
Energiewende – verursachergerecht und sozialverträglich
Die Energiewende ist ein gesamtgesellschaftliches Großprojekt. Nichts Minderes steht an als die Neustrukturierung der Energieversorgung. Für die Stromerzeugung bedeutet dies, wegzukommen von fossilen Energieträgern hin zu sauberen regenerativen Energien, die zumeist dezentral verteilt sind. Bei der Stromnutzung ist ein stromsparendes Verhalten mit effizienten Geräten angesagt.
Im Bereich der Mobilität steht ein Austausch von fossilen, spritfressenden Fahrzeugen durch eine emissionsfreie Fortbewegung an. In der Wärmeversorgung geht der Trend weg von fossilen Heizungen und schlecht gedämmten Gebäuden hin zu besseren Effizienzstandards und regenerativen Energien. Viele dieser Transformationen müssen beim Umbau des Energiesystems in den kommenden Jahren gleichzeitig vollzogen werden. Dabei ist zu gewährleisten, dass auch zukünftig die Versorgung der Bevölkerung mit Wärme, Strom und Mobilität sicher und bezahlbar ist.
Um diese Herausforderung zu stemmen, müssen alle mitmachen – Wirtschaft, Industrie und auch jeder Bürger und jede Bürgerin. Mobilitätsverhalten, Ernährung, Freizeitaktivitäten, Wohnen – in vielen Lebensbereichen sind Klimaschutzmaßnahmen notwendig. Dabei müssen die staatlichen Anreize und Rahmenbedingungen stimmen, denn die Menschen sind bei der Umsetzung solcher Maßnahmen und Projekte unterschiedlich stark betroffen. Eine sozialverträgliche Gestaltung der Energiewende ist sehr wichtig, um die Teilhabe aller Menschen an einer nachhaltigen Zukunft zu ermöglichen.
Einkommensschwache Haushalte stärker betroffen
Politische Maßnahmen, die für eine verursachergerechte Bepreisung von Energie und Ressourcen sorgen oder Anreize und Standards für klimafreundliche Investitionen oder Verhaltensweisen setzen, haben unterschiedliche Auswirkungen auf verschiedene gesellschaftliche Gruppen. So geben die deutschen Haushalte mit geringem Einkommen einen erheblich höheren Anteil ihres Budgets für die Versorgung mit Strom und Wärme aus als die finanziell besser gestellten.
Fließen bei den unteren Einkommensgruppen fünf Prozent ihrer monatlich verfügbaren Mittel in die Stromkosten, so sind es bei den einkommensstarken Haushalten nur 1,5 Prozent, obwohl letztere doppelt so viel Strom verbrauchen. Bei den Heizkosten ist die Diskrepanz noch größer: Die Haushalte am oberen Ende der Einkommensskala verbrauchen dreimal so viel Energie wie die am unteren, geben jedoch nur knapp zwei Prozent ihres Budgets dafür aus, während es bei den einkommensschwachen Haushalten fast fünf Prozent sind.
Heizenergie: Verbrauch und Kosten im Überblick
Woher kommen diese Unterschiede beim Energieverbrauch? Je besser eine Bevölkerungsgruppe finanziell gestellt ist, desto intensiver kann sie verschiedenste Konsummöglichkeiten ausschöpfen: So leben Haushalte mit hohen Einkommen oft in deutlich größeren Wohnungen, haben eine opulentere Ausstattung an elektronischen Geräten, fahren größere Autos und haben damit auch einen größeren CO2-Fußabdruck. Festzustellen ist aber auch: Haushalte mit hohem Einkommen sind für Preissignale oft weniger stark empfänglich.
Haushalte in Deutschland und ihr Einkommen
Energiewende sozialverträglich gestalten
Energie, insbesondere aus fossilen Quellen, muss teurer werden, um einerseits den Energieverbrauch zu verringern und andererseits den Umstieg auf erneuerbare Energiequellen anzureizen. Gleichzeitig sind Programme vonnöten, die die Auswirkungen auf einkommensschwache Haushalte abfedern. Eine sozialverträgliche Energiewende muss alle Menschen einbeziehen, Energiearmut verhindern und besonders belastete Haushalte unterstützen.
