EU-Emissionshandel: Weniger Zertifikate für mehr Klimaschutz

Um die Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen und die gefährlichen Folgen des Klimawandels abzuwenden, müssen die Industriestaaten ihre Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 auf fast Null reduzieren. Ein Instrument, diese langfristigen Klimaschutzziele zu erreichen, ist der Emissionshandel (Emissions Trading System, ETS). In der Europäischen Union wurde er am 1. Januar 2005 für alle Mitgliedsstaaten eingeführt.

Das Prinzip „cap and trade“

Unternehmen der Energiewirtschaft und Industrieanlagen müssen für ihre Treibhausgasemissionen sogenannte Emissionszertifikate einreichen. Ein Zertifikat (European Union Allowance, EUA) berechtigt das Unternehmen, eine Tonne Kohlendioxid beziehungsweise eine äquivalente Menge anderer Treibhausgase zu emittieren. Die Gesamtmenge an ausgegebenen Zertifikaten ist begrenzt (cap) und sinkt jährlich.

Die übergeordnete Idee ist, die gesamten CO2-Emissionen dort zu reduzieren, wo es am kostengünstigsten ist. So können die Unternehmen ihre Anlagen technisch so verbessern, dass sie weniger Treibhausgase ausstoßen. Tun sie dies nicht, müssen sie mehr Emissionsberechtigungen erwerben. Emissionsrechte sind frei handelbar (trade) und werden in öffentlichen Auktionen auf den Markt gebracht.

Unternehmen der Energiewirtschaft müssen seit 2013 sämtliche Zertifikate für die mit der Stromerzeugung verbundenen Emissionen kaufen. Die meisten industriellen Anlagen erhalten hingegen anteilig auch kostenfreie Zertifikate, um ihre Emissionen zu decken. Dies liegt in der Sorge begründet, dass die Firmen ihre energieintensive Produktion bei zu hohen Kosten ins außereuropäische Ausland verlagern könnten. Seit 2012 umfasst der Emissionshandel auch die Luftfahrt.

Überschuss an Zertifikaten führt zum Preisverfall

In der ersten Handelsperiode zwischen 2009 und 2012 überstieg das Angebot an Emissionszertifikaten auf dem Markt deutlich die Nachfrage, was zu einem Preisverfall führte. Dies machte Investitionen in effiziente Technik betriebswirtschaftlich gesehen weniger rentabel. In Folge stieg das Risiko sogenannter „Carbon Lock-Ins“ – Firmen investierten in kohlendioxidintensive Technologien, die dann über Jahre im Einsatz sind.

Um dem Überangebot an Zertifikaten entgegenzuwirken, wurden in den Jahren 2014 bis 2016 Zertifikate im Wert von 900 Millionen Tonnen CO2 zurückgehalten, das sogenannte „Backloading“. Die Maßnahme zeigte Wirkung – bereits seit 2017 steigen die Preise, denn der Überschuss an Emissionsrechten sinkt. Ab 2019 werden die zurückgehaltenen Zertifikate in eine Marktstabilitätsreserve überführt. Diese soll das System in Zukunft widerstandsfähiger machen.

Im Jahr 2018 beschlossen die europäischen Gesetzgeber, dass bestimmte Überschussmengen in der Marktstabilitätsreserve gelöscht werden. Zudem können die Mitgliedsstaaten nationale Maßnahmen auf die auktionierten Mengen anrechnen. Nach dieser Entscheidung stieg der Preis für Emissionshandelszertifikate noch einmal deutlich an und erreichte im September 2018 pro Tonne CO2-Äquivalente 20 Euro.

Seit dem Bestehen des Emissionshandelssystems berät das Öko-Institut die Bundesregierung, die Europäische Kommission, Unternehmen und Umweltverbände bei seiner konkreten Verbesserung und Weiterentwicklung. Damit waren beziehungsweise sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Öko-Instituts maßgeblich an der Einführung und Weiterentwicklung des EU ETS beteiligt.

