunststoffpartikeln weniger gut untersucht. Einzelne Studien weisen jedoch darauf hin, dass 2018 in fünf Bundesländern an allen untersuchten Messstellen Mikroplastik in den Einzugsgebieten von Rhein, Donau und Weser nachweisbar ist. Ein vermutetes Problem ist die Auswaschung von problematischen Zusatzstoffen wie Flammschutzmitteln, die im Plastik teilweise enthalten sind. Hierzu fehlen jedoch umfassende ökotoxikologische Untersuchungen.
Auch die Belastung von Böden durch Plastik ist bislang nicht hinlänglich erforscht. Untersuchungen zeigen jedoch, dass Kunststoffe im und auf dem Boden altern und über sehr lange Zeiträume in kleinere Fragmente zerfallen. Es gibt Hinweise, dass Bodenorganismen, wie beispielsweise Regenwürmer, Kunststoffpartikel aufnehmen und in tiefere Schichten transportieren können. Zudem besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass sie mit dem Niederschlagswasser in Grundwasser, Flüsse und Seen und schließlich ins Meer gelangen.
Wie gelangt das Plastik in die Umwelt? Und wie lässt sich das verhindern?
Zur Ausbreitung von Kunststoffen in der Umwelt und der weiteren Entwicklung möglicher Schäden für Flora und Fauna sind somit durchaus Modellierungen vorhanden, auch wenn noch weiterer Forschungsbedarf besteht. Woher das Plastik stammt, ist hingegen bekannt: Das Problem ist menschengemacht.
Eine wichtige Quelle ist der Alltagskonsum von Plastikprodukten und deren achtlose Entsorgung. Nicht nur Plastikflaschen, auch Luftballons, plastikhaltiges Konfetti oder Zigarettenfilter werden ohne Gedanken an deren Verbleib in die Umwelt befördert. Hier ergeben sich auch Ansatzpunkte, wie der Plastikeintrag vermieden oder vermindert werden kann.
Gutes Abfallmanagement verhindert, dass Plastikmüll in die Umwelt gelangt. Das deutsche Kreislaufwirtschaftsgesetz fordert, Kunststoffabfälle getrennt zu erfassen und zu verwerten, wobei eine stoffliche Verwertung (Recycling) einer energetischen Verwertung (beispielsweise in Müllverbrennungsanlagen) vorzuziehen ist. Die Recyclingquote von 39 Prozent ist durchaus noch ausbaufähig, ein gutes Produktdesign, das Stoffströme von der Produktion bis zur Entsorgung berücksichtigt, sowie generell längere Nutzungszeiten können Abhilfe schaffen.
Plastik in Flüssen und Meeren stammt einerseits aus Seefahrt und Fischerei, andererseits hinterlassen Tourismus und Freizeitaktivitäten große Mengen an Müll. Wichtig sind hier strengere und häufigere Kontrollen, um die illegale Entsorgung von Müll auf See zu verhindern. Für Meeresmüll, der als Beifang in Fischernetzen landet, sollten in den Häfen kostenfreie Entsorgungskapazitäten bereitstehen. Dass dies möglich ist, zeigt beispielsweise die Initiative „Fishing for Litter“.
Mikroplastik – direkte und indirekte Quellen
Direkte Quellen von Mikroplastik finden sich in Wasch- und Reinigungsmitteln sowie Kosmetika. Teils dienen sie als Schleif- oder Reinigungspartikel, teils zur Färbung oder Trübung von Duschgels oder für optische Effekte, wie beispielsweise in Glitzer-Make-up. Dieses sogenannte primäre Mikroplastik landet meist direkt im Abwasser. Folgerichtig wäre ein gesetzliches Verbot, wie es das Umweltbundesamt (UBA) fordert. Konsumenten und Konsumentinnen sollten nicht erst auf ein Verbot warten, sondern schon jetzt Produkte mit sogenannten Microbeads im Supermarktregal stehen lassen.
Indirekt entsteht Mikroplastik, wenn Kunststoffe sich durch Abrieb verändern. Eine der wichtigsten Quellen ist der Reifenabrieb im Straßenverkehr. Mit rund 100.000 Tonnen pro Jahr ist er in Deutschland für ein Drittel des gesamten Mikroplastikeintrages verantwortlich. Wie dieser Feinstaub sich dann weiterverbreitet und in welcher Weise er Ökosysteme beeinflusst, ist noch nicht ausreichend bekannt. Hinzu kommt die Auswaschung von Fasern bei synthetischen Textilien.