Alle Haushalte können ihren Energieverbrauch senken – etwa durch die Anschaffung energieeffizienterer Geräte aber auch durch Verhaltensänderungen. Gerade bei Haushalten mit niedrigem Einkommen machen sich die Einsparungen sofort im Budget bemerkbar. Gleichzeitig verfügen diese oft nicht über die Mittel, um effizientere Geräte anzuschaffen. Auf den energetischen Zustand ihres Wohnraums haben viele Menschen wenig Einfluss, da sie zur Miete wohnen.
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, wie der Staat alle Haushalte ermuntern und unterstützen kann, sich an der Energiewende zu beteiligen. Dazu gehören etwa Zuschüsse für notwendige Neuanschaffungen oder Informationskampagnen zu energiesparendem Verhalten. Ebenso kann der gesetzliche Rahmen angepasst werden, um beispielsweise Mieterinnen und Mietern einen höheren Einfluss auf die Art ihrer Strom- und Wärmeversorgung zu ermöglichen oder Klimaschutz bei staatlichen Leistungen zu berücksichtigen – etwa durch die Einbeziehung des energetischen Zustands von Wohnraum im Rahmen des Wohngelds.
Zielgruppenspezifische Ansprache
Dass die anstehenden Transformationen alle Bürgerinnen und Bürger erreichen sollten, bedeutet aber auch, dass differenzierte Instrumente notwendig sind, um die diversen Bevölkerungsgruppen anzusprechen.
Einkommensstärkere Haushalte etwa haben einen größeren Spielraum, um zum Klimaschutz beitragen. Einerseits ist ihr Energieverbrauch – und somit auch ihr Einsparpotenzial – in der Regel höher. Andererseits verfügen sie über die finanziellen Mittel, um Veränderungen anzustoßen. Wer Wohneigentum besitzt, kann durch eine energetische Sanierung den Verbrauch fossiler Energien deutlich reduzieren. Wer über die Mittel für den Kauf eines neuen Autos verfügt, kann auf ein Elektroauto umsteigen.
Preisbasierte Instrumente sind für diese Zielgruppe allein oft nicht ausreichend, das Kostenargument wiegt für sie nicht genug. In der zielgruppenspezifischen Ansprache gilt es daher, weitere Vorteile herauszustellen: Beispielsweise gehen mit der Sanierung des Eigenheimes auch Einbruchsschutz, mehr Wohnkomfort, verbesserte Gesundheit oder Wertsteigerung einher.
Auch andere Zielgruppen benötigen auf sie abgestimmte Instrumente. Es darf nicht vergessen werden, dass der Besitz von Wohneigentum nicht gleichzeitig bedeutet, zu den höheren Einkommensklassen zu zählen. Gerade auf dem Land leben oft Menschen zwar im eigenen Häuschen, kommen mit ihrer geringen Rente jedoch nur aus, weil sie keine Mietkosten zu bezahlen haben. Ihnen fehlen die finanziellen Mittel, um eine energetische Sanierung anzugehen. Gleichzeitig stellen steigende Energiepreise – etwa im Rahmen der Einführung eines CO2-Preises – für diese Personengruppe eine große Belastung dar.
CO2-Preis – sozial ausgewogen
Produkte sollten die ökologischen Kosten widerspiegeln, die bei ihrer Erzeugung und ihrem Gebrauch entstehen. Nicht-klimafreundliches Verhalten – sei dies bezogen auf Gebrauchsgüter, Strom, Wärme oder Mobilität – ist dann teurer, klimafreundliche Optionen hingegen – und diese gibt es in allen Bereichen – werden günstiger.
Eine Möglichkeit, Preissignale verursachergerecht und klimaschutzwirksam zu setzen, ist ein Preis auf Kohlendioxid und andere Treibhausgase. Das Öko-Institut hat im Auftrag von Agora Verkehrswende und Agora Energiewende untersucht, wie eine CO2-Bepreisung sozial ausgewogen gestaltet werden kann.