Beobachtung der Emissionshandel-Emissionen und Marktverhältnisse

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts bereiten für die Europäische Umweltagentur (European Environment Agency, EEA) im Rahmen des European Topic Centers die ETS Daten für den EEA ETS Dataviewer auf. Außerdem bereiten sie den jährlichen Bericht „Trends and projections in the EU ETS“ vor. Dieser wertet die Emissionsentwicklung in der Europäischen Union innerhalb des Emissionshandelssystems aus und stellt Trends dar.

Ein besonderer Fokus liegt in dem Bericht neben den übergeordneten Trends auf der Betrachtung der Entwicklungen in einzelnen Sektoren und der Balance zwischen Angebot und Nachfrage an Zertifikaten. Auch werden die nationalen Treibhausgas-Projektionen berücksichtigt und deren Auswirkungen auf das Emissionshandelssystem betrachtet.

Studie: „Trends and projections in the EU ETS in 2018“ für die Europäische Umweltagentur

Der Flugverkehr im Emissionshandel

Die Emissionen aus der Luftfahrt steigen seit vielen Jahren ungebremst. Um diesem Wachstum zu begegnen, hat sich die EU entschlossen, den Flugverkehr in den Emissionshandel einzubeziehen. Da die kostenfrei zugeteilten Emissionsrechte geringer waren als die tatsächlich ausgestoßenen Treibhausgase, müssen die meisten Luftverkehrsbetreiber Zertifikate in Auktionen oder von den Unternehmen des stationären Emissionshandels kaufen.

Neben den sinkenden Zertifikatsmengen und der mit dem Wirtschaftswachstum verbundenen erhöhten Nachfrage, führt die Einbeziehung dieses Sektors zu einer Reduktion des Überschusses an Emissionszertifikaten. Das Öko-Institut berät zu vielen Aspekten des Luftverkehrs, darunter auch zu allen Fragen des Emissionshandels ebenso wie zu CORSIA (Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation), dem 2016 von allen Mitgliedsstaaten der UN beschlossenen globalen CO2-Kompensations-System für den Luftverkehr.

Studie: „Weiterentwicklung des EU-ETS im Luftverkehr vor dem Hintergrund der Einführung einer globalen marktbasierten Maßnahme durch die ICAO“

Untersuchungen zur Verlagerung von Unternehmen mit hohem Treibhausgasausstoß

Im Auftrag der Europäischen Kommission hat das Öko-Institut gemeinsam mit Trinomics und cambridge econometrics erforscht, in welchen Sektoren eine Verlagerung von Unternehmen mit hohem Treibhausgasausstoß in Länder mit geringeren Umweltauflagen (das sogenannte „Carbon Leakage“) besonders wahrscheinlich ist. Um Kosten für Emissionsrechte zu sparen, investieren einige Firmen nicht in mehr Effizienz sondern verlagern ihre Industrieanlagen in außereuropäische Staaten.

Dies hintertreibt zum einen das dem Emissionshandel zugrunde liegende Ziel, den globalen CO2-Ausstoß zu senken. Nur weltweite Anstrengungen zur Eindämmung der Treibhausgasemissionen werden die Klimaerwärmung begrenzen. Zum anderen schadet eine Abwanderung von Industrieunternehmen der europäischen Wirtschaft.

Die Carbon-Leakage-Liste

Unternehmen mit einem hohen Carbon-Leakage-Risiko werden auf einer offiziellen Liste der EU geführt und genießen eine Sonderbehandlung. So wird ihnen ein höheres Budget an Emissionszertifikaten kostenlos zugeteilt.

Um festzustellen, welche energieintensiven Unternehmen besonders gefährdet sind und daher auf die Liste kommen, wird der Carbon-Leakage-Indikator nach genau festgelegten Regeln angewendet. Die Methode beinhaltet die Intensität der direkten und indirekten Emissionen eines Unternehmens und setzt sie in Bezug zu seiner Handelsintensität. Weitere methodische Kontrollen vergleichen die so entstandenen Daten mit denen der vorangegangenen Carbon-Leakage-Liste. Erst dann wird entschieden, ob ein Unternehmen in die Liste der Folgejahre aufgenommen wird.

Studie: „Carbon Leakage List – Methodology for the Quantitative Assessment“ im Auftrag der Europäischen Kommission