
Energie und Klimaschutz
Deutschland hat sich 2011 mit der Energiewende auf den Weg gemacht, seine Energieversorgung sicher, sauber und bezahlbar zu machen. Die Bundesregierung hat mit dem Klimaschutzplan 2050 anspruchsvolle, nationale Klimaschutzziele bestätigt und weiter präzisiert. Bis 2050 soll Deutschland vor allem durch regenerative Quellen und Energieeffizienz weitgehend treibhausgasneutral werden.
Doch das ambitionierte Handeln der Bundesrepublik ist ins Stocken geraten – es droht eine Klimalücke: Die Bundesregierung hat von ihrem Ziel, die Emissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken, bereits Abstand genommen und neue, sektorale Zwischenziele für das Jahr 2030 im Klimaschutzplan verankert. Wesentliche Herausforderungen bestehen etwa beim Kohleausstieg sowie dem Klimaschutz im Wärme- und Mobilitätsbereich. Aber etwa auch mit Blick auf die Wald- und Landwirtschaft oder den Bereich Biomasse sind verstärkte Anstrengungen notwendig.
Energie und Klimaschutz in Europa
Mit diesen Anstrengungen trägt Deutschland auch dazu bei, die europäischen Energie- und Klimaziele zu erfüllen. Bis 2030 sollen hier die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um mindestens 40 Prozent gesenkt, der Anteil regenerativer Energien auf mindestens 32 Prozent erhöht und die Energieeffizienz um mindestens 32,5 Prozent gesteigert werden. Zur Erfüllung des Klimaziels müssen alle Länder Ziele für die Emissionen erfüllen, die nicht vom europäischen Emissionshandel gedeckt sind. Ohne weitere Maßnahmen kommen auf Deutschland Kosten in zweistelliger Milliardenhöhe zu, da nach aktuellen Prognosen das Ziel deutlich verfehlt wird.
Internationaler Klimaschutz
Im Dezember 2015 erklärte die internationale Staatengemeinschaft bei den Klimaverhandlungen in Paris, dass der Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur auf deutlich unter zwei Grad gehalten werden soll und Anstrengungen unternommen werden sollen, um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Eine vollständige Transformation unserer Energieversorgung weg von fossilen und hin zu regenerativen Energieträgern ist dabei ein unausweichlicher Schritt. Darüber hinaus gelten auch weltweit immense Herausforderungen für den Klimaschutz – etwa mit Blick auf Landnutzung und Landnutzungsänderungen. Das betrifft zum Beispiel die Abholzung des Tropenwaldes, um Palmöl oder andere lukrative Pflanzen anzubauen, oder die Gewinnung von fossilen Gasen durch Fracking mit nicht absehbaren Folgen für Böden und Grundwasser. Bei den internationalen Klimaverhandlungen werden klare Regeln zur Erfassung und Berichterstattung von Emissionen sowie Politiken und Maßnahmen zu deren Reduktion verhandelt. Im Zentrum der internationalen Verhandlungen zum Klimaschutz stehen dabei nicht zuletzt auch Verteilungsfragen: Wo können Emissionen am kostengünstigsten reduziert werden, welche Anpassungsmaßnahmen sind zu schultern, welche Transfers sind möglich und erforderlich, wie lässt sich Gerechtigkeit herstellen?
Ein weiter Weg
Bereits 1980 hat das Öko-Institut mit der Analyse „Energiewende – Wachstum und Wohlstand ohne Erdöl und Uran“ gezeigt, dass eine Welt ohne Kernenergie und fossile Energien möglich ist, ohne auf Wachstum und Wohlstand zu verzichten. Auch Jahrzehnte nach dieser Studie arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in unterschiedlichen Schwerpunkten daran, die notwendige Transformation unserer Gesellschaft hin zu mehr Klimaschutz zu unterstützen und voranzubringen. Wir entwickeln entsprechende Strategien und Instrumente, begleiten und bewerten Politiken und Maßnahmen und beraten wissenschaftlich fundiert Politikverantwortliche und Stakeholder.
