Nachhaltige öffentliche Beschaffung – wie kauft die Verwaltung ein?

Papier und Bürobedarf, der Fuhrpark der Stadtreinigung, das Essen in Schulen und Kantinen, die Bekleidung von Feuerwehr oder Pflegepersonal, Bau und Instandhaltung von Straßen und öffentlichen Gebäuden – die öffentliche Hand beschafft eine breite Palette von Produkten und Dienstleistungen. Berücksichtigen Bund, Länder und Kommunen Aspekte der Nachhaltigkeit beim Einkauf von Waren und Dienstleistungen, hat dies relevante Effekte auf Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutz sowie faire Arbeitsbedingungen.

Öffentliche Beschaffung hat eine Vorbildfunktion. Wenn der Brief vom Amt auf Recyclingpapier gedruckt ist und die Schulkantine ökologische Essen anbietet, kommt Nachhaltigkeit auch in der öffentlichen Wahrnehmung als Thema an. Eine nachhaltige öffentliche Vergabe fördert zukunftsfähige Unternehmen und Strukturen – vor Ort und global. Zudem sind nachhaltige Produkte oft in den Folgekosten günstiger, beispielsweise beim Energieverbrauch.

Öffentliche Auftraggeber verfügen in ihrer Gesamtheit über ein gewaltiges Budget, das nach Schätzungen zwischen 150 und 440 Milliarden Euro liegt. Aufgeteilt ist dieses jedoch auf eine Vielzahl einzelner Beschaffungsstellen in den jeweiligen Verwaltungen. Damit die Marktmacht des Großverbrauchers „Öffentliche Hand“ volle Wirksamkeit entfaltet, bedarf es somit vieler einzelner Richtungsentscheidungen in Sachen Nachhaltigkeit.

Notwendigkeiten und Schwierigkeiten nachhaltiger Beschaffung

Im Nationalen Aktionsplan (NAP) zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte vom 21. Dezember 2016 bekräftigte die Bundesregierung, dass „Bund, Länder und Kommunen in der öffentlichen Beschaffung einer besonderen Verantwortung unterliegen, ihrer staatlichen Schutzpflicht nachzukommen und sicherzustellen, dass mit öffentlichen Mitteln keine negativen Auswirkungen auf die Menschenrechte verursacht oder begünstigt werden.“

Jedoch nicht alle Vorschläge der Nachhaltigkeitsstrategie finden auch ihren Weg in rechtliche Vorgaben. So finden sich im Vergaberecht des Bundes und der Länder zwar Grundsätze für eine ökologisch und sozial faire Gestaltung der öffentlichen Auftragsvergabe, aber notwendig sind konkrete Vorgaben für die Beschaffungsstellen. Diese fehlen häufig noch.

Notwendig ist es, Nachhaltigkeitskriterien für sämtliche öffentlichen Ausschreibungen zu definieren und systematisch zu erfassen. Zudem ist vorab festzulegen, wie die entsprechenden Nachweise für die ökologische und soziale Unbedenklichkeit von Produkten und Dienstleistungen erbracht werden sollen. Eine strategische Ausrichtung öffentlicher Beschaffungsstellen hin zu nachhaltigeren Vergabeverfahren ist dabei hilfreich.

Auf dem Weg zur nachhaltigen Beschaffung

Die Beschaffungsstellen benötigen einen klaren politischen Rahmen und Unterstützung für eine nachhaltige Beschaffung. Dazu ist neben den rechtlichen Vorgaben ein Grundsatzbeschluss der politischen Ebene oder eine Erklärung der Verwaltungsspitze sehr hilfreich. Dieses Bekenntnis zur umweltfreundlichen und sozialverträglichen Beschaffung gilt es schriftlich festzuhalten, beispielsweise in einer speziellen Dienstanweisung oder einer Ergänzung bestehender Beschaffungsregelungen.

Mit der Gründung einer verwaltungsinternen Arbeitsgruppe bekommt die grundsätzliche Ausrichtung ein Gesicht: Menschen, die dahinterstehen und sich kümmern. Sie legen Ziele für die Beschaffung fest, zudem Verantwortlichkeiten und Berichtspflichten. Weitere Aufgaben sind die Auswahl von Produktgruppen und die Festlegung von Kriterien.

Hilfreich ist die Zusammenarbeit mit zentralen Beschaffungsstellen und anderen öffentlichen Institutionen. Weitere wichtige Werkzeuge sind Schulungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Schaffung entsprechender Leidfäden und Unterlagen (beispielsweise der Leitfaden „Grundlagen der umweltfreundlichen öffentlichen Beschaffung“).

