
Nachhaltige Landwirtschaft – Lebensmittel ökologischer produzieren
Landwirtschaft ist die Grundlage unserer Ernährung. Mittels Ackerbau und Tierhaltung versorgt sie uns mit Lebensmitteln. Außerdem produziert die Landwirtschaft nachwachsende Rohstoffe für die stoffliche und energetische Nutzung und schafft Arbeitsplätze. Jeder neunte Arbeitsplatz in Deutschland hängt direkt oder indirekt mit der Land- und Ernährungswirtschaft zusammen.
Etwa die Hälfte unserer Landesfläche wird landwirtschaftlich genutzt. Dies prägt die Landschaftsgestalt und hat Einfluss auf Böden, Biodiversität, Luft sowie Grund- und Oberflächenwasser. Dabei ist die landwirtschaftliche Produktion abhängig von natürlichen Prozessen und somit ganz besonders dem Klimawandel ausgesetzt; gleichzeitig verursacht sie ihrerseits auch Treibhausgase.
Mit dem Ende der Nutzung fossiler Rohstoffe wird die Menschheit in Zukunft stärker auf nachwachsende Ressourcen angewiesen sein. Umso wichtiger ist es, diese nachhaltig herzustellen und zu nutzen. Die Anpassung der Produktion an die natürlichen Belastungsgrenzen unserer Umwelt ist daher eine der großen Aufgaben für eine zukunftsfähige Landwirtschaft.
Treibhausgase: Viehhaltung und Stickstoffdüngung als Hauptverursacher
69,8 Millionen Tonnen an Treibhausgasen emittierte der Landwirtschaftssektor im Jahr 2018, rund acht Prozent der deutschen Gesamtemissionen. Angegeben werden sie in CO₂-Äquivalenten, welche auch die in der Landwirtschaft häufigeren Klimagase Methan und Lachgas beinhalten. Die landwirtschaftliche Produktion ist durch ihre biologischen Prozesse per se mit Klimagasen verbunden, die sich auch mit technischen Entwicklungen nicht auf null reduzieren lassen.
Rund die Hälfte der Emissionen stammt aus der Tierhaltung und wird durch die Verdauung der Wiederkäuer sowie die Lagerung und Ausbringung von Mist und Gülle verursacht. Etwas mehr als ein Drittel der Emissionen entsteht durch übermäßige Stickstoffdüngung im Ackerbau (inklusive Tierfutter und Energiepflanzen). Die restlichen 15 Prozent stammen aus dem Energieeinsatz für landwirtschaftliche Maschinen, der Vergärung von Energiepflanzen und sonstigen Düngeranwendungen.
Die Entwicklung der Emissionen des Landwirtschaftssektors betrachteten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Öko-Institut, Prognos AG und Wuppertal Institut im Rahmen der Studie „Klimaneutrales Deutschland“ für Agora Energiewende, Agora Verkehrswende und die Stiftung Klimaneutralität. Sie entwickelten ein Szenario, wie in allen Sektoren gemeinsam das Ziel Klimaneutralität 2050 erreichbar ist.
Treibhausgase reduzieren, Speicherlösungen entwickeln
Klimaneutral kann die Landwirtschaft nicht werden, im Szenario ist eine Reduktion der Emissionen auf 58 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente bis 2030 und 44 Millionen Tonnen bis 2050 vorgesehen. Die größten Hebel dafür liegen in der Minderung der Stickstoffeinträge in den Boden – mehr ökologischer Landbau, weniger Mineraldünger, effizientere Güllenutzung, Anbau von Leguminosen – einem Rückgang der energiebedingten Emissionen und einer Änderung des Tierbestandes – weniger Rinder und mehr Geflügel.
Das Szenario trifft explizit keine Annahmen zu Verhaltensänderungen, sondern setzt eine Fortschreibung der Konsumtrends voraus. Damit bleibt der große Hebel – die Reduktion der Tierbestände in Folge einer verringerten Nachfrage nach tierischen Produkten – in diesem Szenario weitgehend ungenutzt. Eine Rolle spielen außerdem Änderungen in der Landnutzung, wie die Wiedervernässung von Mooren und die Grünlandbewirtschaftung.
