
Nachhaltige Finanzen – globale Geldströme umlenken
Unser aktuelles Gesellschafts- und Wirtschaftssystem ist nicht nachhaltig. Die Belastungsgrenzen der Erde sind bereits überschritten – sei es durch Klimawandel, den Verlust von Biodiversität, Landnutzungsänderungen oder menschliche Eingriffe in biogeochemische Kreisläufe. Die Menschheit zehrt ihr ökologisches Kapital auf.
Eine wesentliche Stellschraube für den Wandel hin zu mehr Klimaschutz und einem nachhaltigen Umgang mit den globalen Ressourcen ist die Transformation des Finanzsystems. Denn einerseits sind weltweit massive Investitionen notwendig, um die Sustainable Development Goals, die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, zu erreichen. Nach Angaben der OECD, der Weltbank und der Internationalen Energieagentur müssten jährlich mehrere Billionen US-Dollar in Gesundheit, Bildung, erneuerbare Energien, Nahrungssicherheit und Umweltschutz fließen.
Andererseits strömen nach wie vor immense Summen in Fonds, Aktien, Anleihen und andere Finanzprodukte, die keinerlei oder nur wenigen ökologischen und ethischen Kriterien genügen. Viele Investoren halten diese nach wie vor für lukrativ und spekulieren auf gute Renditen.
Eine Umlenkung der globalen Finanzströme stellt somit einen gewaltigen Hebel dar, um Gelder für nachhaltige Investitionen bereitzustellen und gleichzeitig ökologisch oder sozial schädlichen Unternehmungen die Grundlage zu entziehen.
Nachhaltiges Investment mindert Risiken
Die globale Klimaerwärmung birgt zudem erhebliche Risiken für die Stabilität des Finanzmarkts. Durch den Klimawandel hervorgerufene oder verstärkte Ereignisse, wie Stürme, Dürren oder Überschwemmungen, können sich direkt oder indirekt auf die Finanzwirtschaft auswirken – beispielsweise, wenn nicht-versicherte Schäden zu Wertverlusten bei Unternehmen und einem höheren Ausfallrisiko von Krediten führen (sogenannte physische Risiken).
Weiterhin bestehen sogenannte Transitionsrisiken mit Blick auf den globalen Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft in Richtung Klimaneutralität. Steigt beispielsweise der CO2-Preis plötzlich stark an und wurde dies in der Investitionstätigkeit nicht berücksichtigt, können viele Anlagen massiv an Wert verlieren. Werden sie gar wertlos, spricht man von gestrandeten Investitionen (englisch: „stranded assets“).
Eine Neuausrichtung des Finanzsektors ist somit auch mit Blick auf die Erhaltung von Effizienz und Stabilität der globalen Finanzmärkte relevant.
Strengere Kriterien für Finanzprodukte
Dass ein Umdenken in der und für die Finanzbranche stattfindet, ist auf verschiedenen Ebenen spürbar. Immer mehr Finanzmarktakteure berücksichtigen Nachhaltigkeitskriterien bei ihren Anlage- und Investitionsentscheidungen. In der Finanzbranche sind diese als „Environmental, Social and Governance-Kriterien“, kurz „ESG-Kriterien“ (Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung) geläufig.
Das Spektrum reicht hierbei von wenigen Ausschlusskriterien wie Atomkraft, Waffen oder Tabakwaren bis hin zu strengen Positivkriterien für explizit „grüne“ oder „nachhaltige“ Anlageprodukte. Solche Positivkriterien können beispielsweise Anforderungen an den Umwelt- und Klimaschutz, die Achtung der Menschenrechte, faire Arbeitsbedingungen oder die Korruptionsvermeidung sein. Das „Impact Investing“ geht noch einen Schritt weiter und setzt sich zum Ziel, neben einer positiven finanziellen Rendite messbare, positive Auswirkungen auf die Umwelt oder die Gesellschaft zu erzielen.
Noch handelt es sich bei solch ehrgeizigen Geldanlagen um Nischenprodukte, doch das Interesse von privaten und institutionellen Anlegern an nachhaltigen Finanzprodukten steigt.
