Nachhaltige Chemikalien: Risiken minimieren – Nutzen optimieren

Chemikalien finden sich in vielerlei Produkten und Prozessen, die uns umgeben. Ganz im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung können Chemikalien dabei helfen, Rohstoffe und Energie effizienter und sparsamer zu nutzen. Allerdings gibt es auch heute noch bei vielen Anwendungen Schädigungen von Mensch und Umwelt, obwohl sehr oft weniger problematische Ersatzstoffe oder alternative Verfahren zur Verfügung stehen. Nachhaltiges Chemikalienmanagement muss sicherstellen, dass von Herstellung, Einsatz und Entsorgung chemischer Produkte kein Risiko ausgeht.

Arbeits-, Umwelt- und Verbraucherschutz sind Nachhaltigkeitsziele, an denen sich auch der Umgang mit Chemikalien messen lassen muss. Ziel ist es dabei stets, Risiken, die von Chemikalien ausgehen können, zu vermeiden. Ebenso gilt es, ihre Eigenschaften so zu verbessern, dass sie ökologisch, sozial und wirtschaftlich erfolgreich sind.

Auch Unternehmen profitieren, wenn sie gefährliche oder riskante Stoffe durch weniger problematische ersetzen. Chemikaliensicherheit trägt aktiv zum betrieblichen Arbeits- und Umweltschutz bei und kann Kosten für Risikomanagementmaßnahmen senken. Dies führt auch zur Verringerung der Schadstoffbelastungen in Wasser, Böden und Luft.

REACH – die europäische Chemikalienverordnung

2007 trat die REACH-Verordnung in Kraft. Sie regelt die Registrierung (Registration), Bewertung (Evaluation), Zulassung (Authorisation) und Beschränkung (Restriction) von Chemikalien (Chemicals) in allen europäischen Mitgliedsstaaten. Ein spezielles Augenmerk fällt auf besonders gefährliche Stoffe, die sogenannten besonders besorgniserregenden chemischen Stoffe (englisch: Substances of Very High Concern, SVHC).

Diese SVHCs veröffentlicht die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) auf der sogenannten Kandidatenliste. Etwa zweimal pro Jahr wird die Liste um neue Stoffe ergänzt. Im Frühjahr 2019 gibt es 197 Einträge, welche zumeist einzelne Stoffe, teils aber auch Stoffgruppen nennen. Hersteller, Importeure und Händler von Erzeugnissen, die einen dieser SVHCs beinhalten, müssen nach der REACH-Verordnung darüber informieren, dass ihre Produkte diese Stoffe enthalten – und dies entlang der gesamten Lieferkette.

Unternehmen sind verpflichtet, Informationen, die eine sichere Verwendung ihrer Erzeugnisse garantieren, unaufgefordert zur Verfügung zu stellen und dabei zumindest den Namen des SVHCs zu nennen. Auch private Nutzerinnen und Nutzer haben nach REACH ein Auskunftsrecht – allerdings erst auf Anfrage. Wird die Pflicht der Informationsweitergabe verletzt, droht eine Geldstrafe von 50.000 Euro.

SAICM – internationales Chemikalienmanagement

Eines der globalen Nachhaltigkeitsziele ist es, die negativen Effekte von Chemikalien auf Umwelt und Gesundheit bis 2020 zu minimieren. Zur Umsetzung dieses Ziels dient der 2006 formulierte Strategische Ansatz zum Internationalen Chemikalienmanagement (SAICM). Er umfasst den gesamten Lebenszyklus einer Chemikalie, beteiligt alle Sektoren und Interessenvertreter und setzt auf Freiwilligkeit.

SAICM will die von Chemikalien ausgehenden Risiken mindern, Wissen und Information verbessern, für eine gute internationale Regierungs- und Verwaltungsführung sorgen, Kapazitäten für technische Zusammenarbeit aufbauen und den illegalen internationalen Handel bekämpfen. Alle drei bis fünf Jahre findet in diesem Rahmen die Internationale Chemikalienmanagement-Konferenz (ICCM) statt.

In Deutschland ist das Umweltbundesamt (UBA) für die Umsetzung von SAICM verantwortlich. Es koordiniert und kommuniziert Informationen zu Aktivitäten im Rahmen von SAICM und berichtet der UN darüber.

