Wärmewende: Was den Klimaschutz im Gebäudesektor voran bringt

Schlecht isolierte Gebäude und veraltete Heizsysteme verbrauchen große Mengen an Energie. Insgesamt ist der Gebäudesektor für einen Anteil von rund 25 Prozent der deutschen CO2-Emissionen und 30 Prozent des Endenergieverbrauchs verantwortlich. Die Bundesregierung strebt bis 2050 einen nahezu klimaneutralen Gebäudebereich an. Bis 2030 soll eine Reduzierung um 40 Prozent der klimaschädlichen Emissionen im Vergleich zu 2014 bewerkstelligt sein.

Für eine Erreichung dieser Klimaschutzziele ist eine deutliche Steigerung der aktuellen Sanierungsrate im Gebäudebestand notwendig. Dämmung von Dach und Wänden, hochisolierende Fenster und Türen, die Eliminierung von Wärmebrücken und eine energieeffiziente Wärmeerzeugung mit einem hohen Anteil erneuerbarer Energien sind erprobte Maßnahmen, um den Wärmeverbrauch in Wohngebäuden zu senken. Zudem bietet ein energetisch modernisiertes Gebäude auch mehr Wohnkomfort und Behaglichkeit.

Im Neubau sind hohe energetische Standards vonnöten, denn ist ein Gebäude erst einmal errichtet, verbraucht es für viele Jahre Energie – oder eben auch nicht. Ab 2021 soll europaweit der Niedrigstenergiehausstandard gelten. Ökologische Baumaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen tragen ein Weiteres zum Klima- und Ressourcenschutz bei. Der stark reduzierte Wärmebedarf kann mittels moderner Technologien, wie Wärmepumpen in Kombination mit Photovoltaik oder Solarthermie, gedeckt werden.

Politische Rahmenbedingungen notwendig

Um die Wärmewende im Gebäudesektor voranzubringen, muss die Politik entsprechende Rahmenbedingungen setzen. Die sehr langen Investitionszyklen bei Gebäuden erfordern dabei zügiges und entschiedenes politisches Handeln. Hierzu gehören beispielsweise bessere Förderkonditionen für Sanierungen auf die ambitionierteren KfW-Sanierungsstandards, die Einführung von Zielkennwerten, die Hauseigentümer langfristig einhalten müssen oder auch eine Änderung des Preisgefüges bei den eingesetzten Energieträgern. Darüber hinaus sollten die Anreize und Regularien für die Umrüstung bestehender Heizsysteme auf erneuerbare Energien bzw. auf Niedertemperaturverteilsysteme verbessert werden.

Auch sollte die notwendige Forschung im Bereich energetisches Sanieren ausgeweitet werden. Mit effizienten und zugleich nachhaltigen Hochleistungsdämmstoffen ergeben sich neue Chancen für die Modernisierung des Altbaubestandes. Moderne Sanierungskonzepte, etwa Sanierungen mittels industriell vorgefertigter Dämmelemente, können helfen, die Kosten zu senken.

Zudem spüren Bauhandwerk und Installationsgewerbe verstärkt den Fachkräftemangel. Die Politik ist gefragt, für ausreichenden und gut ausgebildeten Nachwuchs im Handwerk zu sorgen, um die zunehmenden Sanierungsaktivitäten durchzuführen. Schließlich sind Konzepte notwendig, wie der Flächenbedarf für Wohnen und Gewerbe nicht noch weiter ansteigt. Weniger bebaute Flächen benötigen weniger Energie – und sei sie noch so effizient erzeugt.

Studie „Klimaneutraler Gebäudebestand 2050“

Im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) erstellte das Öko-Institut 2017 gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) eine Studie, wie ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand in Deutschland bis 2050 realisiert werden kann. Denn die technologischen Voraussetzungen sind längst da – es fehlen die konkreten Visionen für die Umsetzung. Die Forscherinnen und Forscher nahmen in der Studie dafür zwei Perspektiven ein.

Auf der Ebene der Einzelgebäude entwickelten sie Konzepte für Techniken, die für einen klimaneutralen Gebäudebestand notwendig sind. Insbesondere lag das Augenmerk auf dem Zusammenspiel verschiedener Technologien und den hierbei entstehenden Sanierungskosten. Schließlich spielt letzteres für den individuellen Gebäudebesitzer eine sehr große Rolle.

Die zweite Perspektive betrachtet den gesamten Gebäudebestand und erarbeitet verschiedene Zielbilder, wie der Gebäudebereich 2050 aufgestellt sein müsste, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Zu den jeweiligen Zielbildern stellten die Forscherinnen und Forscher Transformationspfade dar, wie der heutige Bestand an Gebäuden an den gewünschten Zustand herangeführt werden kann. Schließlich wurde auch die Interaktion des Gebäudesektors mit dem gesamten transformierten Energiesystem einbezogen.

Endenergiebedarf kann um 80 Prozent sinken

Wie groß das Potenzial einer ambitionierten Gebäudesanierung ist, zeigen die Zielbilder. Beim aus der Perspektive der Energieeffizienz ehrgeizigsten Zielbild, bei dem alle prinzipiell sanierbaren Wohn- und Gewerbegebäude mit Passivhauskomponenten modernisiert werden, würde der Endenergiebedarf um 60 Prozent reduziert. Um einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen, müsste davon wiederum die Hälfte aus erneuerbaren Energien gedeckt werden.