Diverse Akteure streben einen Wandel an.
Etwa seit 2012 fordert die „Divestment-Bewegung“, dass institutionelle Anleger aber auch Privatpersonen ihr Geld aus fossilen Energieunternehmen abziehen und in nachhaltige Anlagen reinvestieren. Weltweit entziehen mittlerweile immer mehr Universitäten, Städte, Versicherungen, Pensionsfonds und Stiftungen der CO2-intensiven, fossilen Industrie die finanziellen Mittel.
In die politische Ebene kommt ebenfalls Bewegung: Beispielsweise hat die Europäische Kommission Anfang 2018 einen Aktionsplan zur Reform der Finanzmärkte erstellt und will unter anderem ein Klassifizierungssystem für nachhaltige Finanzen erarbeiten. In Deutschland haben der Rat für Nachhaltige Entwicklung und die Deutsche Börse AG den „Hub for Sustainable Finance (H4SF)“ ins Leben gerufen und auch die Bundesregierung nimmt sich der Thematik an und hat einen Beirat „Sustainable Finance“ eingerichtet.
Wie muss ein nachhaltiges Finanzwesen ausgestaltet sein?
In einem aus Eigenmitteln finanzierten Projekt gehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts der Frage nach, wie das Finanzwesen ausgestaltet sein muss, um eine nachhaltige globale Entwicklung zu befördern.
Vor dem Hintergrund der strukturellen Hebelwirkung nachhaltiger Finanzströme und des damit einhergehenden Einflusses des Finanzwesens in vielen umweltpolitischen Handlungsfeldern untersucht das Projekt unter anderem, welche Methoden aktuell zur Integration von ESG-Risiken zum Einsatz kommen und welchen Hemmnissen sich die Akteure der Finanzwirtschaft gegenübersehen, wenn sie nachhaltiger handeln wollen.
Während einerseits bezüglich des Themenkomplexes Sustainable Finance weiterhin großer Forschungsbedarf besteht, werden andererseits die aktuell laufenden Prozesse und Diskurse in vielen Fällen von Akteuren der Finanzwirtschaft dominiert. Das Öko-Institut hält eine unabhängige Forschung für besonders wichtig und unterstützt dieses Projekt daher aus Eigenmitteln.
Eigenmittelprojekt „Sustainable Finance & die Erreichung der Sustainable Development Goals – Aktueller Stand und Perspektiven“ (in Bearbeitung)
Rahmen für Klimaschutzinvestitionen
Im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMU) und in Kooperation mit der Business Communications Consulting GmbH sowie dem Ecologic Institut haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts untersucht, welchen Einfluss die rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland auf Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen haben.
Handels- und Gesellschaftsrecht, Kapitalmarkt- und Investmentrecht sowie das Bilanz- und Steuerrecht können einerseits rechtliche Hemmnisse für Klimaschutzinvestitionen beinhalten, andererseits aber auch die notwendigen Anreize für Kapitalgeber und Kapitalnehmer vernachlässigen.
Zu den untersuchten Investitionsfeldern zählen die Bereiche „Energieeffizienz in Unternehmen“, „Infrastrukturmaßnahmen im Gebäude- und Verkehrsbereich“, „Erzeugung, Transport und Speicherung erneuerbarer Energien“ sowie „Erhalt von Wald als CO2-Senke“. Für fünf besonders wichtige Hemmnisse erarbeiteten die Projektbeteiligten Lösungsvorschläge, die sie in Workshops mit Stakeholdern reflektierten.
Dies waren unter anderem Ansätze, um die überschießende Regulierungsdichte im Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) besonders für Bürgerenergieprojekte zu entzerren und hier mehr Rechtssicherheit zu schaffen. Auch machte das Expertenteam Vorschläge zu steuerlichen Anreizen für Klimaschutzinvestitionen.
Projekt „Rahmen für Klimaschutzinvestitionen“ des Öko-Instituts im Auftrag des BMU