Chemikalien- und Technologiebewertung

Chemikalien und Technologien haben in unserer Gesellschaft wichtige Funktionen, etwa für Elektronik, Textilien oder Verpackungen. Sie können zudem unverzichtbare Beiträge für ein nachhaltiges Wirtschaften leisten – so mit Blick auf die Herstellung energiesparender Produkte. Gleichzeitig kommen in vielen Anwendungsbereichen immer noch risikoreiche Chemikalien und Technologien zum Einsatz, für die es inzwischen bessere Alternativen gibt. Gerade bei problematischen Stoffen und neuen Technologien ist es notwendig, ihren Nutzen zu prüfen und mit den Risiken für Mensch und Umwelt abzuwägen.

Nachhaltige Chemie und der europäische Rechtsrahmen für Chemikalien und Produkte

Chemikalien sollten material- und ressourcenschonend, sozial und ökologisch verträglich eingesetzt werden. Für dieses Ziel setzt das Konzept der Nachhaltigen Chemie den Rahmen. Mit der Chemikaliengesetzgebung REACH gilt in der EU zudem ein anspruchsvolles Regelwerk. Nur wenn sie unter REACH registriert sind, dürfen chemische Stoffe in der EU in größeren Mengen hergestellt oder in Umlauf gebracht werden. Darüber hinaus regelt REACH die Zulassung von besonders besorgniserregenden Chemikalien. Ziel ist es, sie durch andere Stoffe zu substituieren. Dies fördert auch die RoHS-Richtlinie, die Schadstoffe in Elektro- und Elektronikgeräten reguliert. Verbraucherinnen und Verbraucher haben unter REACH außerdem erstmals das Recht, über besonders problematische Stoffe in Produkten informiert zu werden.

Neue Technologien – Chance oder Risiko?

Auch bei zahlreichen neuen Technologien ist es wichtig, genau hinzuschauen. Dies gilt besonders für moderne Grundlagentechnologien – wie etwa die Digitalisierung oder die additive Fertigung bzw. den 3D-Druck. Deren Nutzung wird oftmals erst durch neue Materialien möglich, welche die Nachhaltigkeit solcher Technologien maßgeblich prägen können. Vielfach sind die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt noch nicht hinreichend untersucht, etwa bei der Verwendung von Nanomaterialien. Bei allen Vorteilen hinsichtlich neuer Funktionen und verbesserter Eigenschaften von nanobasierten Werkstoffen müssen unerwünschte Nebenwirkungen genau untersucht und angemessen reguliert werden. Eine unvoreingenommene Auseinandersetzung mit möglichen Vor- und Nachteilen ist auch beim so genannten Genom Editing unerlässlich für eine verantwortungsvolle Anwendung dieser neuen gentechnischen Verfahren.

Chemikalien und Technologien bewerten

Das Öko-Institut befasst sich auf zahlreichen Ebenen mit einer sicheren Verwendung von chemischen Stoffen und der sicheren Anwendung neuer Technologien. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler widmen sich der Chemikaliengesetzgebung sowie der Prüfung einer möglichen Substitution von problematischen Stoffen – mit Blick auf die REACH-Verordnung und die RoHS-Richtlinie, aber auch in Hinsicht auf die ELV-Direktive zu Altautos. Darüber hinaus beschäftigen sie sich mit den Anforderungen an eine nachhaltige Anwendung neuer Materialien und technischer Verfahren und setzen ihre Expertise bereits bei der Entwicklung neuer Produkte und Verfahren ein. So widmen sie sich entwicklungsbegleitend etwa in den Bereichen Kunststoffe und Elektronik einer frühzeitigen Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten.