Herausforderungen durch REACH und SAICM

Durch die EU-Chemikalienverordnung REACH kommen auf Hersteller und weiterverarbeitende Anwender von Chemikalien neue Herausforderungen zu. Das Öko-Institut arbeitet für die Ausgestaltung und Weiterentwicklung dieser Regularien mit Politik, Wirtschaftsunternehmen und Verbraucherschutzinitiativen zusammen. Diese Arbeiten gehen auch über die europäische Ebene hinaus.

Unter der deutschen Präsidentschaft von SAICM im Jahr 2020 wird sich entscheiden, wie der Nachfolgeprozess für die kommenden Jahre ausgestaltet werden kann. Auch hier bringt das Öko-Institut seine Erfahrungen ein. Die Stockholm Konvention zu persistenten organischen Schadstoffen (POPs) ist ein weiteres Beispiel für globale Regulierungen, zu denen wir arbeiten.

REACH Radar und REACH Radar plus

Das vom Öko-Institut entwickelte Tool REACH-Radar unterstützt Unternehmen dabei, ihre durch die REACH-Verordnung bestehende Kommunikationspflicht zu erfüllen. Zunächst müssen die Firmen feststellen, ob sie besonders besorgniserregende Stoffe überhaupt einsetzen. Wenn Unternehmen die spezifischen CAS-Nummern der verwendeten Stoffe in ein Excel-basiertes Tool eingeben, wird ihnen automatisch angezeigt, ob einer oder mehrere dieser Stoffe auf der Kandidatenliste stehen.

Kontinuierlich pflegt das Öko-Institut Aktualisierungen der Stofflisten ein. Unternehmen können so immer auf die neuesten Listen zugreifen – unkompliziert und online verfügbar. Gemeinsam mit den Projektpartnern Hansgrohe, Hochschule Furtwangen, Kunststofftechnik Buzzi und UNIWELL Rohrsysteme konnte das Öko-Institut REACH-Radar in die jetzt vorliegende Form bringen. Gefördert wurde das Projekt durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt.

Aktuell wird REACH Radar noch erweitert – zu REACH Radar Plus, das vor allem kleine und mittlere Unternehmen dabei unterstützt, problematische Stoffe zu identifizieren und zu ersetzen. Außerdem integriert REACH Radar Plus außereuropäische Listen von Problemstoffen und arbeitet an einer besseren Verständlichkeit – auch für Nicht-Chemikerinnen und Chemiker.

Artikel „REACH Radar Plus – frei verfügbares Frühwarnsystem“ in eco@work März 2019

Zum REACH Radar-Excel-Tool

Nachhaltige Chemie in die Praxis bringen!

Die Bewertung von chemischen Stoffen hinsichtlich ihrer Risiken, aber auch ihrer Potenziale für eine nachhaltige Wirtschaftsweise wird in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Mittelfristig müssen schädliche Stoffe vollständig ersetzt, Chemikalien nachhaltig erzeugt und ihre Wechselwirkungen mit anderen Stoffen erforscht werden. An den methodischen Grundlagen hierfür hat das Öko-Institut intensiv gearbeitet.

Nun gilt es, dieses Wissen in unternehmerische Praxis umzuwandeln. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterstützen Unternehmen dabei, Chemikalien aktiv nachhaltig einzusetzen und die REACH-Verordnung effektiv umzusetzen. Dazu hat das Öko-Institut gemeinsam mit der Ökopol GmbH für das Umweltbundesamt einen Leitfaden für nachhaltige Chemikaliennutzung erarbeitet und folgende „goldene Regeln“ für die Anwendung formuliert:

  • Auf Problem- und gesundheitsschädliche Stoffe verzichten
  • Chemikalien in ihrer Mischung mit anderen analysieren
  • Nachwachsende Rohstoffe bevorzugen
  • Risiken in der Nutzung erforschen
  • Anspruchsvolle Umwelt- und Sozialstandards in der Produktion einhalten
  • Lange Transportwege vermeiden
  • Auf Energie- und Wasserverbrauch sowie das Abfallaufkommen achten

Diese und andere Richtlinien tragen dazu bei, die Chemie nachhaltiger zu gestalten.

Broschüre „Leitfaden nachhaltige Chemikalien“ des Umweltbundesamtes und des Öko-Instituts