Globale Lieferketten: Wer kontrolliert Umweltschutz und Menschenrechte?

Produkte wandern entlang internationaler Lieferketten rund um den Globus. Unternehmen lassen dort produzieren, wo es für sie am günstigsten ist. Endkunden und -kundinnen sind häufig in erster Linie an niedrigen Preisen interessiert und die Rechnung bezahlen diejenigen, die ganz am Anfang in der globalen Logistik angesiedelt sind: die Beschäftigten, die unter oft menschenrechtswidrigen, gesundheits- und umweltschädlichen Produktionsbedingungen die Waren herstellen.

In den Produktionsländern herrschen häufig deutlich laxere Umwelt- und Sozialstandards als in Deutschland, was sich die global agierenden Firmen zunutze machen. Sie setzen Pestizide ein, die hierzulande längst verboten sind. Bei den Arbeitsbedingungen in der Fertigung unterlaufen sie die international gültigen Mindeststandards der International Labor Organisation (ILO) – ganz abgesehen von den in Deutschland geltenden Arbeitsschutzrichtlinien.

Leitprinzipien sollen die Menschenrechte schützen

Indes hat sich die Bundesregierung schon 2011 zu den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte bekannt. In diesen hat die internationale Staatengemeinschaft 31 Prinzipien formuliert. Diese wiederum sollen in nationalen Aktionsplänen umgesetzt werden.

Die unterzeichnenden Staaten verpflichten sich, die Menschenrechte zu schützen. Zudem appellieren die Prinzipien an die unternehmerische Verantwortung, in ihrem gesamten Lieferkettenmanagement die Menschenrechte zu achten. Betroffene von Verstößen gegen die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht sollen sich sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich wehren können.

Freiwillige Lösungen statt gesetzlicher Pflichten

Doch statt die Prinzipien in Gesetze und verpflichtende Regelungen für Unternehmen münden zu lassen, setzt die deutsche Bundesregierung in ihrem Aktionsplan auf freiwillige Lösungen. Diese werden jedoch meist nur von Firmen umgesetzt, die sich ohnehin schon einer nachhaltigen Unternehmensführung (Corporate Social Responsibility, CSR) verpflichtet fühlen. Notwendig wäre dagegen eine Einführung verbindlicher menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten, die auch eine Kontrolle entlang der Lieferkette einschließt.

Was außerdem fehlt, ist ein Pendant zu den UN-Menschenrechtsprinzipien im Bereich Umweltschutz. So unterlaufen deutsche Unternehmen im Nicht-EU-Ausland regelmäßig die europäische Umweltgesetzgebung. Zudem gehen Umweltschutz und Menschenrechte oft Hand in Hand, denn was der Umwelt schadet, gefährdet auch die Menschen bei der Arbeit.

Spendenprojekt: Umweltschutz wahrt Menschenrechte!

Dass die Einhaltung von Sozialstandards und der Schutz der Umwelt Themenfelder sind, die es gemeinsam zu lösen gilt, zeigt das Projekt des Öko-Instituts „Umweltschutz wahrt Menschenrechte! Deutsche Unternehmen in der globalen Verantwortung“ Dieses Projekt wurde aus privaten Spenden finanziert. Spenden ermöglichen es, auch zu Themen zu forschen, für die es kein Auftragsmandat gibt, die aber dennoch wichtig sind.

So zeigten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler anhand von drei Fallbeispielen, wie deutsche Unternehmen europäische Richtlinien zum Umweltschutz missachten, während sie im Ausland tätig sind.

Verbotene Pestizide, gefährliche Abwrackung von Schiffen, hochgiftiger Kupferbergbau

Nach wie vor exportieren deutsche Unternehmen in der EU nicht zugelassene Pestizide ins außereuropäische Ausland. Viele dieser Chemikalien sind schon im unmittelbaren Kontakt hochgiftig, andere schädigen das Erbgut, können Krebs auslösen oder den Hormonhaushalt beeinflussen. Sowohl für den Menschen als auch für Fauna und Flora sind negative Auswirkungen nachgewiesen. Dennoch handeln deutsche Firmen mit diesen Produkten.

In Bangladesch lassen deutsche Reedereien Schiffe verschrotten. Diese werden dort meist direkt am Strand zerlegt – ohne Schutzkleidung und die Abscheidung von Gefahrenstoffen. Die Folge sind gefährliche Unfälle und die Vergiftung des Meeres mit Schwerölen und Asbest. Verantwortung für die Umweltschäden übernehmen die Reedereien nicht.