Kompetenzen

Methodenkompetenzen Technologiebewertung

EU Impact Assessment

Das EU Impact Assessment bewertet systematisch die ökologischen, sozialen und ökonomischen Auswirkungen politischer Maßnahmen. Die Ergebnisse geben Entscheidungsträgern Hinweise, ob eine EU-weite politische Regulierung erforderlich ist oder ob bei einer geplanten Maßnahme noch Anpassungsbedarf besteht. Das Öko-Institut erstellt Impact Assessments unter anderem zur europäischen Stoffverbotsrichtlinie RoHS (Restriction of Hazardous Substances).

EU-Webseite zum Impact Assessment

Kosten-Nutzen-Analyse (KNA)

Die Kosten-Nutzen-Analyse ist eine systematische quantitative Bewertung eines Projektes oder einer umweltpolitischen Maßnahme, um festzustellen, in welchem Maße diese aus gesellschaftlicher Sicht wünschenswert ist. Eine KNA berücksichtigt alle Gewinne (Nutzen) und Verluste (Kosten) unabhängig von einzelnen Interessensträgern, beispielsweise bei der Bewertung von unterschiedlichen weit in die Zukunft reichenden Optionen von Infrastrukturmaßnahmen oder zum Vergleich innovativer und konventioneller Technologien.

Leitfaden zur Nutzen-Kosten-Abschätzung umweltrelevanter Effekte in der Gesetzesfolgenabschätzung

Methodology for the Ecodesign of Energy-related Products (MEErP) / EcoReport Tool

Zur Entwicklung oder Revision von produktspezifischen EU Ökodesign- bzw. Energielabel-Regulierungen erstellt das Öko-Institut wissenschaftliche Vorstudien nach einer festgelegten Methodik. Die Analyseberichte müssen immer die folgenden Bereiche beinhalten: Scope, Markets, Users, Technologies, Environment, Economics, Scenarios mit jeweils definierten Teilaspekten. Für die Berechnung der ökologischen und ökonomischen Szenarien dient ein vorgegebenes Excel-basiertes Tool, das so genannte EcoReport Tool.

Wissenschaftliche Begleitung der Umsetzung der EU-Ökodesign-Richtlinie

Grundsätze der EU Ökodesign-Richtlinie

Scientific Foresight

Im Rahmen von Innovations- und Technikanalysen wendet das Öko-Institut das Konzept der „Scientific Foresight“ an. Dabei handelt es sich um eine Methode des EU-Parlaments zur strategischen Vorausschau auf künftige technologie-getriebene Entwicklungen und deren Auswirkungen auf gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und Umwelt-Ebene. Im Konzept enthalten sind die Teilmethoden „Horizon scanning“, „360° Envisioning“, „Scenario development“ und „Sense-making“.

Beispielprojekt zur Anwendung von Scientific Foresight im EU-Parlament

Stakeholder-Konsultationen

Bei Stakeholder-Konsultationen handelt es sich um einen strukturierten und durch Regeln geleiteten Prozess, bei dem Interessengruppen (sogenannte Stakeholders) im Rahmen von Entwicklungs- und Entscheidungsprozessen Stellung nehmen können – beispielsweise bei der Erstellung oder Revision von Gesetzgebungen. Das Öko-Institut organisiert Stakeholder-Konsultationen, wie die Bewertung von Ausnahmeanträgen im Kontext der EU-Richtlinien RoHS und ELV, oder beurteilt Regulierungsvorschläge im Rahmen der EU Ökodesign- und Energielabel-Richtlinien.

Leitlinien der Europäischen Kommission zur Durchführung von Stakeholder-Konsultationen

SWOT-Analyse

Die SWOT-Analyse ist ein Instrument der strategischen Planung, um Stärken (Strengths) und Schwächen (Weaknesses) sowie externe Chancen (Opportunities) und Risiken (Threats) in Produkten, Projekten oder Geschäftsprozessen bewerten zu können. Das Öko-Institut verwendet die SWOT-Analyse beispielsweise bei Produktportfolio-Analysen im Rahmen von PROSA (Product Sustainability Assessment), um die intern wahrgenommenen (wirtschaftlichen) Stärken und Schwächen und die extern wahrgenommenen (sozialen und ökologischen) Chancen und Risiken integriert zu betrachten und daraus Lösungsansätze und strategische Optimierungspotenziale abzuleiten.