Die verbleibenden Emissionen aus dem Landwirtschaftssektor gleichen in dem Szenario für ein klimaneutrales Deutschland heute noch nicht verfügbare technische Maßnahmen wie Bio Energy Carbon Capture and Storage (BECCS) aus. Dabei wird Biomasse in industriellen Prozessen verbrannt, das Kohlenstoffdioxid aus dem Abgasstrom wird abgeschieden und unterirdisch in leeren Gaslagern in der Nordsee gespeichert.
Beiträge der Landwirtschaft zur Treibhausgasminderung
Stickstoffüberschuss: ein vernetztes Problem
Problematisch für Boden, Wasser, Klima und Artenvielfalt ist der Stickstoffüberschuss in der Landwirtschaft. Zwei Drittel aller Stickstoffeinträge in die Umwelt stammen in Deutschland aus Ackerbau und Viehzucht. Verantwortlich dafür ist zum einen der hohe Einsatz von Mineraldünger im konventionellen Landbau, hauptsächlich um Maximalerträge oder bestimmte Erntequalitäten – vor allem bei Backweizen oder Gemüse – zu erreichen, oder auch ungünstige Fruchtfolgen.
Zum anderen tragen Exkremente aus der Tierhaltung zur Stickstoffbelastung bei. Dies betrifft vor allem Regionen mit hoher Tierbestandsdichte. Zugekaufte Futtermittel tragen zusätzlichen Stickstoff in Betriebe ein, deren Böden mit der Fracht überdüngt sind. Der natürliche Stickstoffkreislauf wird dadurch hochgradig gestört – in Deutschland und global, die planetaren Belastungsgrenzen sind bereits deutlich überschritten.
Neben der bereits genannten Freisetzung von klimawirksamen Gasen, ist ein Übermaß an Stickstoff fatal für die ökologische Vielfalt. Viele Arten sind auf nährstoffarme Böden angewiesen, etliche von ihnen sind heute vom Aussterben bedroht. Zudem gelangt der überschüssige Stickstoff in Form von Nitrat ins Grundwasser sowie in Fließgewässer und damit letztendlich ins Trinkwasser. In Form von Ammoniakemissionen ist er außerdem ein erstzunehmender Luftschadstoff.
In einem mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg geförderten Projekt haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Öko-Institut und FIBL Projekte GmbH das Thema ausführlich analysiert. Sie untersuchten die Eintragungspfade und Wirkungsweisen, identifizierten Minderungspotenziale und -ziele, steckten den bestehenden sowie einen förderlicheren Rechtsrahmen ab und zeigten Maßnahmen, Instrumente und Umsetzungsoptionen auf.
Biodiversität: Landnutzungsänderungen zerstören Ökosysteme
Nicht nur Stickstoffemissionen wirken sich nachteilig auf die biologische Vielfalt aus. Auch der Einsatz von Phosphaten und Pestiziden führt zu Biodiversitätsverlusten. Landnutzungsänderungen wie beispielsweise Rodungen zerstören natürliche Ökosysteme ganz direkt – besonders drastisch in den Regenwäldern des globalen Südens. Zudem führt eine immer intensivere Bewirtschaftung zum Verlust von heterogen strukturierten Agrarlandschaften, die sich durch eine hohe Artenvielfalt auszeichnen.
Die Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion geht vielfach mit einer Übernutzung der natürlichen Ressourcen einher. Infolgedessen nimmt die organische Substanz im Boden ab, was zu Bodenerosion, Verdichtung und Versalzung führt – auch dies hat negative Auswirkungen auf die Biodiversität.
Doch auch nach der Ernte hat die Produktion von Lebensmitteln noch schädigenden Einfluss auf die ökologische Vielfalt. Von der Lebensmittelindustrie über den Transport, die Weiterverarbeitung bis zum Plastikabfall verschlingt jeder Schritt in der Wertschöpfungskette Ressourcen, Energie und Wasser oder verbraucht Flächen. Der durch die dabei ausgestoßenen Treibhausgase verursachte Klimawandel selbst verändert global die Ökosysteme, gerade für die Spezialisten unter den Arten ist dies ein massives Problem.