Würde der Endenergiebedarf lediglich um 35 Prozent gesenkt, wie das am wenigsten ambitionierte Zielbild beschreibt, müssten mehr als 80 Prozent des Energiebedarfs aus erneuerbaren Energien kommen. Zusätzlich läge der Stromverbrauch um 50 Terawattstunden höher als beim ehrgeizigsten Zielbild. Das entspricht in etwa der Hälfte der Strommenge, die sämtliche Windkraftanlagen in Deutschland im Jahr 2017 erzeugten.

Mehr Energieeffizienz – weniger Druck beim Ausbau der Erneuerbaren

Daher empfehlen die Autorinnen und Autoren der Studie, Investitionen in eine hochgedämmte Gebäudehülle und energieeffiziente Gebäudetechnik auf bestmöglichem Niveau. Denn jede Kilowattstunde, die durch Effizienzmaßnahmen an der Gebäudehülle oder der Versorgungstechnik eingespart wird, muss weniger durch erneuerbare Energien gedeckt werden.

Und auch im Kostenbereich lohnt es sich, bei der Energieeffizienz nicht zu sparen. Zwar liegen die Jahreskosten in dem Zielbild mit den höchsten Wärmeschutzanstrengungen etwas höher als in den anderen Zielbildern. Die Differenzen bezogen auf die Gesamtkosten sowie auf die Kostenverläufe sind jedoch sehr gering.

Studie „Klimaneutraler Gebäudebestand 2050“ des Öko-Instituts im Auftrag des Umweltbundesamtes

Policy Paper „Das Handwerk als Umsetzer der Energiewende im Gebäudesektor“

Die Energiewende kommt nicht von allein – sie braucht Menschen, die sie umsetzen, auch im Gebäudebereich. Nach einer Untersuchung des Öko-Instituts im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung fehlen in Deutschland jährlich rund 100.000 Handwerkerinnen und Handwerker im Fensterbau, für die Heizungsinstallation sowie für Maler- und Stukkateurarbeiten.

Für die Studie wurden Daten zu Investitionen in die energetische Gebäudesanierung mit Beschäftigungszahlen im Handwerk zusammengeführt. Zudem wurden Eigentümerinnen und Eigentümer von Ein- und Zweifamilienhäuser befragt, die eine energetische Sanierung durchgeführt hatten oder angehen wollten. Viele berichteten von Problemen, Handwerksbetriebe zu finden, oder bekamen weniger Angebote als gewünscht.

Politikempfehlungen für mehr Attraktivität im Handwerk

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellten in der Studie erste Empfehlungen für die Politik auf, um den eklatanten Mangel an Fachkräften zu mindern. So benötigen die Firmen im Handwerk verlässliche politische Vorgaben, damit sie Investitionen langfristig besser planen können. Zudem ist ein gezieltes und konsequentes Nachwuchsprogramm notwendig.

Insgesamt müssen Handwerksberufe deutlich attraktiver werden, damit ausgebildete Gesellinnen und Gesellen nicht in andere Branchen oder in die Industrie abwandern. Ein nicht unerheblicher Punkt ist dabei eine angemessene Bezahlung. Abschließende Handlungsanweisungen für Politik und Verbände kann das Papier nicht geben. Es gilt aber, die Verantwortlichen für die Problematik zu sensibilisieren und gemeinsam Lösungen auszuarbeiten.

Policy Paper „Das Handwerk als Umsetzer der Energiewende im Gebäudesektor“ des Öko-Instituts, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung

Geothermie-Vorhaben: Mit Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam entwickeln

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) plant, seine Wärmeversorgung auf erneuerbare Quellen umzustellen. Die tiefe Geothermie könnte dazu genutzt werden. Denn der KIT-Campus Nord befindet sich auf der größten bekannten Wärmeanomalie Deutschlands mit 170 Grad Celsius in drei Kilometern Tiefe. Doch Geothermie verunsichert Bürgerinnen und Bürger, die rund um die geplante Bohrung wohnen. Sie haben aufgrund von Ungewissheiten und Nicht-Wissen die mit dieser Technologie – aufgrund der Abhängigkeit von der Beschaffenheit des Untergrundes – einhergehen sowie durch aufgetretene Schadensereignisse andernorts Vorbehalte.

Geothermie, auch Erdwärme genannt, nutzt den Untergrund als Wärmequelle für Gebäude. Gegenüber herkömmlichen Heizungen spart Geothermie CO2 ein, ist jederzeit verfügbar und bietet die Möglichkeit, Wärmeüberschüsse beispielsweise in Hochtemperatur-Wärmespeichern in etwa 1,5 Kilometern Tiefe aus anderen Anlagen zu speichern. Darüber hinaus trägt sie zur regionalen Wertschöpfung bei.

Statt der Bevölkerung, den Gebietskörperschaften, Verbänden und Unternehmen ein fertig geplantes Geothermie-Vorhaben „vorzusetzen“, beziehen das KIT und das Öko-Institut eine Vielfalt von interessierten Akteuren mit ihrem standortspezifischen Praxiswissen sowie ihren Erwartungen und Befürchtungen in den Gestaltungs- und planerischen Entscheidungsprozess ein. Dazu gehören Mitarbeitende des KIT, die Bürgerschaft und kommunale Vertreterinnen und Vertreter umliegender Gemeinden. Möglich ist das alles durch das inter- und transdisziplinäre Projekt GECKO, gefördert vom Umweltministerium Baden-Württemberg.

Projektwebsite www.gecko-geothermie.de