Entwicklung und Bewertung von Klimaschutzmaßnahmen und -politiken
Die Entwicklung von Politikinstrumenten ist eine spezifische Form der Politik- und Strategieberatung. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts entwerfen Vorschläge, wie konkrete Herausforderungen im Themengebiet Energie- und Klimaschutz angegangen werden können – dies können Ordnungs- oder Planungsrecht, Anreizinstrumente, informatorische oder prozedurale Ansätze sein. Neben ökologischer Wirksamkeit geht es dabei um soziale Nachhaltigkeit, ökonomische Effizienz, politische Kohärenz, Durchsetzbarkeit und Akzeptanz. Klimaschutzmaßnahmen und -politiken betreffen in der Regel verschiedene Themenbereiche, wie Verkehr, Industrie, Haushalte, Gebäude, Landwirtschaft oder Wald, denen sich Expertinnen und Experten des Öko-Instituts aus verschiedenen Fachrichtungen gemeinsam widmen.
Politik- und Strategieberatung
Häufig sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts in die konkrete Entwicklung von Programmen, Gesetzen, Strategien oder Instrumenten eingebunden. Ob auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene, in der EU oder in Unternehmen – das Expertenteam des Öko-Instituts bringt fachliche und rechtliche Expertise ein, aber auch Prozess- und Akteurskenntnisse, um zu nachhaltigeren Lösungen beizutragen.
Politikevaluation
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts evaluieren Politikinstrumente, Strategien oder Programme, bevor diese umgesetzt werden („ex ante“-Evaluation, Folgenabschätzung), aber auch begleitend zu ihrer Umsetzung oder danach („ex post“). Dabei greifen sie auf unterschiedliche Evaluationsansätze zurück, wie die theoriebasierte Evaluation, empirische Schätzungen oder Modellierungen. Mit qualitativen und quantitativen Methoden beurteilen sie unter anderem die ökologische Wirksamkeit, soziale Nachhaltigkeit, ökonomische Effizienz, politische Kohärenz, Durchsetzbarkeit oder Akzeptanz der Maßnahmen.
Workingpaper "Handreichung für Evaluationen in der Umweltpolitik"
Wie wirken Klimaschutzmaßnahmen? Energiewirtschaftliche Modelle und Analysen
Szenarien und Visionen
Szenarien und Visionen dienen der Darstellung von möglichen Entwicklungspfaden zur Erreichung von Klimaschutzzielen. Für Deutschland entwickeln Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts Szenarien entsprechend der deutschen Klimaziele und der zur Zielerreichung notwendigen Minderungen für die Jahre 2030 und 2050 und bewerten ihre ökologischen, ökonomischen und sozialen Folgen. Auch für die Europäische Union werden Projektionen entwickelt und bewertet. Dabei werden auch Maßnahmen in die Szenarien integriert und Maßnahmenpakete miteinander verglichen.
Energiewirtschaftliche Modelle und Analysen
Analyse der Verteilungseffekte von Energieeffizienzmaßnahmen (EnEffDist)
Jegliche energie- und klimapolitische Maßnahme bringt auch Verteilungseffekte auf die Bevölkerung mit sich. Auf Basis detaillierter Haushaltsdaten können die Verteilungseffekte von Maßnahmen oder Politiken bestimmt werden. EnEffDist bildet ab, wie die induzierte Veränderung im Preis von Konsumgütern oder Veränderungen der nachgefragten Mengen auf unterschiedliche Haushaltstypen wirken. Betrachtete Verteildimensionen umfassen das verfügbare Einkommen, die Haushaltszusammensetzung oder die soziale Stellung.
Grafik: Verteilungseffekte von Energieeffizienz- und -einsparmaßnahmen
Building Stock Transformation Model (Building STar)
Das Gebäudemodell (Building Stock Transformation Model) bildet in Form eines Stock Exchange Ansatzes den Gebäudebestand in Deutschland ab. Das Modell erfasst Wohn- und Nichtwohngebäude und modelliert Gebäude-Kohorten in unterschiedlicher Auflösung. Es eignet sich, um die Wirkung verschiedener Politikmaßnahmen abzuschätzen, die die Sanierungsaktivität (Sanierungsrate, Sanierungsintensität) im Gebäudesektor adressieren. Dies umfasst beispielweise Maßnahmen zur Sanierung der Gebäudehülle sowie auch Maßnahmen zur Dekarbonisierung der Wärmeversorgung.