Weitere Freisetzungen stammen aus Klärschlämmen, Gärrückständen oder Komposten, die oftmals mit Plastikpartikeln verunreinigt sind. Kommen sie als Düngemittel zum Einsatz, können die Plastikpartikel in die Umwelt gelangen. Hier sind ein gemeinsamer Grenzwert für sämtliche Kunststoffverunreinigungen unabhängig von Teilchengröße und Kunststoffart und zudem geeignete Nachweisverfahren erforderlich. Information und Aufklärung für die Bevölkerung helfen darüber hinaus dabei, dass gar nicht erst so viele Plastiktüten und andere „Fehlwürfe“ im Biomüll landen.
Besonders problematische Plastikabfälle
Nicht nur die Polymere, aus denen die Kunststoffe bestehen, sind in der Umwelt problematisch. Oft enthalten sie auch Zusatzstoffe, sogenannte Additive, die teils mehr teils weniger umweltgefährdend sind. So enthält der Kunststoff „PVC“ neben dem Grundbestandteil Chlor oft auch bedenkliche Weichmacher und Hitzestabilisatoren. Hartschaumplatten aus Polystyrol sind häufig mit Flammschutzmitteln ausgerüstet, die sehr verbreitete Kunststoffgruppe der Polyolefine (PP oder PE) ist mit Antioxidantien und UV-Stabilisatoren versehen. Die Additive sind nicht fest an die Polymere gebunden, so dass sie sich lösen und in die Umwelt gelangen können.
Eine Gefahr stellen auch die Plastikgehäuse von Autobatterien und Plastik aus Elektroschrott dar. Sie bedürfen eines fachkundigen Recyclings, denn sie sind meist mit gesundheitsgefährdenden Stoffen wie etwa chlor- oder bromhaltigen Flammhemmern vermengt. Immer noch landen diese komplexen Abfälle viel zu oft in Ländern des globalen Südens, wo ihre Weiterverarbeitung und Entsorgung die Gesundheit der Menschen und die Umwelt massiv schädigen.
Eine Scheinlösung versprechen oxo-abbaubare Plastikprodukte (oxo-degradable plastics). Sie sind eben nicht, wie der Name suggeriert, vollständig biologisch abbaubar. Stattdessen zerfallen sie lediglich langsam in kleinste Plastikfragmente. Diese wiederum werden aber nicht weiter abgebaut und verbleiben in der Umwelt, obwohl sie für das menschliche Auge nicht mehr wahrnehmbar sind. Ab 2021 hat die EU-Kommission die Verwendung oxo-abbaubarer Produkte verboten.
Sinnvolle Plastikalternativen? Plastik aus nachwachsenden Rohstoffen, biologisch abbaubares Plastik
Im Gegensatz zu Oxo-Plastik zersetzen sich biologisch abbaubare Kunststoffe in der Umwelt mit Hilfe von Mikroorganismen tatsächlich langsam in unbedenkliche Abbauprodukte. Übrig bleiben Wasser, Kohlendioxid oder Methan und Biomasse. Problematisch ist jedoch häufig, dass der Zersetzungsprozess zu lange dauert. Biomüllbeutel aus biologisch abbaubarem Kunststoff beispielsweise benötigen mehr Zeit als der in ihnen enthaltene Biomüll und bereiten daher Probleme in Kompostierungsanlagen.
Nicht zu verwechseln mit den biologisch abbaubaren Kunststoffen sind Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen, wie Mais, Zuckerrohr oder Holz. Sie weisen eine bessere CO2-Bilanz auf als herkömmliche Kunststoffe auf Mineralölbasis, da immer nur so viel Kohlendioxid frei werden kann, wie die Pflanze während ihres Wachstums aufgenommen hat. Dennoch sind auch sie kritisch zu betrachten, da ihr Anbau oftmals im agrarindustriellen Maßstab unter hohem Einsatz von Wasser, Düngemitteln und Pestiziden stattfindet. Zudem geht der Flächenbedarf der Biomasseproduktion zulasten der Anbauflächen für Nahrungsmittel oder bedrängt direkt oder indirekt die natürlichen Ökosysteme.
Eine Begriffsklärung ist wichtig, denn beide Varianten von Kunststoffen werden gerne als „Bio-Kunststoffe“ tituliert. Es gibt Kunststoffe, die sowohl biologisch abbaubar als auch aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt sind, wie beispielsweise Polylactid (PLA) und Polyhydroxyalkanoat (PHA). Andere weisen nur eine von beiden Eigenschaften auf.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts befassen sich mit sehr unterschiedlichen Aspekten der Kunststoffnutzung und -entsorgung. Sie verfolgen Stoffströme, analysieren besonders problematische Kunststoffe und erstellen Ökobilanzen.