Technologiebewertung / Technikfolgenabschätzung (TA)

Zur vorausschauenden Analyse und Bewertung von Umweltauswirkungen neuer beziehungsweise zukünftiger Technologien greift das Öko-Institut auf eine umfassende „Methoden-Toolbox“ zurück. Es geht hierbei darum, die Konsequenzen komplexer technischer Systeme und Materialien in ihrem Anwendungskontext systemisch zu verstehen und daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten (beispielsweise Regulierung, Vorsorgeprinzip, Ökodesign, Innovationsstrategien).

Methodenkompetenzen Chemikalienmanagement

Ersatzstoffbewertung

Häufig werden gesetzlich geregelte problematische Stoffe durch andere ebenfalls problematische Stoffe ersetzt – eine nicht wirklich sinnvolle Substitution, die Belastungen verlängert. Um dies zu vermeiden, prüft das Öko-Institut bei der Ersatzstoffbewertung systematisch die gefährlichen Eigenschaften mehrerer Stoffe und die zu erwartenden Expositionen. Ziel ist es, durch einen Ersatzstoff oder ein Ersatzverfahren Risiken zu vermeiden oder möglichst weitgehend zu verringern.

Expositionsbewertung

Die Expositionsbewertung schätzt die Exposition, das heißt den Kontakt eines Stoffes mit Mensch und Umwelt, ab und bewertet die Folgen. Als Teil der toxikologischen Bewertung ist sie die Voraussetzung für eine Risikoabschätzung, um die Expositionshöhe mit wirkungsbezogenen Grenzen vergleichen zu können. Das Öko-Institut nutzt die Methode bei der human- und ökotoxikologischen Bewertung von Stoffen und um Ersatzstoffe zu bewerten oder zu empfehlen.

Die Bewertung erfolgt nach den Technischen Leitlinien der Europäischen Chemikalienagentur.

Human- und ökotoxikologische Stoffbewertung

Die human- und ökotoxikologische Bewertung schätzt sowohl die Eigenschaften problematischer Stoffe (z.B. ätzende Wirkung) als auch ihre mögliche Berührung (Exposition) mit Mensch und Umwelt ab. Dabei vergleicht sie Stoffeigenschaften und Exposition miteinander und bewertet mögliche Risiken. Das Öko-Institut nutzt die Methode unter anderem zur Bewertung und Empfehlung von Ersatzstoffen oder zur Entwicklung von problemstoff-bezogenen Vergabekriterien für Umweltzeichen.

MEG-Äquivalente

Um Gefahrstoffe am Arbeitsplatz und in Produkten quantifizieren zu können, berechnet das Öko-Institut die sogenannten MEG-Äquivalente. Hierzu vergleichen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Gefährlichkeit der Stoffe mit der Bezugssubstanz Monoethylenglykol (MEG). Grundlage ist die Einstufung der Stoffe nach der CLP-Verordnung (Classification, Labelling and Packaging), die europaweit ein einheitliches System für die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen vorschreibt. Dabei verwendet sie einheitliche Gefahrenhinweise, um die gefährlichen Eigenschaften eines Stoffes zu beschreiben.

REACH Radar: Problemstoff-Screening

Die problematischsten Stoffe werden europaweit auf der sogenannten REACH Kandidatenliste veröffentlicht. Das Öko-Institut hat ein einfaches Excel-basiertes Instrument entwickelt (REACH Radar), in dem diese und weitere Listen aktualisiert hinterlegt sind. REACH Radar ermöglicht es Unternehmen, in sehr kurzer Zeit zu überprüfen, ob sie solche Stoffe einsetzen, und gezielt Ersatzstoffe zu suchen.

Zur aktuellen Fassung von REACH Radar