Agrarpolitik nachhaltiger gestalten, Verbraucher mitnehmen
Um die miteinander verzahnten Probleme anzugehen, braucht es eine nachhaltigere Landwirtschaft, die Boden, Wasser und die biologische Vielfalt schützt. Eine verantwortungsvolle Produktionsweise kann auch künftige Generationen ernähren und hinterlässt ihnen eine intakte Umwelt. Sie schont das Klima und hat dabei die globale soziale Dimension im Blick. Zudem macht sie ein gutes Leben auf dem Land möglich.
Um diese Ziele zu erreichen, sind vielfältige Lösungsansätze erforderlich. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts aus unterschiedlichen Fachbereichen bringen ihre Expertise ein, um Instrumente zu entwickeln, die zur Gestaltung einer nachhaltigen Landwirtschaft beitragen. Teils setzen sie auf der politischen Ebene an, teils fokussieren sie das Verhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern.
Die gemeinsame Agrarpolitik der EU
Eine erhebliche Lenkungswirkung auf die Landwirtschaft hat die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU. Im Juni 2018 hat die EU-Kommission dazu ein Reformpaket für die Jahre 2021 bis 2028 vorgelegt, das Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts im Auftrag von Germanwatch in Bezug auf seine Klimaschutzwirkung bewertet haben. Die Kernaussage: Es wird in dieser Form nicht genügen, um die Ziele für Klima und Umwelt zu erreichen und die Ziele der „Farm to Fork Strategy“ und des „Green New Deal“ umzusetzen.
Die Verhandlungen zur neuen Agrarpolitik sind immer noch nicht abgeschlossen. Auf EU-Ebene findet Anfang Mai der nächste Trilog zur EU-Agrarreform statt. In Deutschland laufen die Diskussionen zur nationalen Umsetzung. Mittlerweile hat sich das Bundeskabinett auf wesentliche Gesetzentwürfe zur Umsetzung der EU-Agrarpolitik geeinigt (Stand April 2021).
Um Zahlungen aus dem EU-Agrarbudget zu erhalten, sind heute schon diverse Mindeststandards verpflichtend. Sie sollen einen „guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (GLÖZ)“ sicherstellen. Die genaue Ausgestaltung der neuen GLÖZ-Standards ist jedoch noch unklar, vor allem, was den Schutz von Feuchtgebieten und das Nährstoffmanagement angeht. Neu hinzukommen sollen die freiwilligen Eco-Schemes, durch die Bauern höhere Flächenprämien erhalten, wenn sie zusätzliche Umwelt- und Klimaauflagen erfüllen. Die Eco-Schemes sind von den einzelnen Mitgliedsstaaten auszugestalten.
Als klare Treiber für eine Emissionsminderung in der Landwirtschaft wurden die folgenden Faktoren identifiziert:
- Reduktion der Stickstoffeinträge inklusive der Verringerung der Stickstoffüberschüsse
- Flächenbindung bei der Tierhaltung, insbesondere die Grünlandbindung für Wiederkäuer
- moorschonende Bewirtschaftung landwirtschaftlich genutzter organischer Böden
- Ausweitung von unbewirtschafteten Flächen und Agroforstsystemen
Bei einer ambitionierten Ausgestaltung der GLÖZ-Standards und der Eco-Schemes könnte die Agrarpolitik einen Beitrag zur Reduktion der Treibhausgase im europäischen Agrarsektor bis 2030 leisten. Inwieweit ausreichende Mittel zur Finanzierung zur Verfügung stehen, ist bislang unklar.
Das Nachhaltige-Lebensmittel-Gesetz: für eine Transformation in der Landwirtschaft
Ein innovatives Instrument für die notwendige Transformation der Landwirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit entwickeln Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Öko-Institut, FIBL und Bioland im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Analog zum Erneuerbare-Energien-Gesetz, das der regenerativen Energieerzeugung in Deutschland (und auch global) einen gewaltigen Schub gab, soll das Nachhaltige-Lebensmittel-Gesetz (NLG) die Agrarwende voranbringen.
Die höheren Kosten für Lebensmittel, die die Biodiversität fördern und Klima und Umwelt schützen, bekämen die Produzentinnen und Produzenten über eine Art fester „Einspeisevergütung“ erstattet. Die Kostendifferenz zwischen Marktpreisen und Festpreisen wiederum würden in Form einer Umlage auf alle Produkte verteilt. Beteiligt an der Entwicklung dieses zukunftsweisenden Politikinstruments sind auch Landwirtschaftsvertreter und Akteure aus der Zivilgesellschaft. Schlussendlich soll das NLG sowohl die Nachfrage- als auch die Angebotsseite adressieren.