Die Berechnungen legen einen Preis von 50 Euro für jede Tonne ausgestoßener CO2-Äquivalente zugrunde, welcher auf Heizöl, Erdgas, Diesel und Benzin aufgeschlagen wird. Ein solcher Aufschlag ist durchaus geeignet, eine Lenkungswirkung zu entfalten. Das Geld fließt jedoch nicht in die Staatskasse, sondern wird an die Bürgerinnen und Bürger zurückerstattet. Diese Rückerstattung kann so ausgestaltet werden, dass die Einführung eines CO2-Preises die soziale Gerechtigkeit befördert.
Einkommensschwache Haushalte profitieren
Die Rückerstattung erfolgt in Form einer Klimaprämie von 100 Euro jährlich pro Kopf. Zudem sinkt die Stromsteuer von 2,05 auf 0,1 Cent pro Kilowattstunde. Für besonders belastete Haushalte, beispielsweise Pendler auf dem Lande, wird ein Ausgleichsfonds geschaffen.
Mehr als die Hälfte aller Haushalte und insbesondere Familien mit Kindern würden von einem solchen Modell der CO2-Bepreisung profitieren. Dies gilt vor allem für die unteren und mittleren Einkommensgruppen. Eine moderate Belastung ergäbe sich für einkommensstärkere Haushalte, vor allem für allein lebende Menschen mit großen Wohnungen. Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit gehen hier Hand in Hand.
Energiearmut-Studie: Wenn das Licht auszugehen droht
In einem durch das Bundesforschungsministerium (BMBF) geförderten Vorhaben zur sozialverträglichen Gestaltung der Energiewende und zu Perspektiven der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern, hat sich das Öko-Institut auch mit dem Thema Energiearmut befasst. In einem ersten Schritt wurde untersucht, welche Maßnahmen und Politiken andere EU-Länder anwenden, um dem Problem zu begegnen. Während in Deutschland der Begriff der Energiearmut gar nicht konkret definiert ist, spielt er in anderen Ländern eine große Rolle in der politischen Diskussion.
Was tun beispielsweise Frankreich, Großbritannien, Schweden, Irland oder Dänemark, um Energiearmut, Strom- oder Heizungssperren zu verhindern? Und inwieweit lassen sich diese Instrumente und Maßnahmen auf Deutschland übertragen? Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts untersuchten dabei insbesondere Maßnahmen, die helfen, gleichzeitig die Klimaschutzziele zu erreichen und Energiearmut zu bekämpfen.
Die Studie unterschied dabei Maßnahmen zum Preismanagement, zur Förderung von Energieeffizienz, Beratung und Information sowie gesetzliche Bestimmungen. So übernehmen England und Irland beispielsweise im Winter einen Teil der Heizkosten für einkommensschwache Haushalte, in Frankreich bietet das Programm „Habiter mieux“ kommunale Zuschüsse zu den Wohnkosten, wenn Mieterinnen und Mieter nach einer Sanierung eine erhöhte Kaltmiete tragen müssen.
Soziale Dimension mitdenken
Eine wichtige Erkenntnis der Studie: Finanzielle Unterstützung allein reicht nicht aus, sondern sollte immer mit Information und Beratung gekoppelt sein. Energie- und Sozialpolitik haben unterschiedliche Stoßrichtungen, daher sollten soziale Aspekte auch der Sozialpolitik überlassen bleiben. Allerdings sollte die Energiepolitik so ausgestaltet sein, dass sie soziale Ungleichheit nicht verstärkt. Gleichzeitig gilt für die Sozialpolitik, dass sie energie- und klimapolitische Aspekte nicht außer Acht lassen sollte.
Einfache Lösungen, die soziale und klimapolitische Aspekte integrieren und auf alle Zielgruppen angepasst sind, wird es nicht geben. Die Herausforderung ist und bleibt, bei der notwendigen Transformation hin zu mehr Klimaschutz die soziale Dimension mitzudenken – auf dass alle an der Energiewende teilhaben können.
eco@work Dezember 2018: „Die soziale Seite der Energiewende“
Konferenzpapier „Energy efficiency vs. renewable energy policies within the German Energiewende – What are the distributional implications for households?” im Rahmen der International Energy Policy and Programme Evaluation Conference, Amsterdam 2016 (www.ieppec.org)