Electricity Investment Analysis Modell (ELIAS)
Das Electricity Investment Analysis Modell ist ein Investitionskostenmodell für den deutschen Stromsektor. Es ermittelt, welche Kraftwerksinvestitionen unter ökologischen Rahmenbedingungen am kostengünstigsten sind. Im Projekt „Politikszenarien“ analysieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts damit die Auswirkungen verschiedener Klimaschutzmaßnahmen auf den zukünftigen Kraftwerkspark und seine CO2-Emissionen. Zudem kommt ELIAS zum Einsatz, um die Auswirkungen der erneuerbaren Energien und der Elektromobilität auf den Kraftwerkspark zu untersuchen.
Energie-Umwandlungs-Sektor-Modell (ENUSEM)
Das Energie-Umwandlungs-Sektor-Modell (ENUSEM) ist ein Modell zur Kopplung spezifischer Sektormodelle. Es verbindet dabei die wesentlichen Energieflüsse der einzelnen Energiemodelle und berechnet die Emissionen, die aus der Energienutzung entstehen. Daneben stellt es auch Schnittstellen zu Emissionsberechnungen außerhalb des Energiesystems wie z. B. der Landwirtschaft bereit. Neben der reinen Sektorintegration schließt es Lücken, die nicht durch die einzelnen Sektormodelle abgebildet sind. Teil des Modells ist ein Berechnungsteil, der die Erreichung der energie- und klimapolitischen Ziele analysiert. Dieses Modell ist hierfür besonders geeignet, da es sämtliche relevante Energie- und Emissionsdaten aller Sektoren integriert.
LISE
Für die Entwicklung der THG-Emissionen und anderer landwirtschaftlicher Kenngrößen wird am Öko-Institut das Modell LISE (Lifestock and Soil Emissions) eingesetzt. Es handelt sich dabei um ein Bottom-Up Agrarmodell, das die Tierhaltung und die Nutzung landwirtschaftlicher Böden in Deutschland in Bezug auf die Produktion (Erträge und Leistungsparameter, Wirtschaftsweisen, Technologien) und ausgewählte Umweltparameter (Treibhausgase, Flächennutzung, Stickstoffumsätze) abbildet. Daneben existiert ein Teilmodul zur Abschätzung der energiebedingten Emissionen aus der Landwirtschaft, die nach der Sektorzuordnung des Klimaschutzgesetzes ebenfalls für die Zielerreichung mit einbezogen werden. Neben der Berechnung von Langfristszenarien wird das Modell auch für die Quantifizierung der Auswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen verwendet. Daneben stehen weitere Excel-basierte Tools z.B. für die Entwicklung der Nachfrage nach tierischen und pflanzlichen Produkten, aber auch für das Biomasse Angebot zur Verfügung. Diese verschiedenen Tools sind mit dem LISE-Modell verknüpft, können aber auch unabhängig davon genutzt werden.
FABio-Agri
Für die Landwirtschaft betreibt das Öko-Institut neben dem Excel-basierten Modell Modell LISE das Simulationsmodell FABio Agri. Beide Modelle bilden Ackerbau- und Tierhaltung sowie unterschiedliche Wirtschaftsweisen ab (z.B. konventionelle und ökologische Landwirtschaft, Extensivierungen). Das Excel-Modell berechnet Treibhausgasemissionen und dient zur Wirkungsquantifizierung von Klimaschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft. Das FABio-Modell kann darüber hinaus weitere Umweltparameter abbilden (Biodiversität, Stickstoffhaushalt, Kohlenstoff) und ist mit differenzierteren Wirtschaftsannahmen hinterlegt.
FABio-Forest
Das Waldwachstums- und Waldbewirtschaftungsmodell FABio-Forests ist ein distanzunabhängiges Einzelbaummodell, das die Entwicklung von Waldbeständen unter verschiedenen Voraussetzungen beschreibt. Das Modell nutzt dafür Daten der zweiten und dritten Bundeswaldinventur (BWI). Es beinhaltet ein Zuwachsmodell, ein Modell für den Einwuchs neuer Bäume, ein Mortalitätsmodell, ein Totholzmodell sowie ein Teilmodell für Holzprodukte und ein Bodenkohlenstoffmodell. FABio-Forest dient für Szenarienanalysen, um die Auswirkungen alternativer Waldbau- und Waldbewirtschaftungsmaßnahmen auf Holzaufkommen, CO2-Speicherleistung und verschiedene Naturschutzaspekte zu vergleichen.