Spendenprojekt „Ohne Plastik leben – aber wie!?“
Im Rahmen des Spendenprojekts „Ohne Plastik leben – aber wie!?“ haben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts mit den Ursachen des heutigen Massenkonsums von Kunststoffen auseinandergesetzt. Die Ergebnisse des Projekts illustrieren verschiedenen Lösungsideen, wie wir die Ursachen des Mikroplastikproblems – nämlich unseren alltäglichen Konsum von Kunststoffprodukten – angehen können.
Eine klare Aussage des Expertenteams ist, dass das Sammeln und Wiederverwerten von Plastikabfällen keine hinreichende Lösung des Problems ist. Es gilt, die Verwendung von Kunststoffmaterialien deutlich zu reduzieren. Dazu können sowohl die Verbraucherinnen und Verbraucher als auch die Politik beitragen.
Top-Verursacher: Lebensmittelverpackungen, Kunstfasertextilien, Reifenabrieb
Im Blog des Öko-Instituts stellen drei auf Verbraucherinnen und Verbraucher zugeschnittene Texte Lösungsansätze vor, wie sich Plastikabfälle und Mikroplastik-Emissionen im Alltag vermeiden lassen. Das beginnt beim bewussten Einkaufen, geht über neue Konsumorientierungen im Hinblick auf Mode und endet noch lange nicht bei Tipps zu einer nachhaltigeren Mobilität.
Alle Texte enthalten auch Forderungen an die Politik, wie sie die gesetzlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen so setzen kann, dass plastikfreie Produkte und Lebensstile Vorschub erhalten. Rechtliche Anforderungen an die Reifenhersteller beispielsweise können den Reifenabrieb mindern, genormte Mehrwegbehälter können Einwegverpackungen ersetzen oder standardmäßige Partikelfilter an Waschmaschinen den Eintrag von Mikroplastikpartikeln aus synthetischer Kleidung ins Abwasser minimieren.
#plastikfrei leben – ein Spendenprojekt des Öko-Instituts (alle Blogbeiträge in einem PDF)
Kurzstudie: Vergleich und Gegenüberstellung verschiedener Recyclingverfahren bezüglich ihrer Aufwendungen und ihrem Nutzen
Plastikverpackungen sind in Deutschland gewöhnlich mit dem Grünen Punkt ausgezeichnet und landen nach Gebrauch im Gelben Sack oder in der Gelben Tonne. Verbraucherinnen und Verbraucher gehen davon aus, dass sie dann zur Wiederverwertung gelangen. Doch der Anteil von Plastikverpackungen, der tatsächlich hochwertig recycelt wird, das heißt aus dem gleichwertige Kunststoffprodukte entstehen, ist noch immer viel zu niedrig.
Oft handelt es sich beim Recycling um „Downcycling“ – aus hochwertigen Kunststoffen werden minderwertige, beispielsweise Füße für Baustellenschilder. Über die Hälfte der Abfälle geht in die energetische Verwertung, das bedeutet, dass sie verbrannt werden, beispielsweise in Zementwerken.
PET-Flaschen zu PET-Flaschen
Das Unternehmen Werner & Mertz, bekannt durch seine Frosch-Reinigungsmittel, hat sich zum Ziel gesetzt, seine Produkte ausschließlich in Verpackungen aus 100prozentigem Recyclingmaterial anzubieten. Für das Recyclat nutzt Werner & Mertz zu 80 Prozent PET aus mit Pfand belegten Getränkeflaschen, die relativ sortenrein gesammelt werden. Die restlichen 20 Prozent stammen aus dem Dualen System.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts analysierten in einer Kurzstudie für das Unternehmen, wie Aufwand und Nutzen dieser Recyclinginitiative im Vergleich zu anderen Recyclingkonzepten und alternativen Entsorgungsvarianten (beispielsweise der Verbrennung in Zementwerken) zu bewerten ist.
Im Vergleich zum Einsatz von Primär-PET spart das Recyclingverfahren rund 2.650 Kilogramm CO2 pro Tonne Recycling-PET ein. Zusätzlich werden 450 beziehungsweise 1.440 Kilogramm des Treibhausgases eingespart, da das PET nicht in Müllverbrennungsanlagen oder Zementwerken verbrannt wird.
Es ist also trotz des höheren Sortier- und Energieaufwandes ökologisch sinnvoll, auch PET-Abfälle aus dem Dualen System hochwertig zu recyceln. Werner & Mertz strebt an, den Anteil von Recyclingmaterial aus dem Dualen System noch zu erhöhen. Zudem verwendet das Unternehmen auch Hart-Polyethylen (HDPE), das in der Gesamtbilanz sogar noch etwas besser abschneidet als PET. Wünschenswert wäre es, wenn noch mehr Unternehmen auf anspruchsvolle und innovative Recyclingverfahren setzen würden und so Ressourcen einsparen.