Das dritte Fallbeispiel beschreibt den peruanischen Kupferbergbau, der seit Jahren schwere Schädigungen von Mensch und Umwelt verursacht. Neben den gesundheitlichen Belastungen verletzt der Bergbau zudem oft auch durch Zwangsumsiedelungen und Einschränkung der Demonstrations- oder der Pressefreiheit die Menschenrechte.

Die Politik in der Pflicht für mehr Nachhaltigkeit

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die Politik hier eingreifen muss. Verbindliche gesetzliche Regelungen statt freiwilliger Vereinbarungen sind vonnöten, um für die Unternehmen Wettbewerbsgleichheit zu schaffen. Nationale oder europäische Gesetze für mehr Umweltschutz und Menschenrechte können dabei verbesserte globale Standards nach sich ziehen.

Menschenrechtliche Sorgfaltspflicht muss in allen Sektoren und entlang der gesamten Wertschöpfungskette gelten. Um dies zu erreichen, müssen die Unternehmen dazu verpflichtet werden, Risikoanalyse und -management zu betreiben. Dies schafft die benötigte Transparenz und ist von behördlicher Seite zu kontrollieren. Zudem müssen Betroffene Zugang zur gerichtlichen Durchsetzung ihrer Schadensersatzforderungen bekommen – auch vor deutschen Gerichten.

Das Beispiel Frankreich zeigt, dass es möglich ist, Unternehmen zu menschenrechtlicher Sorgfalt zu verpflichten. Seit 2017 müssen größere Firmen für ihre gesamte Lieferkette Risiken für Mensch und Umwelt identifizieren und ihnen vorbeugen. Bei Verstößen drohen empfindliche Bußgelder.

Working Paper „Umweltschutz wahrt Menschenrechte! Deutsche Unternehmen in der globalen Verantwortung“ des Öko-Instituts

Kurzfassung „Umweltschutz wahrt Menschenrechte! Unternehmen und Politik in der Verantwortung“ des Öko-Instituts

Projekt: Das Bündnis für nachhaltige Textilien: ambitioniert und transparent?

Es gibt sie, die nachhaltiger hergestellten Textilien. Sie tragen Label wie das Fairtrade-Siegel von Transfair e.V. oder den Global Organic Textile Standard (GOTS). Aber nicht erst durch den Einsturz der Bekleidungsfabrik Rana Plaza 2013 in Bangladesch ist wieder einmal deutlich geworden, dass menschenrechtswidrige Arbeitsbedingungen im Textilsektor nach wir vor gang und gäbe sind. Doch wurde erst danach dringlicher Handlungsbedarf erkannt.

In Deutschland initiierte Entwicklungsminister Gerhard Müller 2014 das Bündnis für nachhaltige Textilien, das mit freiwilligen Mindeststandards für eine faire und nachhaltige Textilproduktion sorgen sollte. Die zivilgesellschaftlichen Partner des Bündnisses haben das Öko-Institut beauftragt, zu überprüfen, ob die Ziele erreicht werden und wo Nachbesserungsbedarf besteht.

Konkretere Ziele, mehr Transparenz

Grundsätzlich begrüßt das Institut die Verabschiedung solcher verbindlicher Ziele im Textilbündnis. Hinsichtlich der Ausgestaltung der Ziele sieht das Forschungsteam des Öko-Instituts aber noch Verbesserungsmöglichkeiten. Die Kriterien sind nicht konkret genug und lassen zu viel Spielraum bei der Ausgestaltung und Umsetzung von Maßnahmen. Auch an der Transparenz mangelt es noch.

Für die tiefere Lieferkette, direkt bei den Produzenten, wird ein Beschwerdemechanismus empfohlen. Dieser würde ermöglichen, dass sich der Baumwollbauer in Indien oder die Näherin in Bangladesch bei Missständen direkt an das deutsche Textilunternehmen wenden kann.

Ambitionierte Unternehmen würdigen, Mindestanforderungen durchsetzen

Als ein Manko identifizierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Freiwilligkeit des Bündnisses. Zielführender wären verbindliche Regelungen für die gesamte Textilindustrie. Um aber im aktuell bestehenden Rahmen Fortschritte zu erreichen, ist es wichtig, die Unternehmen zu würdigen, die jetzt schon ambitioniert an mehr Nachhaltigkeit arbeiten. So können andere Firmen sehen, dass es durchaus möglich ist, die ökologischen und sozialen Bedingungen zu verbessern.

Stellungnahme „Das Bündnis für nachhaltige Textilien: ambitioniert und transparent?“ des Öko-Instituts (PDF-Version)