FABio-Land
Für den Sektor Land Use, Land Use Change and Forestry (LULUCF) hat das Öko-Institut ein Excel-basiertes Modell entwickelt, das – ausgehend von den historisch berichteten Daten – Flächenbelegung und Flächenänderungen sowie die damit verbunden Emissionen bis in das Jahr 2050 projiziert. Politische Entscheidungen wie z.B. ein Grünlandumbruchverbot oder die Wiedervernässung von Mooren können in Szenarien simuliert werden. Das Modell liegt in einer Version für Deutschland und die EU vor. FABio-Land für Deutschland integriert die Ergebnisse aus FABio-Forest und übergibt Veränderungen der landwirtschaftlichen Fläche an FABio-Agri und LISE.
Input-Output Modellierung (EmIO)
EmIO ist ein Input-Output Modell, welches die Verflechtungen der Sektoren der gesamten Volkswirtschaft darstellt und ein explizites Arbeitsplatzmodul besitzt. Es ist in den Varianten EmIO-D (Deutschland) und EmIO-EU verfügbar und basiert auf den Input-Output-Tabellen von Statistischem Bundesamt und Eurostat, die jedes Jahr als Teil der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) veröffentlicht werden. EmIO stellt die Arbeitsplatzeffekte von Investitionen, Einsparungen oder zusätzlichen Kosten aufgrund von energie- und klimapolitischen Maßnahmen dar und berücksichtigt die Verflechtungen der Volkswirtschaft und insbesondere Vorleistungen aus anderen Sektoren.
Ökonometrie und Statistik (ÖkoStat)
Mit Hilfe ökonometrischer Analysen von Zeitreihendaten und Haushalts- oder Firmendaten können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts historische Zusammenhänge zwischen verschiedenen Faktoren bestimmen und daraus Schlüsse für ihre weitere Entwicklung ziehen. Insbesondere dienen diese Analysen dazu, den Einfluss von energie- und klimapolitischen Maßnahmen auf Preise und das Verhalten von Haushalten und Firmen darzustellen.
PowerFlex
PowerFlex ist ein Strommarktmodell, das den optimalen Betrieb von Kraftwerken, Speichern und flexiblen Stromnachfragern (wie Kühlhäusern oder Elektrofahrzeugen) berechnet, um die Strom- und Fernwärmenachfrage sowie die Bereitstellung von Regelleistung zu decken. Die Besonderheit dieses Modells: Es bildet verschiedene Flexibilitätsoptionen bei Stromnachfrage und -angebot detailliert ab. Aus den berechneten Einsatzprofilen lassen sich weitere Kennzahlen ableiten, wie zum Beispiel CO2-Emissionen, Speicherverluste oder die resultierenden Strompreise. Das Modell kommt in verschiedenen Projekten zum Einsatz und lässt sich mit dem Investitionsmodell ELIAS koppeln.
Grafik: Interaktion der Modelle ELIAS und PowerFlex
PowerFlex-Grid
PowerFlex-Grid bildet zusätzlich auch das deutsche Übertragungsnetz mit rund 500 Netzknoten ab. Die europäischen Nachbarländer sind zudem in vereinfachter Form als jeweils ein Netzknoten berücksichtigt, so dass PowerFlex-Grid auch den Stromaustausch zwischen den Ländern modelliert (Import und Export).
Allgemeines Gleichgewichtsmodell (FARM-EU)
FARM-EU ist ein allgemeines Gleichgewichtsmodell (CGE-Modell), das die Auswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen in verschiedenen Staaten und Wirtschaftsbereichen auf die gesamtwirtschaftliche sowie sektorale Entwicklung, Preiseffekte, Handelseffekte und Energienachfrage sowie die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2040 abbildet. Es analysiert zudem Wettbewerbseffekte und die Risiken des so genannten ‚Carbon Leakage’. Insbesondere für die internationale Klimapolitik ist die länderübergreifende, gesamtwirtschaftliche Analyse und Bewertung von Interesse.
Grafik: Allgemeines Gleichgewichtsmodell des Öko-Instituts
Weitere Informationen zu energiewirtschaftlichen Modellen und Analysen.