Gemeinschaftsverpflegung: ein großer Hebel
Eindeutig ist, dass sich für eine nachhaltigere Landwirtschaft nicht nur die Produktion, sondern auch der Konsum, sprich die Ernährung selbst, ändern muss. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts haben in einem Working Paper Politikempfehlungen für eine Transformation der Gemeinschaftsverpflegung erarbeitet. Dieser Bereich kann als Systemhebel gesehen werden, da er oft im direkten Einfluss öffentlicher Beschaffung liegt. Zudem kommen hier verschiedene Bevölkerungsgruppen unterschiedlichen Alters, insbesondere auch Kinder und Jugendliche, mit einem nachhaltigen Angebot in Kontakt.
Als Ziele für die angestrebte Transformation der Gemeinschaftsverpflegung identifizierten die Forscherinnen und Forscher folgende Eckpunkte:
- Reduktion des Anteils tierischer Produkte in der Gemeinschaftsverpflegung, beispielsweise Einhaltung der Empfehlungen der DGE hinsichtlich der Fleischmengen
- Erhöhung des Angebots an attraktiven und leckeren fleischfreien Alternativen in der Gemeinschaftsverpflegung
- Erhöhung des Anteils an Lebensmitteln aus nachhaltiger Produktion in Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung; dazu gehören insbesondere Bio-Lebensmittel und tierische Produkte aus Haltungssystemen mit anspruchsvollen Tierschutzstandards.
- Reduktion von Lebensmittelabfällen
- Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen leisten durch ihr Angebot einen Beitrag dazu, dass Verbraucherinnen und Verbraucher nachhaltig hergestellte Lebensmittel (wieder) wertschätzen.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler benannten auch Hemmnisse für die Umsetzung einer nachhaltigeren Verpflegung in Gemeinschaftseinrichtungen und erarbeiteten Handlungsempfehlungen auf Bundes- und Landesebene.
Öffentliche Beschaffung: Biodiversität in den Blick nehmen
Im Rahmen des Forschungsvorhabens „Biodiversitätskriterien in der Beschaffung II“ thematisierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts, wie das Thema Ernährung mit dem Blick auf den Schutz von Biodiversität und Ökosystemleistungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge für Lebensmittel und Catering-Dienstleistungen berücksichtigt werden kann. Im Rahmen des Vorhabens wurden bestehende Erkenntnisse zu ausgewählten Biodiversitätskriterien überarbeitet und erweitert sowie Handlungsempfehlungen zur praxisbezogenen Umsetzung im Beschaffungswesen vorgelegt.
Die Ergebnisse sind so formuliert, dass sie unmittelbar in vergaberechtliche Verwaltungsvorschriften Eingang finden könnten. Sie sehen konkrete inhaltliche Anforderungen an die öffentlichen Beschaffungsgegenstände vor, mit deren Einhaltung der Staat in seiner Vorbildfunktion ein naturfreundliches Vergabewesen des Bundes in überprüfbarer Form etablieren kann. Die Hauptansatzpunkte lassen sich im Prinzip 1:1 auf den privaten Konsum übertragen.
- Einkauf von Lebensmitteln, die mit geringeren Umweltauswirkungen produziert wurden.
- Einkauf von Lebensmitteln, für deren Produktion keine Ökosysteme zerstört werden, die wichtig für den Erhalt der Biodiversität sind (z. B. subtropische oder tropische Primärwälder, Mangrovenwälder).
- Durchführung von Maßnahmen, um Lebensmittelabfälle – und damit die Überproduktion von Lebensmitteln – möglichst zu reduzieren.
- Durchführung von Maßnahmen, um den Einsatz tierischer Lebensmittel zu verringern.
Artikel „Über kurz oder lang wird der Tierbestand zum Klimathema“ auf dem Blog des Öko-Instituts
Artikel „Die Zukunft liegt auf unseren Tellern“ auf dem Blog des Öko-Instituts
Artikel im Magazin eco@work „Klimaziele 2030: Landwirtschaft – die Ungewöhnliche“
Artikel „Eine Welt ohne Hunger“ auf dem Blog des Öko-Instituts