Rechtliche Optionen nachhaltiger Beschaffung

Sowohl in den Regelungen der EU als auch im nationalen Vergaberecht ist formuliert, wie öffentliche Auftraggeber Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen können und teils sogar verbindlich müssen.

Dies kann auf unterschiedlichen Stufen des Vergabeverfahrens geschehen: Bei der Beschreibung der Anforderungen an die Ware oder Dienstleistung (Mindestanforderungen), bei der Ausgestaltung von Zuschlagskriterien im Rahmen der Angebotswertung oder bei der Ausführung von Verträgen, beispielsweise der Lieferung von Waren oder Ausführung von Dienstleistungen (Auftragsausführungsbedingungen).

Arbeiten des Öko-Instituts: Handreichungen auf Bundes-, EU- und internationaler Ebene

Im Auftrag des Umweltbundeamtes (UBA) hat das Öko-Institut die rechtlichen Möglichkeiten ausgelotet, wie die öffentliche Hand qualitative, umweltbezogene, innovative und soziale Aspekte bei der Beschaffung einbeziehen kann. So ist festgelegt, dass oberhalb spezifischer Schwellenwerte für verschiedene Beschaffungsgruppen (beispielsweise 144.000 Euro für Liefer- und Dienstleistungsaufträge oberer und oberster Bundesbehörden) Umweltaspekte zwingend berücksichtigt werden müssen, wenn öffentliche Stellen energieverbrauchsrelevante Waren, Geräte und Ausrüstungen oder Straßenfahrzeuge anschaffen.

Das Gutachten erklärt, warum mit der Reform des Vergaberechts 2016/2017 die Beschaffung von nachhaltigen Produkten erleichtert wird. So können öffentliche Auftraggeber zur Bestimmung der technischen Spezifikationen einer Leistung oder Ware pauschal auf Gütezeichen (Umweltzeichen) verweisen. Diese zeichnen bestimmte Umwelteigenschaften eines Produkts oder einer Dienstleistung aus, Beispiele sind der „Blaue Engel“ oder das Europäische Umweltzeichen.

Rechtsgutachten „Umweltfreundliche öffentliche Beschaffung“ des Öko-Instituts im Auftrag des UBA

Zudem können Vergabestellen der öffentlichen Hand verlangen, dass der Bieter bestimmte Normen für das Umweltmanagement erfüllt. Wie Umweltmanagementsysteme bei der Beschaffung von Dienst- und Bauleistungen genutzt werden können, wird am Beispiel EMAS (Eco-Management and Audit Scheme, auch bekannt als EU-Öko-Audit) deutlich.

Broschüre „EMAS in der öffentlichen Beschaffung“ des Öko-Instituts im Auftrag des UBA

Und auch auf internationaler Ebene beschäftigt sich das Öko-Institut mit den Rahmenbedingungen nachhaltiger Beschaffung. So war das Öko-Institut an der Revision der Beschaffungskriterien im EU-Kontext sowie an der Unterstützung der ASEAN-Staaten bei der Implementierung eines nachhaltigen öffentlichen Beschaffungswesens beteiligt.

Themenseite „Nachhaltiger Konsum und Beschaffung – von Deutschland in die Welt“ auf oeko.de

Biodiversitätskriterien in der Beschaffung des Bundes

Wie mit nachhaltiger Beschaffung die Biodiversität (biologische Vielfalt) geschützt werden kann, erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz (BfN). Die Herstellung von Papierprodukten und Druckerzeugnissen, der Anbau von Lebensmitteln und die Zusammensetzung des Speiseplans in Kantinen haben erhebliche Auswirkungen auf die Biodiversität in Deutschland und weltweit.

Ziel des Forschungsprojekts sind Entwürfe für allgemeine Verwaltungsvorschriften, in denen öffentliche Auftraggeber auf Bundesebene verbindliche Vorgaben für Catering und den Kantinenbetrieb sowie die Beschaffung von Papiererzeugnissen und Hygieneartikeln erhalten.

Das Forschungsteam, zu dem auch das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und die Kanzlei Dageförde gehören, hat Konzepte zur Ausgestaltung der Vergabeanforderungen entwickelt, die sie in Workshops und Gesprächen mit Expertinnen und Experten auf ihre Praxistauglichkeit überprüft haben. Die Ergebnisse des Projekts sollen in den weiteren Entscheidungsprozess zur Umsetzung des „Maßnahmenprogramms Nachhaltigkeit“ der Bundesregierung einfließen.

Forschungsprojekt „Biodiversitätsschutz in der Beschaffung des Bundes – Praktische Konkretisierungen in den Produktgruppen Lebensmittel und Papier“ des Öko-Instituts im Auftrag des BfN