
Kohleausstieg in Deutschland: Nachhaltigen Strukturwandel gestalten
Beim Klimagipfel von Paris hat sich die Bundesregierung dazu verpflichtet, die CO2-Emissionen in Deutschland zu senken. Der 2016 verabschiedete Klimaschutzplan 2050 beinhaltet Maßnahmen, wie diese Ziele schrittweise umgesetzt werden sollen.
Um die globale Erwärmung unter zwei Grad zu halten, besser noch maximal 1,5 Grad Klimaerhitzung zu erreichen, muss sich die Weltgemeinschaft erheblich anstrengen. Deutschland als wirtschaftlich starkes Land kann und muss dazu seinen Beitrag leisten.
Nachdem das mittelfristige Ziel für 2020 – ein Minus von 40 Prozent Treibhausgasemissionen – bei den Koalitionsverhandlungen Anfang 2018 aufgegeben wurde, ist es für die Erreichung des Klimaschutzziels 2030 vonnöten, deutlich aktiver zu werden.
Kohleausstieg – Schlüssel zum Klimaschutz
Einen wesentlichen Anteil der deutschen Treibhausgasemissionen (36 Prozent) verursacht die Stromproduktion. Rund 70 Prozent der Emissionen des Stromsektors wiederum stammen aus Braun- und Steinkohlekraftwerken, welche 2017 jedoch nur noch 36 Prozent zur Stromerzeugung beitrugen. Die Stilllegung von Kohlekraftwerken stellt somit einen Schlüssel zum Klimaschutz dar.
Hinzu kommt, dass die Zusammensetzung des Stroms auch großen Einfluss auf die Klimafreundlichkeit der Sektoren Verkehr und Gebäude hat. Für die Umweltbilanz von Elektroautos und elektrischen Wärmepumpen ist es entscheidend, wie hoch der Anteil von Ökostrom im Netz ist.
In Deutschland sind noch viele Kohlekraftwerke aus den 1960er, 70er und 80er Jahren in Betrieb, die einen besonders niedrigen Wirkungsgrad aufweisen. Zudem emittieren sie nicht nur CO2 sondern schädigen die Gesundheit der Anwohnerinnen und Anwohner auch durch Feinstaub und andere Emissionen. Dennoch ist insbesondere in den Braunkohlerevieren die Bindung vieler Menschen an die gewohnten Strukturen groß und die Angst vor Arbeitsplatzverlusten hoch.
Bevölkerung mitnehmen – die Kohlekommission
Im Juni 2018 hat die Bundesregierung die „Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ (Kohlekommission) eingesetzt, die Ende Januar 2019 einen Plan für den Kohleausstieg erarbeitet hat. Unter den 28 stimmberechtigten Mitgliedern aus Politik, Wissenschaft, Industrie, Gewerkschaften und Umweltverbänden war auch Dr. Felix Matthes vom Öko-Institut als Experte vertreten. Die Kohlekommission sollte alle ökologischen, ökonomischen, gesellschaftlichen und sozialen Aspekte des Kohleausstiegs einbeziehen und möglichst zu einem Konsens führen.
Spätestens 2038 soll Deutschland nun komplett aus der Kohle ausgestiegen sein, 40 Milliarden Euro fließen in die betroffenen Regionen, um den Strukturwandel dort sozialverträglich abzufedern. Der für den Klimaschutz wichtigste Punkt ist, dass der Einstieg in den Ausstieg schnell geht und so größere Mengen an CO2 vermieden werden: Bis 2022 sollen Kohlekraftwerke mit einer Leistung von 12,5 Gigawatt stillgelegt werden.
Außerdem soll die installierte Leistung der Kohlekraftwerke im Jahr 2030 um 60 Prozent gegenüber dem Jahr 2017 sinken. Zwischen den Jahren 2023 und 2030 soll die Emissionsminderung möglichst stetig verlaufen. 2032 soll überprüft werden, ob nicht ein Ende der Kohleverstromung schon 2035 möglich ist, spätestens 2038 soll das letzte Kohlekraftwerk vom Netz gehen.
Jetzt ist die Bundesregierung gefragt.
In den nächsten Jahren gilt es, die Ergebnisse der Kohlekommission umzusetzen:
- Um die Erzeugungskapazitäten aus Braun- und Steinkohle zu ersetzen, muss der Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigt werden. Eine große Rolle spielen dabei Wind- und Solaranlagen. Für einen Übergangszeitraum stellen flexible Erdgaskraftwerke die Versorgung sicher.
- Durch den Kohleausstieg können Braunkohletagebaue verkleinert werden. Neue Tagebaue sind nicht mehr notwendig.
- Viele Kohlekraftwerke sind KWK-Anlagen, die neben Strom auch Wärme produzieren. Um die Wärmeversorgung weiterhin sicherzustellen, ist hier in vielen Fällen der Bau von Ersatzkapazitäten notwendig.
- Des Weiteren braucht es ein Monitoring und gegebenenfalls eine Nachsteuerung, ob ausreichend Speicher und Kraftwerkskapazitäten im Bau sind, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Klimaschädliche Braunkohlekraftwerke in Deutschland
Studie: Die deutsche Braunkohlewirtschaft
Im Auftrag von Agora Energiewende hat das Öko-Institut 2017 eine Studie zur historischen, politischen, wirtschaftlichen, ökologischen und regionalstrukturellen Bedeutung der Braunkohlewirtschaft erstellt.
Will man Braunkohlekraftwerke zügig stilllegen, ist es erforderlich, die komplexen Zusammenhänge zu verstehen, die dem System zugrunde liegen. Die Studie schafft eine Faktenbasis für einen erfolgreichen Umbau der deutschen Braunkohlewirtschaft.
Der Strukturwandel im Braunkohlebergbau muss vorausschauend geplant werden, denn die Prozesse und Regulierungen sind äußerst langfristig angelegt. Die Studie will zum Verständnis der vielfältig verwobenen strukturellen Merkmale der deutschen Braunkohlewirtschaft beitragen, um einen Umbau dieses Industriezweiges gut zu gestalten.
Studie "Die deutsche Braunkohlenwirtschaft" von Agora Energiewende und Öko-Institut